Am 19. und 20. Mai ist der Europameister der Magie Rafael Scholten mit seiner neuen Show in St.Gallen zu Gast. Wie er mit Niederlagen umgeht – und was seine Eltern gesagt haben, dass ihr Sohn auf die Bühne will, erzählt er im Interview.
Sie haben einmal gesagt, dass David Copperfield Ihr grosses Idol sei. Sie sind jedoch selber Magier – ist es da nicht langweilig, weil Sie hinter seine Tricks blicken können?
Er ist in der Tat einer der Magier, zu denen ich aufblicke. Als Profi schaut man über diese Tricks hinaus auf die Präsentation und was dahintersteckt. Natürlich gibt es Kunststücke, die in Büchern beschrieben sind. Aber wirklich besonders ist es, wenn man selbst neue Techniken und Effekte kreiert. Das mache ich selbst auch. David Copperfield hat das auch auf seine extreme Art und Weise getan, vermischt mit einer tollen Präsentation. Abgesehen davon ist auch seine Karriere besonders. Er ist der kommerziell erfolgreichste Magier aller Zeiten. Das ist natürlich etwas, wovon man sich als Unternehmer in dieser Branche durchaus inspirieren lassen kann. Er ist nie langweilig.
Sie sind mit Ihrer neuen Show in St.Gallen zu Gast. Dabei beleuchten Sie unter anderem die Frage, warum wir an Magie glauben sollen. Weshalb sollten wir das tun?
Vielleicht denkt man nicht bewusst darüber nach. Aber jeder will in der Magie wähnen. Denken Sie an Spiritualismus, an ausserirdisches Leben. Die einen sind skeptisch, die anderen voller Überzeugung. Wir wollen glauben, dass es mehr gibt als nur unsere Existenz, und das gibt uns Hoffnung. Magie ist nicht nur ein Trick oder ein Beruf, sondern eine Emotion, ein Gefühl, das die meisten Menschen nicht sehr oft erleben.... Wenn Sie das erleben und mehr darüber erfahren wollen, kommen Sie zu der Vorstellung.
Welches ist das wichtigste Hauptmerkmal, welches ein Zauberer mitbringen muss? Oder was unterscheidet einen guten Künstler von einem weniger Guten?
Um dies als Beruf auszuüben, würde ich sagen: Das Wichtigste sind unendliche Leidenschaft und Durchsetzungsvermögen! Um ein Künstler zu sein, ist Talent allein nicht genug. Es kommt darauf an, was man mit diesem Talent macht und wie viel Zeit und Energie man investiert, um den Rohdiamanten zu polieren.
Sie sind vollberuflich als Künstler unterwegs. Wie begeistert waren Ihre Eltern, dass Sie keinen «anständigen» Beruf gelernt haben?
Ich habe immer gewusst, dass Magie das ist, was ich will. Als ich jung war, kannte ich viele hauptberufliche Künstler, die ein gutes Leben führen, und so folgte ich ohne Zweifel meiner Leidenschaft. Und ich bin immer noch sehr zufrieden mit dieser Entscheidung. Ich kann jeden Tag mit Magie beschäftigt sein. Meine Eltern haben mich auf jede erdenkliche Weise unterstützt, motiviert und geholfen. Vielleicht haben sie daran gezweifelt, aber ich habe das nie mitbekommen. Ich bin schon während meiner Schulzeit auf der Bühne gestanden, also war es ein natürlicher Übergang zum Vollzeitberuf.
Sie hatten bereits viele Auftritte in aller Welt. Welches würden Sie persönlich als Ihr Highlight bezeichnen?
Seit meiner Kindheit verfolgte ich jeden Monat auf dem französischen Fernsehsender TV5MONDE eine Sendung, die im Lido in Paris aufgezeichnet wurde: die Sendung Le Plus Grand Cabaret du Monde. Eine Show mit internationalen Spitzenkünstlern und vielen berühmten Magiern. 2017 wurde ich für die 20. und letzte Staffel dieser grossen TV-Show gebucht. Die Aufnahmen dauerten drei Tage in Paris und waren ein Traum, der in Erfüllung ging. Ich bekomme immer noch eine Gänsehaut, wenn ich daran zurückdenke. Es war wirklich magisch. Ein zweiter Vertrag, den ich nie vergessen werde, ist das zweiwöchige Festival International du Cirque de Monte-Carlo. Hier bin ich für die königliche Familie von Monaco aufgetreten. Und mehrere Shows in einem riesigen Zelt mit 4.000 Plätzen.
Woher holen Sie sich Inspiration für Ihre Tricks?
Aus Filmen, Kunst, Theater und Musik, Bücher. Aber auch von Situationen oder Gegenständen des täglichen Lebens. Ich bin immer auf der Suche nach neuen Ideen. Die Inspiration kommt aus ganz unterschiedlichen Perspektiven. Manchmal beginnt es mit dem Trick selbst, zu dem ich eine Präsentation suche. Aber oft fängt es mit einem Thema oder einer Idee oder einem Text an, zu dem ich dann eine passende Nummer suche. Ich finde auch Inspiration in alten Zauberbüchern. Oder Filme mit Gene Kelly und Fred Astair. Dank ihnen habe ich eine Nummer entwickelt, in der ich Stepptanz und Magie kombiniere. Dies führe ich jetzt auch in meiner Theatershow auf.
Gibt oder gab es auch schon einmal Vorführungen, die weniger gut beim Publikum angekommen sind?
YES!!! Es ist ein Prozess von Versuch und Irrtum. Es ist natürlich auch ein Entwicklungsprozess. Klar, es ist auch schon mal was schief gelaufen... Und das ist bei neuen Nummern immer noch so. Aber man lernt schnell, damit umzugehen, es zu absorbieren und so aussehen zu lassen, als wäre nichts passiert.... Glücklicherweise ist bis jetzt noch nichts wirklich VOLLSTÄNDIG schief gegangen.
Sie wohnen in St.Gallen, kommen ursprünglich aus den Niederlanden. Wo fühlen Sie sich Zuhause?
Meine Freundin kommt aus St. Gallen. Wo sie ist, fühle ich mich zu Hause! Ich finde St. Gallen eine unglaublich schöne und nette Stadt und würde nicht so schnell wieder wegziehen!
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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