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Neue Unterschriftensammlung

Entschädigungsinitiative: Massnahmen haben ein Preisschild

Pünktlich zur Aufhebung fast aller Covid-Massnahmen in der Schweiz startet ein bemerkenswert breit formiertes Initiativkomitee sein Projekt. Es fordert, bei künftigen Epidemiemassnahmen die Betroffenen auch wirklich voll zu entschädigen.

Artur Terekhov am 03. April 2022

Vergangenen Mittwoch traten sie in Bundesbern vor die Medien, die Vertreter der Entschädigungsinitiative, deren Unterschriftensammlung letzte Woche offiziell gestartet hat. Gefordert wird die Einführung eines neuen Art. 95a in der Bundesverfassung, welcher Entschädigungen für Unternehmen und Selbstständigerwerbende bei behördlichen Epidemiemassnahmen explizit regeln soll, waren es doch – im Gegensatz zu Arbeitnehmenden, die meist von der bereits bestehenden AVIG-Kurzarbeitsentschädigung profitieren konnten – gerade jene Personen, welche in den letzten zwei Jahren auf teils erheblichen Kosten sitzenblieben. Und dies, obschon es der Staat war, der das freie Wirtschaften stark eingeschränkt hat und behördliche Massnahmen offensichtlich nicht ein Betriebsrisiko sind wie schlechte Ernten oder allgemeine Konjunktur.

Künftig soll zwingenden Anspruch auf Entschädigung haben, „wer durch eine zeitlich begrenzte behördliche Massnahme wirtschaftlich massgeblich betroffen ist“, worunter gemäss Übergangsbestimmung explizit auch Selbstständigerwerbende und Personen in arbeitgeberähnlicher Stellung fallen (insb. AG/GmbH-Inhaber, die von der eigenen Firma angestellt sind). Dabei wird der Grundsatz der vollen Entschädigung angepeilt; die Entschädigung soll explizit „die ungedeckten laufenden Kosten und den Erwerbsausfall“ decken und von derjenigen Behörde ausgerichtet werden, welche „für die Anordnung der Massnahme überwiegend verantwortlich ist“. Schliesslich sollen Entschädigungsansprüche nur bestehen, wenn diese zu anderen gesetzlichen oder vertraglichen – insbesondere versicherungsrechtlichen – Ansprüchen subsidiär sind. Damit soll jene Lücke geschlossen werden, welche sich in den letzten zwei Jahren zulasten freier Unternehmer oft gezeigt hat.

Interessant und hoffnungsvoll stimmend ist dabei, wie breit abgestützt das Initiativkomitee ist. Es umfasst Bundespolitiker aus SVP, FDP, Die Mitte, SP und Grüne, also von ganz links bis ganz rechts. Ebenso mit von der Partie sind Branchenvertreter des Schweizerischen Gewerbeverbands sowie aus dem Gastro- und Fitnesscenterbereich. Aus letzterer Branche ist mittlerweile die vom SFGV (Schweizerischer Fitness- und Gesundheitscenterverband), vertreten durch einen Zürcher Anwalt und Titularprofessor, angestrengte Staatshaftungsklage beim Bundesgericht eingegangen, da die bisherigen Entschädigungen zu keiner genügenden Schadensdeckung geführt haben. Eine prozessuale Idee, welche der Autor dieser Zeilen bereits im Dezember 2020 auf „Inside Paradeplatz“ publizistisch zur Debatte gestellt hat. Steter Tropfen wirkt also.

Die breite Abstützung des Initiativkomitees dürfte auch zeigen, dass die Forderung eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte. Bei Lichte betrachtet wäre sie bereits unter dem aktuellen Verfassungsrecht zwingend. Denn der Verfassungsartikel zur Eigentumsgarantie hält klar fest, dass auch bei zulässigen – d.h. verhältnismässigen – staatlichen Eigentumsbeschränkungen volle Entschädigung geschuldet ist (Art. 26 Abs. 2 BV). Die Rechtsprechung macht hier aber eine nicht begründbare Ausnahme bei Eigentumsbeschränkungen, die nur kurzzeitiger Natur und nicht dauerhaft sind – ausser, die temporäre Einschränkung wirke besonders schwer. Dies eröffnet für die betroffenen Unternehmer massive Prozessrisiken aufgrund der dadurch inhärenten Einzelfallwillkür, welche die Rechtssicherheit schwächt und keine Verfassungsgrundlage hat. Was ist nun genau als besonders schwer zu qualifizieren? Dass der Staat sich bisweilen um Entschädigungen für die von ihm angeordneten Freiheits- und Eigentumsbeschränkungen drücken will, zeigt sich übrigens ganz covidunabhängig in schöner Regelmässigkeit. So vertritt der Autor dieser Zeilen aktuell vor Bundesgericht einen Fall, welcher das Zürcher Elektroheizungsverbot per 2030 zum Gegenstand hat. Auch dieses sieht vor, dass HauseigentümerInnen bis dahin ihre (auch noch intakte) Elektroheizung zwingend entfernen müssen, ohne dass hierfür eine Entschädigung vorgesehen wäre.

Zu wünschen ist damit, dass bei diesen Forderungen die Unterschriften möglichst rasch zusammenkommen und die 18-Monate-Frist nicht ausgereizt werden muss. Dies würde ferner ein starkes politisches Signal setzen, dass es Grenzen bei Präventionismus gibt. Auf jeden Fall öffnet es dem Staat die Augen, dass Massnahmen auch für ihn ein Preisschild haben.

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Autor/in
Artur Terekhov

MLaw Artur Terekhov ist selbstständiger Rechtsvertreter in Oberengstringen ZH.

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