Wir haben eine staatlich verordnete Rezession, um Rentner zu schützen, die munter weiter Kaffeerunden abhalten. Und Leidtragende sind KMU, die von ihren Inhabern geführt werden, aber vom Staat keine Unterstützung erwarten dürfen. Ein Gastkommentar von Remo Daguati.
Leider ist der Alltag bei uns familiengeführten KMU in der aktuellen Lage etwas unvorteilhaft. Uns reisst es gerade den Umsatz unter den Füssen weg. Weil reihenweise Leute Bestellungen rückgängig machen, Reisen absagen, Räumlichkeiten doch nicht buchen, für Konzerte keinen Mischer oder Beleuchter brauchen, weil das Event verboten wurde.
Wir wollten eigentlich auf der Bühne stehen, ein Referat halten oder ein Seminar anbieten, aber hey, dank Corona wird nichts daraus. Und ja, wir sind doch solidarisch mit all den Rentnern, die bis heute die freien Züge ohne Werktätige, die im Homeoffice sind, für ihre Tagesausflüge nutzten und in Kafis hockten, um sich der Ansteckungsgefahr auszusetzen.
Wir familiengeführten KMU werden auf den Webseiten von den kantonalen Arbeitsämtern nett darauf hingewiesen, dass wir nur eine Voranmeldung von Kurzarbeit einreichen sollen, wenn Angestellte betroffen sind. Denn das Gesetz schliesst Firmeninhaber, Gesellschafter, Geschäftsleiter und Verwaltungsräte sowie deren mitarbeitende Ehegatten vom Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung aus. Selbiges widerfährt uns auch, falls wir unsere Familienangehörigen auf die Strasse stellen müssten, damit unsere Kleinfirma nicht Konkurs geht, weil der Cash fehlt, um die Löhne in den nächsten zwei bis drei Monaten zu begleichen. Wir sind das neue Kanonenfutter der eben staatlich verordneten Rezession.
Und dann noch all die Kommentare in den Sozialen Medien, wonach Familien-KMU nun nicht jammern sollten, denn sie seien ja Profiteure in guten Zeiten gewesen und hätten Sondervorteile «en masse» genossen. Ja, wir haben natürlich diese Form des Wirtschaftens gewählt, weil wir wie die Bosse der Grosskonzerne und Staatsbetriebe Ende Jahr jeweils den mehrfachen Monatslohn als Bonus einstreichen. Nun, Ihr Knusperköpfe, ich musste als Selbständigerwerbender über 5% meines Umsatzes dafür einsetzen, dass ich mein eigenes Risiko auf Todesfall, Krankheit und Invalidität privat versichern konnte. Eine Police auf Erwerbsausfall ist fast unbezahlbar.
Die Realität ist doch, dass wir höchstens zwei und im besten Falle drei Monate Cash-Reserven vor uns herschieben, um Löhne und Unkosten zu bestreiten. Wenn der Lockdown nun im schlechtesten Fall 12 Wochen anhält, so werden Viele von uns an den Abgrund kommen. Über die Sommerzeit werden unsere Geschäfte zudem nur langsam anfahren.
Was ist nun zu tun? Anscheinend nichts. Die Eidgenössischen Räte haben sich entschieden, ihre Sonder-Session abzusagen und die gesetzlichen Rahmenbedingungen für familiengeführte KMU und Selbständigerwerbende unverändert beizubehalten. «Wir haben keine Geschäfte, die es notwendig machen, dass wir uns treffen», so die Ratspräsidenten. Der Bundesrat habe einen Härtefallfonds geplant. Details sollten bis 1. April 2020 bekannt gegeben werden. Na, dann hoffen wird doch, dass dieser Härtefallfonds etwas bewegt, denn uns wird das Atmen ebenfalls gerade furchtbar erschwert.
Ich hätte da ein paar weitere Ideen, wie man vor allem die Liquidität der familiengeführten KMU in den nächsten Monaten von staatlicher Seite her etwas schont:
1. Wir dürfen die MWSt.-Schuld ab sofort aussetzen, und zwar zinsfrei, bis der Spuk vorbei ist.
2. Wir setzen alle Akonto-Zahlungen und Schlussrechnungen für Unternehmenssteuern und Sozialausgaben zinsfrei aus, bis der Corona-Gau vorbei ist.
3. Ihr erlaubt uns, Mitarbeitende genauso für Kurzarbeit anzumelden oder Bürgschaften (inkl. Bankkredite) zu beantragen, wie dies für den Rest der Wirtschaft möglich ist.
4. Ihr entlastet uns für die nächsten Monate von jeglichen behördlichen Papierli-Pflichten (Betriebszählungen, Lohnerhebungen usw.).
Wir sind gespannt, wie der Härtefallfonds definiert wird, nachdem man uns jegliche wirtschaftlichen Tätigkeiten verboten hat. Ansonsten gehen wir halt einfach auf die Strasse.
Remo Daguati (*1975) betreut als unabhängiger Berater Standortförderungen sowie Arealentwicklungen im In- wie Ausland. Daneben wirkt er als Geschäftsführer des HEV Kanton und Stadt St.Gallen. Er ist zudem Mitglied (FDP) des Stadtparlaments St.Gallen.
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