Die Welt dreht sich immer schneller – und damit ändern sich auch unsere Bedürfnisse und Vorstellungen. Dr. Martina Kühne referiert am Networking-Tag darüber, welche Vorteile wir davon mitnehmen können.
Sie kennen die Bedürfnisse der sich verändernden Welt. Was sehen Sie als grösste Veränderung, die Corona mit sich gebracht hat?
Corona war für uns alle eine kollektive Schockwelle. Keine Freunde mehr treffen, Läden und Restaurants zu, nur noch Homeoffice – wir alle haben gemeinsam erlebt, wie sich das Leben sprichwörtlich von einem Tag auf den andern verändern kann. Was gerade erst noch Zukunftsszenario war, ist heute postpandemische Realität: Wir zoomen, twinten und arbeiten von zu Hause aus. Alles Resultate der Pandemie, die uns zirka zehn Jahre in die Zukunft katapultiert haben. Und uns eindrücklich zeigen: Die Welt kann sich schneller und radikaler ändern als man denkt.
Welche Vorteile können wir daraus mitnehmen?
Zum einen wurde unser Vorstellungsvermögen erweitert. Was vor zwei Jahren noch unvorstellbar schien, ist heute vorstellbar. Zum anderen lernen wir aus Krisen wiederum für die Zukunft. Die spannende Frage, die sich daraus ergibt: Wie können wir gute Ideen und Lösungen, die in der Coronakrise entwickelt wurden, weiterführen und auf andere Probleme und Herausforderungen übertragen? Zum Beispiel auf die Klimakrise.
Wo hingegen gibt es Nachteile?
Die Coronakrise hat viele Menschen nachhaltig verunsichert. Und wir werden Strategien entwickeln müssen, um mit dieser Unsicherheit umzugehen. Denn die Zukunft bleibt naturgemäss immer ein Stück weit ungewiss und unvorhersehbar. Darum arbeiten wir in der Zukunftsforschung ja auch immer mit Szenarien, also möglichen Zukünften.
Nun erhalten wir Stück für Stück eine gewisse Normalität zurück. Was denken Sie, wird jedoch bleiben?
Das Bedürfnis eine neue Normalität (ein New Normal) zu definieren, ist verständlicherweise gross. Es wäre aber noch verfrüht, denn wir leben noch immer in einer Art Ausnahmezustand, bedingt durch die Pandemie, die noch nicht wirklich vorbei ist, durch die Klimakrise, durch Krieg in Europa. Viel interessanter scheint mir daher erstmal die Frage, was denn in Zukunft nicht mehr «normal» sein wird. Welche vermeintlichen Gewissheiten und Gewohnheiten sollten wir loslassen? Das bewusste Loslassen kann helfen, den Kopf für neue Ideen freizubekommen.
Sie referieren zum Thema «Der nächste Luxus» - was wird uns denn in Zukunft lieb und teuer bleiben oder werden?
Was als Luxus gilt, ist abhängig vom Zeitgeist und davon, wie knapp ein Gut ist. Pfeffer und Lachs, dann Kühlschränke und Autos – dies alles war mal kostbar und teuer, hat sich inzwischen aber von der Ausnahmeerscheinung zum Allgemeingut gewandelt. Was trotz aller Veränderungen des Luxusbegriffs bleibt, ist die jedem Menschen innewohnende Neigung, seine Lebensumstände zu verbessern.
Was also heisst «Verbesserung» genau in einer immer älter werdenden und materiell gesättigten Gesellschaft wie hier in der Schweiz? Tendenziell beobachten wir eine Verschiebung vom materiellen hin zu einem immateriellen Luxus. Oder besser: von der Verschwendung zur Verschlichterung. Den entschleunigten und reduzierten Lebensstil, den uns die Coronakrise ungefragt aufgedrängt hat, haben viele Menschen richtig zu schätzen gelernt – als neuen Luxus eben.
Manuela Bruhin (*1984) aus Waldkirch ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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