Die Redewendung «Nichts ist so beständig wie der Wandel» ist allseits bekannt und bringt zum Ausdruck, dass wir schon immer mit Veränderungen konfrontiert waren.
Und trotzdem spüren wir heute den Wandel auf eine Art und Weise, wie ihn zuvor in der Menschheitsgeschichte wohl noch nie eine Generation erfahren hat. Denn die Dynamik, mit der sich Strukturen in unserer Gesellschaft verändern, sich individuelle Verhaltensmuster ganzer Bevölkerungsgruppen wandeln und traditionelle Werte an Akzeptanz verlieren, ist atemberaubend.
Einer der wichtigsten Impulse für den weltweiten gesellschaftlichen Wandel setzt sicherlich die Mobilität. Mit dem Aufkommen der Eisenbahn im 19. Jahrhundert, dem Auto im jungen 20. Jahrhundert und schliesslich dem Verkehrsflugzeug vor gut 50 Jahren wurden nicht nur Distanzen eliminiert. Die durch die Massenmobilität geschaffenen neuen Möglichkeiten führten zu neuen Besiedlungsformen und dadurch zu Pendlerströmen, zu neuen Geschäftsmodellen mit globalen Perspektiven und letztlich zu mehr Bewegungsfreiheit für immer mehr Menschen.
Mobilität bewegt auch soziale Strukturen
Diese neuen Chancen wurden von den Menschen weltweit offensiv aufgenommen, was Verkehrsstaus rund um den Globus auf eindrückliche Art und Weise dokumentieren. Doch nicht nur der Individualverkehr ist explodiert, auch der Luftverkehr zeigt mit immer neuen Passagierrekorden, dass viele Menschen heute weltweit unterwegs sind. Eine Entwicklung, die vordergründig zu riesigen Infrastruktur-Investitionen und noch ungelösten ökologischen Problemen führt, letztlich aber auch den Austausch fördert, Freiheiten schafft, Vernetzung ermöglicht und damit neue Chancen bietet.
Das damit verbundene Aufbrechen regionaler Identitäten, die Konfrontation mit Fremdem und völlig neue Lebensperspektiven stellen immer mehr Traditionen und gewachsene Werte in Frage. Wir stehen beruflich wie auch privat Multioptionen gegenüber und müssen uns ständig neu entscheiden. Damit sind auch Ängste verbunden, falsche Wege einzuschlagen und vielleicht nicht die allerbeste Variante zu wählen. Die Individualisierung und die Auswahlvielfalt sind somit Fluch und Segen zugleich. Gleichzeitig ist die Vielfalt die wichtigste Ressource der Wissensgesellschaft.
Mobilität wird damit auch zum Treiber des sozialen Wandels, der ganze Kulturen herausfordert, Gesellschafts- und Familienstrukturen neu ordnet und letztlich in den Auseinandersetzungen um Generationen- und Geschlechter-Gerechtigkeit mündet.
Digitale Revolution als Chance
In diesen durch die Mobilität dynamisierten Wandel greift die aufkommende digitale Kommunikation wie ein Booster ein. Die Dynamik der Globalisierung, der Zusammenbruch traditioneller Strukturen und die Chancen und Möglichkeiten für das Individuum haben sich nochmals dramatisch beschleunigt. Doch bei kritischem und unvoreingenommenem Hinschauen wird klar, dass die digitale Revolution auch als Dämpfer einer überbordenden Mobilität wirken kann. Nicht nur, weil die grenzen- und zeitlose Kommunikation in vielfacher Hinsicht die physische Beförderung von Menschen überflüssig macht. Sondern auch, weil allzeit verfügbare Kommunikation dem Einzelnen ortsunabhängiges Arbeiten ermöglicht, was wiederum moderne Familienmodelle und einen individuell gestalteten Alltag ermöglicht.
Mobilität wird damit nicht mehr auf die geografische Verschiebung von einem Ort zum an-dern beschränkt, sondern Mobilität weitet sich auf Lebensmodelle, Netzwerke und Erwerbstätigkeiten aus. Dass daraus auch Veränderungen im sozialen Zusammenleben betroffen sind, erleben wir alle täglich.
Liberale Werte als Leitplanken
In diesem allgegenwärtigen Wandel fühlen sich viele orientierungslos und suchen nach Fixpunkten. Die drei zentralen liberale Werte, «individuelle Freiheit der Person», «Rechtsstaatlichkeit» und das «Recht auf Eigentum» sind solche Fixpunkte, die in einer sich weiter öffnenden Gesellschaft zentral sind und Orientierung geben können. Gleichzeitig werden damit von den Bürgerinnen und Bürger wie auch vom Staat Selbstverantwortung, Transparenz und Verlässlichkeit gefordert.
Individuelle Freiheit: Die Mobilität und vor allem die digitale Kommunikation bieten dem Einzelnen einmalige Chancen für eine individuelle Lebensgestaltung. Dazu ist aber Voraussetzung, dass die individuelle Freiheit des Einzelnen auch umfassend geschützt und respektiert ist. Freiheit bedeutet Verantwortung zu übernehmen, für sich selbst und in Rücksicht auf andere. Durch den digitalen Austausch gewinnt unternehmerisches Handeln und gleichgesinntes Zusammenkommen in kleinen Strukturen wieder an Bedeutung.
Rechtsstaatlichkeit: Die Grundvoraussetzung zur Sicherung der Chancen des aktuellen Wandels für möglichst viele Menschen ist ein glaubwürdiger und berechenbarer Rechtsstaat. Die Rechtsstaatlichkeit wird damit zum Fundament für alle positiven Impulse des gesellschaftlichen und sozialen Wandels. Aufgrund von Datenvielfalt und vielfältiger Vernetzung sind transparente Prozesse notwendig, denn diese schaffen Sicherheit und vor allem Vertrauen.
Recht auf Eigentum: Schliesslich kommt auch dem Recht auf Eigentum neue Bedeutung zu. Denn einerseits besteht Eigentum in Zukunft nicht nur aus greif- und sichtbaren Objekten, sondern es werden immer mehr Güter geschaffen, die nur noch virtuell bestehen oder als geistiges Eigentum bezeichnet werden. Andererseits schafft das Recht auf Eigentum auch positive Anreize, neue Technologien und Instrumente weiter zu entwickeln und kreativ in den Wandel einzubringen. Sinnvolle Leitplanken statt fixer Grenzen und verlässliche Rahmenbedingungen statt einschränkender Regulierungen sind deshalb wichtig.
Damit werden die liberalen Werte zu eigentlichen Wegweisern im gesellschaftlichen Wandel und eine Chance für mehr Selbstbestimmung jedes Einzelnen.
Bill Gates, Mitbegründer von Microsoft, wusste bereits vor Jahren: «Wir überschätzen, was sich in zwei Jahren verändert und unterschätzen, was sich in zehn Jahren bewegt.»
Karin Weigelt (*1984) ist eine ehemalige Schweizer Handballnationalspielerin. Sie ist Unternehmerin und kandidiert 2019 als FDP-Politikerin für den Nationalrat. Karin Weigelt wohnt in Sargans.
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