Auch das gab es: Johannes Paul II trifft auf Kliby und Caroline.
Ausgerechnet in Zeiten, in denen wir uns vermehrt ein Lächeln wünschen, tritt einer von der Bühne ab, der über mehrere Jahrzehnte für Fröhlichkeit gesorgt hat. Im Interview spricht der Thurgauer Bauchredner Urs Kliby über heute verpönte Arten von Humor und seine eigenen Schicksalsschläge.
Urs Kliby, im Zusammenhang mit Ihrem 70. Geburtstag am 24. Dezember und dem offiziel-len Bühnenrücktritt per Ende 2020 waren die Medien voll mit Geschichten und Anekdoten über Ihre Karriere. Wie fühlte sich das an?
Es ist wie ein grossartiges Geschenk. Ich konnte mich wieder an tolle Erfolge, Begegnungen und Erlebnisse der vergangenen 50 Jahre erinnern. Vieles wurde wieder aufgefrischt durch die unzähligen Fragen der Journalisten, Moderatoren und Kollegen. Man konnte die ganze Karriere nochmals Revue passieren lassen.
Gab es einen Aspekt, der bei diesen Würdigungen Ihrer Meinung nach zu kurz kam?
Meiner Meinung nach kam kein Aspekt zu kurz, nein. Es wurden unzählige Geschichten und Anekdoten angesprochen.
Zum Beispiel?
Nun, unter anderem der erste Fernsehauftritt im «Teleboy», die Entstehung der ersten Schallplatte oder natürlich auch viele tolle Begegnungen mit prominenten Personen wie dem Papst, Leonard Bernstein und bekannten Kollegen aus der Showszene.
Sie standen rund 50 Jahre im Rampenlicht. Stellt sich jetzt, da auch die letzten Grusskarten eingetroffen sind, eine gewisse Lehre ein?
Im Moment noch nicht. Ich konnte mir auch die Zeit nehmen, über 200 Grusskarten persönlich zu beantworten – und das übrigens handschriftlich und nicht etwa am Computer. Ich gehöre wohl noch zur alten Schule, die diese Art von Dankesschreiben noch gelernt hat. Man bedankt sich natürlich auch beim Management, das mich 44 Jahre hervorragend betreut hat und bei der Schallplattenfirma, bei der ich 40 Jahre unter Vertrag stand. Angesagt ist derzeit also Büroarbeit – und dazu Buchhaltung sowie die Entrümplung von Keller und Estrich.
Auch das gab es: Johannes Paul II trifft auf Kliby und Caroline.
Sie waren Teil des goldenen Zeitalters des Fernsehens, traten unter anderem auch in «Wetten, dass…?» oder dem «Musikantenstadl» auf. Von aussen betrachtet wirkte das alles immer wie eine heile Welt. Gab es auch Schattenseiten?
Grundsätzlich war es tatsächlich immer eine heile Welt. Man genoss die Arbeit in den Studios, man liebte das Publikum und das Scheinwerferlicht. Und man flirtete mit den Kameras. Ich durfte die Zu-schauer zu Hause an den Bildschirmen unterhalten und bekam dann oft Komplimente nach der Sendung.
Also effektiv keine Schattenseiten?
Doch, schon. Aber wenige. Sätze wie «Der hatte wieder mehr Applaus als ich» von Mitwirkenden einer Sendung zeigten, dass doch auch Neid ein Bestandteil war – leider.
Für viele waren Ihre Bühnenprogramme der erste Zugang zur Comedy. Dies auch deshalb, weil die Mehrheit der Witze auch von Kindern verstanden wird. Hier sind Sie sich all die Jahre treu geblieben. Bestand nie der Wunsch, eine andere Sparte auszuprobieren?
Nein, denn mein Humor mit meiner Caroline ist über Jahrzehnte beim Publikum immer gut ange-kommen. Wie sie es sagen: Es waren viele Sprüche dabei, die sowohl bei den Erwachsenen als auch bei den Kindern punkteten. Es waren Wortspiele, manchmal auch spontane Witze. Und natürlich Frechheiten. Caroline sagte ja gerade auch Sprüche, die auch die Kleinen gerne sagen würden. Entsprechend gab es Pointen, die schon seit Jahren im Programm waren. Und das Publikum verlangte danach, wünschte, dass ich solche «Rosinen» bringe.
Es gibt unzählige Witze und Geschichten von Künstlerinnen und Künstlern, die heute rückblickend als grenzwertig oder sogar unzulässig betitelt werden. Mussten auch Sie sich von bestimmten Programmbestandteilen trennen?
Am Anfang meiner Karriere fehlte mir noch die Erfahrung. Da trat ich wohl ein paar Mal ins Fettnäpfchen.
Erinnern Sie sich noch an eines?
Auf meine Frage an einen Gast, wie lange er schon verheiratet ist, gab dieser «29 Jahre» zur Antwort. Und Caroline fragte natürlich nach, wie lange er denn noch müsse. Das sorgte für Lacher. Was wir nicht wussten und das Tragische war, ist, dass der besagte Herr am nächsten Tag seine Scheidung vollzog. Künftig recherchierte ich zusammen mit den Veranstaltern besser, damit solche Peinlichkeiten nicht nochmals passierten.
Muss Comedy heute allgemein anders aufgebaut sein als noch vor 30 oder 40 Jahren?
Es gibt heute sicherlich einige Bereiche, die damals noch gar kein Thema waren. Es haben sich also meiner Meinung nach vor allem die Themen geändert.
Auch die Art der «Verbreitung» hat sich verändert. Kassetten sind verschwunden, CDs werden kaum noch gekauft. Zu welchem Zeitpunkt realisierten Sie, dass sich hinsichtlich Ihres bisher bewährten Konzeptes eine Trendwende einstellt?
Als ich die ersten Tonträger produzierte, wurde die Szene noch nicht vom Internet und Downloads dominiert. Damals wurden noch Schallplatten, Kassetten und CDs in grossen Mengen gekauft. Meine erste Schallplatte bzw. Kassette ging rund 320'000 mal über den Ladentisch. Heute ist das undenkbar.
Ich durfte mich jedoch bis zum Schluss glücklich schätzen. Wenn ich für eine Autogrammstunde engagiert wurde, wurde stets auch eine ansehnliche Anzahl CDs verkauft. Die Fans freute es, mich persönlich gesehen zu haben und wollten einen Tonträger mit einer Widmung als Erinnerung. Und das war wirklich immer ein tolles Gefühl.
Es war früher noch eine Besonderheit, einen Bauchredner zu sehen. Mitunter auch, weil nur wenige davon den Sprung auf die grosse Bühne schafften. Gab es niemanden, der Ihnen den Rang streitig machen wollte? Konnten Sie stets ein gewisse Alleinstellungsmerkmal geniessen?
Ich war 1977 in der glücklichen Lage, zur richtigen Zeit, bei den richtigen Leuten, mit den richtigen Nummern in der richtigen Sendung – eben «Teleboy» – auftreten zu können. Anschliessend hatte ich die Möglichkeit, mein Programm in verschiedenen Shows im In- und Ausland zu zeigen. Die Zuschauer mochten mich und meine Caroline. Entsprechend durften wir überall grosse Erfolge feiern.
Natürlich kamen dann stetig neue Bauchredner auf den «Markt». Aber sie hatten schon bald kaum mehr die nötigen Plattformen in den Medien und auf den Bühnen, auf denen sie sich präsentieren konnten. Das lag vor allem auch daran, dass viele Samstagsabend-Sendungen wie «Supertreffer» «Doppelter Engel» «Ischtige bitte» aus dem Programm gestrichen wurden.
Heute ist es eher wieder möglich, sich als Bauchredner einen Namen zu machen. Gibt es Künstlerinnen und Künstler, die sie mit grossem Interesse verfolgen?
Ich bin ein grosser Fan des deutschen Bauchredners Sascha Grammel mit seiner Schildkröte «Josy». Für ihn war ich laut seinen eigenen Aussagen ein grosses Vorbild. Wir sind inzwischen gut befreundet und pflegen einen regelmässigen Austausch. Aber auch in der Ostschweiz gibt es einige Kollegen, die sich wirklich mag, unter anderem sind das Roli Berner, Marco Knittel und auch Yves Keller.
Bauchredner unter sich. Sascha Grammel mit Kliby.
Worüber oder über wen kann Urs Kliby selber herzhaft lachen?
Über Situationskomik. Und die «versteckte Kamera». Auch beim Duo Fischbach habe ich schon oft Tränen gelacht. Leider habe ich von diesem Comedy-Ehepaar schon lange nichts mehr gesehen…
Man kennt Sie logischerweise vor allem als Frohnatur. Lange Zeit wusste kaum jemand, dass Sie auch mit Krebs zu kämpfen hatten oder am offenen Herzen operiert werden mussten. Ebenso erlitten Sie zwei Schlaganfälle. Wie gingen Sie einen Bühnenauftritt an, wenn es Ihnen selber nicht wirklich gut ging, es Ihnen nicht nach Fröhlichkeit war?
Das waren einige Rückschlage, die ich aber bestens überstanden habe. Wenn es mir einmal nicht so gut ging, machte ich eine Pause, erholte mich und stand dann schon bald wieder gesund auf der Bühne. Wenn man dort steht, ist es wie in Trance. Man vergisst alles Negative um sich herum und konzentriert sich nur noch aufs Publikum – und geniesst die Lacher und den Applaus.
Wünscht man sich in solchen Situationen nie, keine Person der Öffentlichkeit zu sein?
Nein. Damit hatte ich nie Probleme. Ich habe alle Schicksalsschläge immer verdrängt und privat gehalten. Erst vor rund viereinhalb Jahren wurde bekannt, was ich alles so mitgemacht habe. Ich selber wollte das nie an die grosse Glocke hängen. Nur durch Zufall kam dies an die Öffentlichkeit, weil während meiner Herzproblemen einmal eine Journalistin vor Ort war.
Meine Kinder sind nun in einem Alter, in dem ich ihnen zum ersten Mal «Kliby und Caroline» vorstellen kann. Was schlagen Sie vor, mit welchem Clip oder mit welcher CD sollte ich starten?
Da empfehle ich meine CD inkl. DVD mit dem Titel «Die grossen Lachhits». Das ist ein guter Start, bei dem man Zuhören und Zusehen kann.
Ihre Stücke werden also sicherlich weiterhin das eine oder andere Kinderzimmer beleben. Sie selber kehren der Bühne den Rücken zu. Wird sich Urs Kliby komplett zurückziehen oder wird man Sie auch künftig in der einen oder anderen TV-Sendung erblicken?
Ich darf 2021 noch vier bis fünf Galas bestreiten. Das sind Events, die wegen Corona leider auf dieses Jahr verschoben wurden. Darauf freue ich mich sehr – auch, weil es tolle Veranstalter sind, die mich in den vergangenen Jahren oft gebucht haben. Das ist dann also wie eine kleine Abschiedstournee und gleichzeitig ein Dank für die schöne Zusammenarbeit. Und wer weiss, vielleicht gibt es irgendwann einmal eine TV-Sendung «Weisch no?». Dann wäre ich natürlich auch gerne dabei.
Der Bauchredner Urs Kliebenschaedel, alias Kliby, steht mit der Eselpuppe Caroline am 5. September 1979 auf der Bühne im Theater am Hechtplatz in Zürich. (Bild: KEYSTONE/PHOTOPRESS-ARCHIV/Walter Keller)
Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
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