In der Privatklinik Hohenegg in Meilen läuft eine Studie, die den Zusammenhang zwischen Kognition und Gang bei Menschen mit Depressionen untersucht.
Basierend auf diesen Ergebnissen wollen die Forscher von zwei Hochschulen in enger Zusammenarbeit mit der Hohenegg neue nicht- medikamentöse Interventionen für Menschen mit psychischen Krankheiten entwickeln.
Der Zusammenhang zwischen Demenz und Motorik ist erwiesen. Die Physiotherapie leistet bereits einen wichtigen Beitrag zur Früherkennung von neurodegenerativen Erkrankungen, indem sie zielgerichtete Ganganalysen einsetzt, die auf Tempo und Rhythmus fokussieren. Im Bereich der psychischen Krankheiten klafft diesbezüglich noch eine Wissenslücke, obwohl es klinisch viele Hinweise dafür gibt, dass auch Menschen mit einer Depression sich anders bewegen.
Beteiligte Hochschulen und Forscher
Diese Lücke will nun ein Forschungsteam schliessen. Seit Februar führen in der psychiatrischen Privatklinik Hohenegg in Meilen Forschende der OST – Ostschweizer Fachhochschule (Bereich Physiotherapie) und der ETH (Departement Gesundheit und Technologie) in enger Zusammenarbeit mit Prof. Dr. med. univ. Josef Jenewein, Ärztlicher Direktor der Klinik und Spezialist für Psychosomatik, eine Studie durch. Heute haben die Studienleiter Dr. Emanuel Brunner, Dr. Patrick Eggenberger (beide OST) und Prof. Dr. Eling de Bruin (OST und ETH) Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Medien über ihr Projekt informiert und erste Trendaussagen zu den Resultaten gemacht.
Forschungssetting: verkabelt in einer Acht gehen
An der Studie nehmen rund 60 Patientinnen und Patienten mit depressiven Symptomen teil. Beim Klinikeintritt war der Grad ihrer Depression bereits in schwer, mittelschwer oder leicht klassifiziert worden. Als gesunde Vergleichsgruppe dienten 35 Mitarbeitende der OST.
Die Datenerhebung, die im Fitnessraum der Privatklinik Hohenegg stattfand, sah folgendermassen aus: Die Probanden wurden an ihren Schuhen und an ihrer Stirn mit Sensoren «verkabelt». Sie mussten für rund drei Minuten in Form einer Acht gehen. Nach einer Pause nahmen sie diese Übung erneut auf, mussten aber gleichzeitig Kopfrechenaufgaben lösen. Die Frage ist, ob sich Rhythmus und Tempo mit der zusätzlichen kognitiven Herausforderung ändern und ob sich eine Veränderung auch in der Hirntätigkeit zeigt. In früheren Studien wurde bei Menschen mit Demenz deutlich, dass ihr Gang langsamer und unregelmässiger wird, mussten sie simultan zum Gehen kognitive Aufgaben erledigen.
Ausblick: Mit Fitnessspielen gegen die Depression?
«Eine erste Sichtung der erhobenen Daten lässt vermuten, dass sich der Zusammenhang zwischen der Motorik und Kognition bestätigt. Zukünftig wäre ein motorisch-kognitives Training eine vielversprechend Behandlungsoption», sagt Josef Jenewein. Bei Menschen mit Demenz hatte sich nämlich gezeigt, dass das Training zur Verbesserung kognitiver Funktionen am wirkungsvollsten ist, wenn es simultan zu einem motorischen Training stattfindet. Dafür wurden unter anderem interaktive Fitnessspiele, sogenannte Exergames, verwendet. Um zu prüfen, ob das bei Patientinnen und Patienten mit depressiven Symptomen ebenfalls funktioniert, hat das Forschungsteam sein Vorhaben bereits als Nationalfondsprojekt eingereicht. «Wir gehen davon aus, dass sich die Stimmung verbessert, wenn die negativen Gedanken (Kognition) abnehmen». Die Ethikkommission hat für das Projekt bereits grünes Licht gegeben. Unterstützt es der Nationalfonds, wird es ab 2024 auch in der Privatklinik Hohenegg durchgeführt.
Stärkung der körperorientierten Therapien
Die Privatklinik Hohenegg setzt schon heute auf körperorientierte Therapieformen, um die körperliche Fitness, die Entspannung und Änderung der Körperwahrnehmung zu fördern. Die Entwicklung von Exergames eröffnet nun neue Möglichkeiten in der stationären Psychotherapie und Psychiatrie. Profitieren könnten besonders Patienten mit mittleren und starken Depressionen, die durch ihre Symptomstärke eine hohe Barriere für das konventionelle körperliche Training haben. Die Privatklinik Hohenegg strebt an, das nicht-pharmakologische Behandlungsangebot zu erweitern und die körperorientierten Therapien noch individueller auf ihre Patientinnen und Patienten auszurichten.
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