Bekim Ferati mit seiner Familie.
Er hat genug: Bekim Ferati, Gastgeber im Restaurant Cavallino in St.Gallen, wehrt sich gegen die Art und Weise, wie er seit der Zwangsschliessung von den Behörden behandelt wird. Sein Härtefallgesuch wurde abgelehnt. Aber auf die Möglichkeit, sich wehren zu können, wartete er danach lange.
Es war zunächst ein Austausch zwischen einem Unternehmer und den St.Galler Behörden. Bis Bekim Ferati, der an der Langgasse in St.Gallen das Restaurant Cavallino betreibt, diesen Austausch öffentlich machte: Er verpackte seine neueste Kritik in ein Rundmail, das schnell kursierte.
Konkret fühlt sich Ferati vom Kanton St.Gallen im Stich gelassen. Nach einer Absage zu seinem Härtefallgesuch forderte er umgehend eine Verfügung an, die er anfechten könnte. Danach herrschte lange Funkstille aus den Amtsstuben. Obwohl er sich in einer Notlage befinde, warte der Staat zu, so die Kritik des Gastronomen.
Bekim Ferati mit seiner Familie.
Im Gespräch sagt Berim Ferati, was geschehen ist – und warum ihm nun der Kragen platzte.
Berim Ferati, Sie haben ein Rundmail verschickt, in dem Sie auf die Lage Ihres Betriebs aufmerksam machen. Was war die Motivation dafür, was wollen Sie damit erreichen?
Die Motivation ist die unglaubliche schwache Politik und eine arrogante Verwaltung, welche ihre Macht kalt zum Nachteil vieler betroffener Betriebe ausspielt. Der Staat nimmt sehr gerne Steuern und Gebühren, lässt aber die Unternehmen in einer Situation wie Covid-19 einfach hängen. Schwach sind die Politiker, weil sie weder Perspektiven aufzeigen, noch den Betrieben angemessen finanziellen und wirtschaftlichen Schutz anbieten. Traurig schwach ist auch, dass es die Politik nicht zustande gebracht hat, einen 'Mietkonsens' zu finden, dabei sind in vielfacher Weise die Gastronomiebetriebe von besonders hohen Mieten betroffen. Stattdessen überlässt man die Vertragspartner Mieter und Vermieter ihrem eigenen Schicksal in der naiven Vorstellung, dass diese schon zusammen Lösungen finden. Grossvermieter gehen jedoch kompromisslos gegen säumige Gastromieter vor. Es gibt keinen Erlass, kein Entgegenkommen. Dabei weiss jeder Schüler: Ihne Einnahmen kann ich auch nichts bezahlen – ergo, wie soll ein Restaurant seine Miete bezahlen ohne Einnahmen? Wir selbst hattme hier Glück im Unglück, weil uns unsere Vermieterin grosszügig entgegengekommen ist.
Wie sieht die finanzielle Lage Ihres Restaurants konkret aus?
Das Jahr 2020 war aufgrund der zahlreichen Restriktionen im Zusammenhang mit COVID-19 ein besonders schwieriges Jahr. Seit dem 21. Dezember 2020 ist unser Restaurant vollständig und dauerhaft geschlossen. Die Terrassenöffnung, welche dieser Tage vom Bundesrat beschlossen wurde, ist für uns ein Witz, weil wir nur einen kleinen Aussenbereich für die Gäste unterhalten. Viele Restaurantbetriebe führen nur einen kleinen Aussenbereich, der für sich allein nicht rentabel geführt werden kann. Wir sind ein Kleinbetrieb mit vier Mitarbeitern. Mit Ausnahme des Geschäftsführers sind alle Mitarbeiter auf Kurzarbeit. Es sind keine Mitarbeiter entlassen worden, aber wir können ihnen auch keine Perspektiven aufzeigen, weil wir selbst keine haben. Weil uns der Staat keine Härtefallgelder geben will, können wir unseren Mitarbeitern keine Hilfe anbieten – das eine Tatsache, die uns sehr beschäftigt.
Stichwort Härtefallunterstützung: Darüber liegen Sie mit den Behörden im Streit. Wie lief das genau ab?
Unsere Gesellschaft hat im ersten Geschäftsjahr 2018/2019 einen Verlust erzielt. Jedoch waren wir 2020 gut bis sehr gut unterwegs, bis uns Corona das Jahr dann doch noch verhagelt hat. Der Kanton verweigert uns aber die Unterstützung, weil wir im 2018/2019 einen Verlust erzielt haben.
Die Ablehnung des Härtefallgesuchs datiert vom 4. März 2021.
Gemäss Härtefallprogramm darf ein Unternehmen nicht überschuldet sein, demnach müsste man sagen: Die Begründung ist stichhaltig. Sehen Sie das anders?
Die sehr restriktive kantonale Bestimmung der Härtefallverordnung steht im krassen Widerspruch zur Härtefallverordnung des Bundes. Während der Kanton St. Gallen nach der kantonalen Bestimmung offenbar keinen Anspruch akzeptiert, weil die Überschuldung rein buchhalterisch leider gegeben war, hat unsere Gesellschaft gemäss der Bundesverordnung sehr wohl Anspruch. Nach Art. 4 Abs. 2 der Verordnung des Bundes gilt Cavallino Gastro GmbH unbestritten und offenkundig als profitabel. Die Härtefallbeiträge werden vom Kanton und dem Bund alimentiert. Es kann nicht angehen, dass der Kanton die Ansprüche mit einer rigiden Praxis ablehnt und so das Bedürfnis des Bundes nach rascher Hilfestellung faktisch sinnentleert. Der Umstand, dass wir keine Betreibungen haben, zeigt doch deutlich, dass wir trotz aller Schwierigkeiten unseren Verpflichtungen immer nachgekommen sind. Aber auch hierzu sei nochmals angemerkt: wie bezahlt man Rechnungen ohne Einnahmen? Wie soll das gehen? Wie stellen sich Beamte, Verwaltung und Politiker diesen Wirkungszusammenhang vor?
Am 8. März forderte Berim Ferati, dass das Amt für Wirtschaft und Arbeit auf den Entscheid zurückkommen und sonst eine beschwerdefähige Verfügung übermitteln solle. Danach geschah mehrere Wochen nichts mehr.
Sie beklagen sich nicht nur über die Ablehnung Ihres Gesuchs, sondern auch den weiteren Verlauf der Sache. Was werfen Sie den Behörden konkret vor?
Es ist ein Riesenwitz, dass die Verwaltung die Firmen mit abgelehnten Härtefallgesuchen zuerst lange warten lässt und diese dann auf einen epischen Rechtsweg verweist. Dass bereits die Verfügung mit Kosten verbunden ist, betonen die Beamten gleich in der Absage. Vermutlich will man damit einfach lästige Gesuchsteller fernhalten oder abschrecken. Äusserst bedenklich ist auch, dass je nach Kanton eine ganz unterschiedliche Praxis herrscht. Während Unternehmen im Kanton Zürich relativ rasch und unbürokratisch zu erheblichen Unterstützungsleitungen kommen, herrscht in St. Gallen eine kleinkarierte Ablehnungspraxis. Dabei muss der Behörde bewusst, sein, dass in der Gastrobranche viele Arbeitsplätze ernsthaft gefährdet sind.
Wie hat die Verwaltung auf ihre Kritik am Vorgehen reagiert?
Nach unserem Schreiben vom 8. März 2021 hat der Kanton überhaupt nicht reagiert. Erst aufgrund unseres Rundmails vom 13. April 2021 hat sich die Verwaltung erstaunlicherweise innert 24 Stunden gemeldet. Frech ist natürlich, dass die Verwaltung dann ihrerseits die Antwortfristen sehr eng – das heisst bis 21. April 2021 – bemisst. Reagieren wir nicht innert Frist, geht die Behörde von einem Verzicht unsererseits aus. So ist also die Denkhaltung bei der St.Galler Verwaltung. Diese Taktik – zuerst Schweigen, dann kurze Fristansetzung, bei deren Nichteinhaltung das Gesuch definitiv abgeschrieben wird – verfolgt die Verwaltung nachweislich nicht nur in unserem Fall. Uns ist mindestens ein weiterer Fall in Wil bekannt, wo das genau gleich gehandhabt wird. Was hier der Staat unter Härtefall-Unterstützung versteht, ist eine Augenwischerei, eine einzige Pervertierung des Begriffs 'Hilfe'. Wir prophezeien eine Konkurslawine nie geahnten Ausmasses für 2021.
Für das Restaurant Cavallino läuft aktuell eine Crowdfundingkampagne.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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