Liechtensteiner Treuhänder sorgen immer wieder für Skandale. Nun soll ein neues Gesetz diesen Sumpf austrocknen. Zumindest so tun, als ob.
Das hochwohllöbliche Ministerium für «Präsidiales und Finanzen» hat geruht, sich zur geplanten Abänderung des Treuhändergesetzes vernehmen zu lassen. Denn selbst die Treuhandkammer (THK) und die Liechtensteiner Finanzmarktaufsicht (FMA) sind der Auffassung, dass es da «Handlungsbedarf» gebe. «Transparenz, Missbrauchsbekämpfung, Kundenschutz», das gelte es in ein «modernes, international anerkanntes Rechtssystem» zu überführen.
Das wird der Fürst aber bedauern, dass er die Folterkammer in seiner Trutzburg ausser Betrieb nehmen muss, das geht in einem modernen Rechtssystem natürlich nicht mehr. Aber im Ernst: Die lediglich rund 150 lizenzierten Treuhänder des Ländle machen immer wieder Schlagzeilen. Zum Beispiel mit Dekantieren.
Darunter versteht man in Liechtenstein nicht nur das Belüften des Weines. Sondern das Umgiessen des finanziellen Inhalts einer Stiftung in ein anderes Gefäss. Dabei bleibt dann der eigentliche Besitzer oder die Beneficial Owner sozusagen als Bodensatz zurück und verlieren jeden Zugriff auf ihr Vermögen. Beliebt ist dieses Geschäftsmodell auch gegenüber den Nutzniessern einer solchen Konstruktion. Ist der Stifter verstorben, werden seine Erben mit der Mitteilung überrascht, dass sich leider kein roter Rappen mehr in seiner Stiftung befände. Wo das Vermögen abgeblieben sei? Nun, leider verhindere das Anwaltsgeheimnis eine Auskunft. Aber kostenlos sei der Tipp, von Prozessen abzusehen.
Wem das nicht passt, der könnte doch den Rechtsweg beschreiten. Allerdings: In Liechtenstein ist es gelinde gesagt sehr, sehr schwierig, überhaupt eine Anerkennung als Partei, eine Klageberechtigung zu erlangen. Erst letztes Jahr fing sich die berühmteste Treuhandkanzlei zum ersten Mal eine Klatsche des Fürstlichen Obersten Gerichtshof ein. Eine von ihr vorgenommene Dekantierung wurde für ungültig erklärt.
Hintergrund ist, dass die Geldmaschine Schwarzgeldbunkern zum Stillstand gekommen ist. Nach der Finanzkrise eins vor zehn Jahren und im Rahmen der verschärften Verfolgung von Steuerflüchtigen schrumpfte die Anzahl Stiftungen im Ländle um zwei Drittel, von über 50'000 im Jahre 2008 auf knapp 16'000 Ende 2016. Die Errichtung, Eintragung und Verwaltung einer solchen Stiftung war sprudelndes und leicht verdientes Geld. Aber inzwischen ist der geschrumpfte Markt hart umkämpft.
Immer wieder greifen Treuhänder auch zu illegalen Mitteln, um ihren gewohnten Lebensstil beibehalten zu können. So erschütterte vor zwei Jahren der Fall des «fürstlichen Justizrats» und Chefs der Prüfungskommission der Treuhandkammer Liechtenstein das Fürstentum. Harry G.* wurde wegen «gewerbsmässig schweren Betrugs und Geldwäsche» zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Er hatte über 10 Millionen veruntreut. Auch der Szenestar Mario Staggl schmeisst keine rauschenden Partys mehr, sondern sitzt in Untersuchungshaft. Ihm wird die Veruntreuung von 25 Millionen vorgeworfen.
Der Ex-Präsident der Bankenaufsicht, der ehemalige Vize-Direktor der Bank Alpinum: immer wieder musste offiziell die Leier von «bedauerlichen Einzelfällen» angestimmt werden, wurde eine Verbesserung der Kontrolle der Treuhänderzunft als möglich, aber nicht dringlich auf die lange Bank geschoben. Jetzt wird aber gehandelt; so schreibt die fürstliche Regierung in ihrer Vernehmlassung: «In den letzten Jahren hat es einige Anlassfälle gegeben, die das Ansehen der Treuhandbranche beschädigt haben.» Das wird nicht mehr geduldet: «Solchen Missbräuchen und Fehlentwicklungen muss rechtzeitig und wirksam begegnet werden können.»
Müssen schon, aber kann man auch? Ein näherer Blick auf den Gesetzesentwurf zur Abänderung des Treuhändergesetzes (TrHG) ergibt, dass es sich um reine Kosmetik handelt. Treuhänder müssen neu einen jährlichen Geschäftsbericht erstellen, bei der FMA einreichen und von einem Wirtschaftsprüfer testieren lassen. Dazu wird die Einführung eines «internen Kontrollsystems» und eines «wirksamen Risikomanagements» gefordert. Was das genau sein soll, darüber schweigt sich die fürstliche Regierung aus. Tief blicken lässt auch die geplante Vorschrift, dass neu eine ordentliche Buchhaltung zu führen sei.
Auch der neu angeblich «wirksame Kundenschutz» ist mehr eine Fata Morgana als Realität. Denn Ermessensbegünstigte von Liechtensteiner Trusts, bzw. Stiftungen, werden weiterhin keine Parteistellung in Aufsichtsverfahren, keine gerichtlich durchsetzbare Informationsrechte, keine Parteistellung in Strafverfahren gegen Treuhänder haben. Weniger Kontrolle ist eigentlich nicht vorstellbar. Weniger Rechte auch nicht.
Erschwerend kommt hinzu, dass die meisten Opfer von kriminellen Treuhändern in Liechtenstein in den vergangenen Jahren finanziell leer ausgingen. Die Übeltäter, wenn sie erwischt wurden, wanderten zwar ins Gefängnis, meldeten dabei aber Konkurs an. Und wenn Haftpflichtversicherungen überhaupt existieren, so reicht die gesetzliche Mindestversicherung von einer Million in den meisten Fällen bei Weitem nicht aus.
Erst wenn hier der Staat eingreift oder ein Fonds geäufnet würde, könnte man von einem wirksamen Kundenschutz sprechen. Solange Opfer und ihre Anwälte keine Parteistellung im Strafverfahren haben, bleibt diese ganze Übung ein Papiertiger, «Window Dressing», wie man im Banking sagt. Die Fassade wird aufgehübscht und überstrichen, aber dahinter existiert der gleiche Sumpf wie zuvor. Es werden weiterhin Stiftungen leergeräumt werden, es werden weiterhin Opfer kaltlächelnd auf den meist aussichtslosen Rechtsweg verwiesen werden.
Die Kanzlei Marxer, die sich diese gerichtliche Klatsche einfing, trug den Übernamen «heimliches Justizministerium», sagen Insider. Weil von ihr die Gesetzgebung im Ländle wesentlich beeinflusst wurde. Denn bei knapp 38'000 Einwohnern sind die Amtswege kurz, die Verflechtungen dichter als Filz. So wird die Treuhandzunft auch weiterhin für Skandale sorgen, Privatbanken wie «Alpinum» weiterhin für Schlagzeilen wegen der Kontoführung für zwielichtige Gestalten. Und das Fürstenhaus wird weiterhin von bedauerlichen Einzelfällen sprechen, vom unermüdlichen Kampf um einen sauberen Finanzplatz. Gut, dass die Mauern der fürstlichen Burg mittelalterlich dick sind. So hört man das anschliessende Gelächter nicht.
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