logo

DG: DG: KMU-Insider

Fragwürdiger Service public

Kleinere und mittlere Unternehmen brauchen keine Almosen. Sie sind aber auf einen fairen Wettbewerb angewiesen.

Kurt Weigelt am 23. September 2022

Dies gelesen: «Die Post will Schweizer KMU noch stärker dabei unterstützen, administrative Aufgaben zu digitalisieren und zu vereinfachen. (…) Die Kernangebote sind und bleiben kostenlos.» (Quelle: www.post.ch)

Das gedacht: Die Post verkauft sich neu als Schutzpatronin der kleineren und mittleren Unternehmen. Angeführt vom ehemaligen SP-Präsidenten und Klassenkämpfer Christian Levrat. Verschenkt wird eine Buchhaltungssoftware, inklusive Lohnbuchhaltung, Auftrags- und Kundenverwaltung. Frontal angegriffen werden damit alle privaten Unternehmen, die ihr Geld mit Unternehmenssoftware verdienen.

Vergleichbar die BKW Energie AG, die mehrheitlich dem Kanton Bern gehört und mit dem Monopol der Stromversorgung im Kanton Bern Millionen verdient. Investiert wird die Monopolrente in den Kauf von privaten Unternehmen in den Bereichen Gebäudetechnik, Netzinfrastruktur und Engineering. Heute gehören weit über 200 Firmen in das Reich des Staatskonzerns. Sie alle treten gegen privat gehaltene Mitbewerber an, die zumindest in der Region Bern als Zwangskunden der BKW ihre eigene Konkurrenz finanzieren müssen. Zynischer geht es nicht.

Staatsunternehmen mischen private Branchen auf. Kantonalbanken dominieren regionale Finanzmärkte. Staatliche Gebäudeversicherungsanstalten weiten ihre Geschäftsfelder aus. Zwangsfinanzierte Radio- und Fernsehanstalten treten in Konkurrenz zu privaten Medienhäusern. Die SBB mutiert zum führenden Immobilieninvestor. Der Flughafen Kloten ist nicht nur Verkehrsinfrastruktur, sondern seit Eröffnung von «The Circle» auch das grösste Einkaufszentrum der Schweiz. Flughäfen und Bahnhöfe funktionieren als Staat im Staat, mit eigenen Vorschriften, eigenen Ladenöffnungszeiten.

Und dies alles im Namen des Service public. Offiziell ist dieser dafür verantwortlich, dass Infrastrukturgüter und Infrastrukturdienstleistungen allen Bevölkerungsschichten und Regionen des Landes nach gleichen Grundsätzen in guter Qualität und zu angemessenen Preisen zur Verfügung stehen. Privaten Unternehmen traut man dies nicht zu.

Allerdings, das Kerngeschäft vieler Monopolbetriebe verliert durch den technologischen Fortschritt an Bedeutung. In den vergangenen zehn Jahren ist das Briefvolumen in der Schweiz um rund einen Drittel eingebrochen. Dank dem Internet braucht es zur elektronischen Verbreitung von Medieninhalten keine staatlichen Sendeanstalten mehr. Die Finanzindustrie, der Einzelhandel, die Gebäudetechnik funktionieren bestens, auch ohne Staatsunternehmen.

Digitalisierung und Globalisierung haben alle Branchen grundlegend verändert. Für die Politik ist dies jedoch kein Grund, die Unternehmen des Service public den neuen Begebenheiten entsprechend zu verkleinern. Stattdessen investiert man in fragwürdiger Art und Weise in neue Geschäftsfelder, ausserhalb des Monopolbereichs und in direkter Konkurrenz zu privaten Anbietern. Dies zur Sicherung der eigenen Interessen und, wie die Wahl von Levrat zum VR-Präsidenten der Post dokumentiert, zu Gunsten der eigenen politischen Klientel.

Konkurrenz belebt das Geschäft. Wie der Gewerbeverband des Kantons Bern in seiner Kampagne «Fair ist anders» treffend festhält, bleiben die Regeln der Fairness jedoch aussen vor, wenn der Staat zum Konkurrenten wird. Dies ganz einfach deshalb, weil überall, wo Staat draufsteht, Steuern drin sind.

Kleinere und mittlere Unternehmen brauchen keine Post, die ihnen die betriebsnotwendige Software schenkt. Almosen sind kein taugliches Geschäftsmodell. Sie sind aber auf einen fairen Wettbewerb angewiesen. Dazu gehört, dass alle Markteilnehmer mit vergleichbaren Voraussetzungen antreten, dass man in der Wahl seiner Lieferanten frei ist und Preise durch den Wettbewerb und nicht durch Monopolisten bestimmt werden. Und dazu gehört, dass Unternehmen, deren Produkte und Dienstleistungen nicht mehr gefragt sind, vom Markt verschwinden. Auch im Bereich des Service public. Alles hat ein Ende.

Einige Highlights

Uzwilerin mit begrenzter Lebenserwartung

Das Schicksal von Beatrice Weiss: «Ohne Selbstschutz kann die Menschheit richtig grässlich sein»

am 11. Mär 2024
Im Gespräch mit Martina Hingis

«…und das als Frau. Und man verdient auch noch Geld damit»

am 19. Jun 2022
Das grosse Gespräch

Bauernpräsident Ritter: «Es gibt sicher auch schöne Journalisten»

am 15. Jun 2024
Eine Analyse zur aktuellen Lage

Die Schweiz am Abgrund? Wie steigende Fixkosten das Haushaltbudget durcheinanderwirbeln

am 04. Apr 2024
DG: DG: Politik

«Die» Wirtschaft gibt es nicht

am 03. Sep 2024
Gastkommentar

Kein Asyl- und Bleiberecht für Kriminelle: Null-Toleranz-Strategie zur Sicherheit der Schweiz

am 18. Jul 2024
Gastkommentar

Falsche Berechnungen zu den AHV-Finanzen: Soll die Abstimmung zum Frauenrentenalter wiederholt werden?

am 15. Aug 2024
Gastkommentar

Grenze schützen – illegale Migration verhindern

am 17. Jul 2024
Sensibilisierung ja, aber…

Nach Entführungsversuchen in der Ostschweiz: Wie Facebook und Eltern die Polizeiarbeit erschweren können

am 05. Jul 2024
Pitbull vs. Malteser

Nach dem tödlichen Übergriff auf einen Pitbull in St.Gallen: Welche Folgen hat die Selbstjustiz?

am 26. Jun 2024
Politik mit Tarnkappe

Sie wollen die angebliche Unterwanderung der Gesellschaft in der Ostschweiz verhindern

am 24. Jun 2024
Paralympische Spiele in Paris Ende August

Para-Rollstuhlfahrerin Catherine Debrunner sagt: «Für ein reiches Land hinkt die Schweiz in vielen Bereichen noch weit hinterher»

am 24. Jun 2024
Politik extrem

Paradox: Mit Gewaltrhetorik für eine humanere Gesellschaft

am 10. Jun 2024
Das grosse Bundesratsinterview zur Schuldenbremse

«Rechtswidrig und teuer»: Bundesrätin Karin Keller-Sutter warnt Parlament vor Verfassungsbruch

am 27. Mai 2024
Eindrucksvolle Ausbildung

Der Gossauer Nicola Damann würde als Gardist für den Papst sein Leben riskieren: «Unser Heiliger Vater schätzt unsere Arbeit sehr»

am 24. Mai 2024
Zahlen am Beispiel Thurgau

Asylchaos im Durchschnittskanton

am 29. Apr 2024
Interview mit dem St.Galler SP-Regierungsrat

Fredy Fässler: «Ja, ich trage einige Geheimnisse mit mir herum»

am 01. Mai 2024
Nach frühem Rücktritt: Wird man zur «lame duck»?

Exklusivinterview mit Regierungsrat Kölliker: «Der Krebs hat mir aufgezeigt, dass die Situation nicht gesund ist»

am 29. Feb 2024
Die Säntis-Vermarktung

Jakob Gülünay: Weshalb die Ostschweiz mehr zusammenarbeiten sollte und ob dereinst Massen von Chinesen auf dem Säntis sind

am 20. Apr 2024
Neues Buch «Nichts gegen eine Million»

Die Ostschweizerin ist einem perfiden Online-Betrug zum Opfer gefallen – und verlor dabei fast eine Million Franken

am 08. Apr 2024
Gastkommentar

Weltweite Zunahme der Christenverfolgung

am 29. Mär 2024
Aktionswoche bis 17. März

Michel Sutter war abhängig und kriminell: «Ich wollte ein netter Einbrecher sein und klaute nie aus Privathäusern»

am 12. Mär 2024
Teuerung und Armut

Familienvater in Geldnot: «Wir können einige Tage fasten, doch die Angst vor offenen Rechnungen ist am schlimmsten»

am 24. Feb 2024
Naomi Eigenmann

Sexueller Missbrauch: Wie diese Rheintalerin ihr Erlebtes verarbeitet und anderen Opfern helfen will

am 02. Dez 2023
Best of 2023 | Meine Person des Jahres

Die heilige Franziska?

am 26. Dez 2023
Treffen mit Publizist Konrad Hummler

«Das Verschwinden des ‘Nebelspalters’ wäre für einige Journalisten das Schönste, was passieren könnte»

am 14. Sep 2023
Neurofeedback-Therapeutin Anja Hussong

«Eine Hirnhälfte in den Händen zu halten, ist ein sehr besonderes Gefühl»

am 03. Nov 2023
Die 20-jährige Alina Granwehr

Die Spitze im Visier - Wird diese Tennisspielerin dereinst so erfolgreich wie Martina Hingis?

am 05. Okt 2023
Podcast mit Stephanie Stadelmann

«Es ging lange, bis ich das Lachen wieder gefunden habe»

am 22. Dez 2022
Playboy-Model Salomé Lüthy

«Mein Freund steht zu 100% hinter mir»

am 09. Nov 2022
Neue Formen des Zusammenlebens

Architektin Regula Geisser: «Der Mensch wäre eigentlich für Mehrfamilienhäuser geschaffen»

am 01. Jan 2024
Podcast mit Marco Schwinger

Der Kampf zurück ins Leben

am 14. Nov 2022
Hanspeter Krüsi im Podcast

«In meinem Beruf gibt es leider nicht viele freudige Ereignisse»

am 12. Okt 2022
Stölzle /  Brányik
Autor/in
Kurt Weigelt

Kurt Weigelt, geboren 1955 in St. Gallen, studierte Rechtswissenschaften an der Universität Bern. Seine Dissertation verfasste er zu den Möglichkeiten einer staatlichen Parteienfinanzierung. Einzelhandels-Unternehmer und von 2007 bis 2018 Direktor der IHK St.Gallen-Appenzell. Für Kurt Weigelt ist die Forderung nach Entstaatlichung die Antwort auf die politischen Herausforderungen der digitalen Gesellschaft.

Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.