Die Thurgauer Nationalrätin Verena hat einen umstrittenen Vergleich zwischen Verdingkindern und Kinderkrippen gemacht.
Was sie sagen wollte ist das eine, wie sie es ausdrückte, das andere. Verena Herzog, SVP-Nationalrätin aus dem Thurgau, vermarktet sich mit den Worten «Direkt und klar» - und macht dem Slogan alle Ehre. Nun hat sie mit einem Sturm der Entrüstung zu kämpfen, wie der «Blick» berichtet.
Es geht um einen Text, der in der Postille ihrer Partei erschienen ist, im «Klartext». Dort wehrt sich Herzog gegen das Ansinnen aus linken Kreisen, die Krippenbetreuung in der Schweiz zu fördern. Die Nationalrätin hält davon nichts und zieht die Erziehung in der Familie der Krippe vor. Auslöser der Kritik ist aber ihre Äusserung, die Bestrebungen erinnerten sie «an das verwerfliche Gedankengut, mit welchem die Verdingkinder zur besseren Erziehung weggegeben wurden.»
Vor allem bei den Opfer der Verdingkinderzeit kommt das ganz schlecht an. Der Vergleich sei unhaltbar, heisst es dort. Denn im Unterschied zu einer Krippe, für die man sich freiwillig entscheidet, waren Verdingkinder das Resultat staatlicher Zwangsmassnahmen - und führten in unzähligen Fällen zu tragischen Schicksalen.
Und auch auf der Seite der Kinderkrippen ist man entsetzt. Denn Verdingkinder waren meist billige Arbeitskräfte, deren Wohl nicht im Zentrum stand, während die familien- und schulergänzende Betreuung ganz auf die Kinder ausgerichtet sei und von Profis ausgeführt werde.
Verena Herzog selbst fühlt sich missverstanden. Sie habe nichts gegen Krippen, wolle aber, dass der Staat die Finger von den Kindern lasse. Und sie verurteilt den «grenzenlosen Egoismus einzelner Frauen», die Kinder- und Karrierewunsch verbinden und dafür «Kinderkrippen missbrauchen».
Sie befürchte, dass früher oder später Eltern gezwungen würden, ihre Kinder in die Früherziehung zu schicken. Diesen «massiven Eingriff in die Erziehungspflicht der Frau» lehne sie ab.
So oder so: Eines der dunkelsten Kapitel der Schweizer Geschichte in eine aktuelle Debatte über die mögliche Förderung eines freiwilligen Angebots einzubringen, war vermutlich keine besonders gute Idee. Wobei die Wortwahl in Herzogs eigenen Parteireihen vermutlich nicht zu einem Aufschrei führen wird.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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