Perspektive bestimmt, wie wir die Welt sehen und worauf wir den Fokus legen. Kein neuer Satz und keine neue Erkenntnis, jedoch habe ich seine Tiefe erst in den vergangenen Monaten begriffen.
Verdanken tue ich dies Chris Williamson, welcher in seinem Podcast vermehrt das 6-Minuten Tagebuch erwähnt hat. Zwei zentrale Komponenten davon sind, dass man am Morgen drei Dinge niederschreibt, für die man dankbar ist, und am Abend drei positive oder schöne Dinge, die im Tag aufgetaucht sind.
Anfangs stand ich dem Ganzen skeptisch gegenüber, ich bin von Natur aus eine realistische Pessimistin und schaue daher immer, wo Verbesserungspotential ist, oder denke bereits sorgenvoll in die Zukunft. Da ich aber die Gelegenheit ergreifen wollte, mich zu weiterzuentwickeln, lies ich mich darauf ein. Wider meiner Erwartung, ging ich in kurzer Zeit anders durch den Tag.
Dinge aufzuschreiben, für die ich Dankbarkeit verspüre, war zu Beginn simpler, da die Bandbreite noch offener war; meine Familie, Sonnenlicht, in einem sicheren Land leben. Doch da es sich wie Betrügen anfühlt, immer das Gleiche aufzuschreiben, muss ich inzwischen tiefer graben und finde Dinge in meinem Alltag, für die ich dankbar bin, aber sie nie wirklich wahrgenommen habe; ein Abteil im Zug für sich allein, Jahreszeiten zu erleben, den Fehler vor der Prüfung gemacht zu haben, um daraus zu lernen.
Schöne Momente im Alltag zu finden, erfordert Fokus, führt aber auch dazu, dass man während dem Tag schneller wegen kleinen Dingen anfängt zu lächeln; die farbigen Blätter, die durch den Wind tanzen oder die Autofahrerin, die strahlt, als man ihr fürs Halten dankend winkt.
Mir hilft diese Perspektive auf den hellen Momenten des Lebens gerade in den dunklen Wintermonaten und der damit verbundenen Niedergeschlagenheit. Auch ist mit aufgefallen, wie positiv überrascht Menschen reagieren, wenn man sie auf solche kleinen Dinge hinweist, einmal etwas anderes als dauerndes Beschweren. Ich kann Ihnen daher nur empfehlen, auch einmal zu versuchen je drei Dinge zu notieren – auch wenn es nur für eine Woche ist.
Johanna Lichtensteiger (*2002) stammt aus dem Kanton Thurgau. Nach der Kantonsschule legt sie aktuell ein Zwischenjahr ein, um Arbeitserfahrung zu sammeln.
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