Mutig, inbrünstig, lebendig und voller Kampfgeist kommt sie daher, die Neuinterpretation des Literatur Klassikers Peter Pan von Theatermacher und Regisseur Florian Rexer. – Eine Besprechung von Anna Vonhof, St. Gallen/ Berlin.
Bilder: Christian Schroff
Am 16. Dezember feierten «P.Pan» und das 30-köpfige Ensemble unter der Regie von Florian Rexer Premiere im voll besetzen Kulturforum in Amriswil. Das Wort Spektakel passt genau zu diesem Theatererlebnis.
Bereits 2019 wagte sich Rexer nach seiner Ostschweizer Premiere des Musicals «Gotthelf» an einen grossen Klassiker. Damals schickte er «Oli Twist» auf Ostschweiz Tournee. Mit «P.Pan» gelingt ihm der Spagat zwischen klassischem Stoff und einer frischen, entstaubten und zeitgerechten Interpretation.
Allem voran lässt er seine Hauptfigur geschlechtsneutral agieren, ohne dabei die Genderfrage in den Vordergrund zu rücken. Melanie Schütz ist P. Pan. Mit grosser Spielfreude und Kraft entführt die Innerschweizer Schauspielerin nicht nur die Kinder der Familie Darling ins Nimmerland.
Zu Beginn des Stückes liegt eine gewisse Trägheit, diese ist jedoch dem Prolog des Werkes geschuldet, das eine müde, graue Alltagswelt braucht, um die Flucht oder den Wunsch zur Flucht ins Nimmerland zu rechtfertigen. Dass Rexer ausgerechnet dieses Stück gewählt hat, mitten in einer Pandemie ist mutig und macht Sinn. Die Hoffnung: Raus aus der Pandemie, ein Licht oder Stern am Horizont. Und wie die drei Könige folgen die drei Jungschauspielerinnen dann P. Pan ins Nimmmerland.
Bei einem strengen Casting wählte Rexer seine Hauptfiguren aus. Dabei stehen neben einer Handvoll Profischauspielerinnen und - schauspielern 20 Kinder aus der ganzen Ostschweiz auf der Bühne. Besser auf vier Bühnen, denn bis im März 2022 tourt das Stück durch die Ostschweiz.
Rexer sagt, er habe mehrfach überlegt, ob das Stück wohl zur Premiere kommen würde. Einschneidend trafen ihn und die Probenarbeit dabei die verschiedenen Auflagen und Massnahmen zur Eindämmung der Corona Pandemie. Zeitweise musste Rexer auf einen Teil seines Ensembles verzichten, da diese in Quarantäne mussten.
«Nicht ein einziger Fall wurde dabei auf die Proben zurückgeführt. Wir haben sehr streng und vorsichtig gearbeitet», so Rexer.
Aber wie die verlorenen Kinder haben auch sie nie aufgegeben. Rexer führte sein Ensemble wie der Kapitän sein Schiff, und als Adjutantin konnte er sich auf seine Regieassistentin Jeanine Amacher voll verlassen, mit der er bereits erfolgreich bei den Schlossfestspielen Hagenwil zusammengearbeitet hat. «Alle haben extrem gut zusammengehalten», so Rexer.
Welch grosse Leistung dem ehemaligen Ensemblemitglied des Theater St. Gallen da gelungen ist, sieht man spätestens im zweiten Teil des Stückes. Treffend gelingen Rexer da Anspielungen auf die Talentshowtradition unserer Zeit, indem die Kinder ihr Können beweisen in einem Tanz- und Artistik-Wettstreit.
Es ist beeindruckend, wie Rexer die spezifischen Talente und Fähigkeiten seiner Darsteller einsetzt und sie diese ausspielen lässt. Lena Pallmann, Schülerin sticht dabei besonders hervor mit Ihrem live gesungenen Lied «Peter Pan». Da bleibt wirklich kein Auge trocken.
Für die mächtige, fast 20-minütige Kampfchoreografie hat Rexer einen Kampfkoordinatoren, Jean Loupe Fourure vom Filmstudio in Berlin, eingesetzt. Bei den Fechtszenen auf dem Piratenschiff bleibt einem da wahrlich die Spucke weg.
Mit Falk Döhler als Kapitän Hook ist Rexer eine perfekte Besetzung gelungen. Döhler spielt dabei den legendären Johnny Depp gerade zu an die Wand. Es macht grossen Spass, diesem wilden Treiben auf der Bühne zuzusehen.
Und auch dem Premierenpublikum hat es sichtlich gefallen. Dabei gaben sich Theaterleiter von Zürich bis St. Gallen ein Stelldichein, und selbst die Thurgauer Regierungsrätin Monika Knill, zuständig für Kultur, gab sich die Ehre. Nicht enden wollender Applaus honorierten einen Theaterabend, der Alt und Jung Mut machen will und dies auch tut. Nach diesem Abend bleibt der Im Stück so oft beschworene «wunderbare Gedanke», nämlich der: dass es hinterm Horizont tatsächlich weiter geht! Diese Inszenierung verdient Respekt und das Prädikat: Meisterleistung. Chapeau dem ganzen Team auf, hinter und vor der Bühne.
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