Ich bin keine gebürtige Schweizerin, sondern im hohen Norden Deutschlands geboren und aufgewachsen. Als ich vor vier Jahren in die Schweiz kam, war ich weder in der Lage, die Sprache zu verstehen, noch war ich der Kultur angepasst.
Hier kommt man immer pünktlich, gibt auch den Kindern die Hand zur Begrüssung und das «Tschüss» als Verabschiedung eines Erwachsenen gilt als unhöflich.
Daran war ich nicht gewöhnt. Schweizerdeutsch konnte ich erst sprechen, nachdem ich schon zwei Jahre in der Schweiz lebte, und jedes Jahr muss ich meine Aufenthaltsbewilligung verlängern lassen. Ich bin anerkannter Ausländer. Und doch sehen mich die Leute nicht als Ausländerin. Viele meinen sogar, sie seien gegen Ausländer. Aber nicht gegen mich. Ausländer sind die, die anders sind. Sie sagen zu mir: «Du bist ja nicht so.» Doch wer sind die Ausländer?
Das bekannte Schäfchenplakat der SVP, ursprünglich für die Volksinitiative zur Ausschaffung krimineller Ausländer 2007 entworfen, aber 2016 ein zweites Mal für die Durchsetzungsinitiative verwendet, zeigt drei weisse Schafe auf der Schweizer Flagge, eines der drei Schäfchen stösst ein schwarzes Schaf von der Flagge. Die Aufschrift darunter: «Sicherheit schaffen». Aber wer soll ausgeschafft werden? Wer sind die schwarzen Schafe in der Gesellschaft?
«Schwarze Schafe» sind Menschen, die unangenehm auffallen, die aus der Reihe tanzen. Sie sind anders, nicht ganz angepasst, wahrscheinlich ein wenig eigen.
Sind wir das nicht alle?
Natürlich ist das Plakat nur für die Ausschaffung der kriminellen Ausländer gestaltet, und doch setzt es ein Zeichen. Wollen wir Menschen, die anders sind, die eine fremde Kultur und Lebensweise haben, ausgrenzen? Oder mit offenen Armen empfangen?
Ausländer sind Menschen aus Ländern, die nicht das eigene sind. Sie sind anders. Auch ich bin anders. Aber anders ist nicht automatisch schlecht. Anders ist einfach anders.
Lea Tuttlies (*2002) aus Amriswil studiert in Erfurt Internationale Beziehungen.
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