Die Hochschule St. Gallen im Dauertief. Im Ranking der Wirtschaftsunis vorne, bei Ranküne und Rabatz auch. Wieso kommt die HSG nie aus den Skandal-Schlagzeilen? Wieso macht sie sich immer wieder lächerlich?
Die «Financial Times» eigentlich die Benchmark für hochstehenden Journalismus, platziert die HSG in ihrem Ranking der Business Schools in Europa auf Platz fünf, im deutschsprachigen Raum auf Platz eins. Bravo.
Gerade wurden zwei Professoren der HSG freigestellt – Plagiatsverdacht. Pfui. So nahe liegen in St. Gallen Hui und Pfui beieinander. Wie kommt’s?
Liegt’s vielleicht am Personal? Unvergessen Professor Dr. Johannes Rüegg-Stürm, Leiter des Instituts für Unternehmensführung an der HSG. Dort bereitete er seine Studenten darauf vor – sich nicht so zu verhalten wie er. Denn Rüegg-Stürm winkte jahrelang die Spesenabrechnungen des gefallenen Star-Bankers Pierin Vincenz durch. Dafür verdiente er als Verwaltungsrat bei Raiffeisen bis zu 582'000 Franken. Im Jahr.
Als er dann hätte Verantwortung übernehmen sollen, was bei diesem Honorar eigentlich selbstverständlich sein müsste, stürmte er mitten in einer Medienkonferenz der damaligen Raiffeisenführung aus dem Saal und verkündete zuvor noch seinen Rücktritt als VR-Präsident von Raiffeisen. Nicht ohne dennoch weitere hunderttausende Franken Honorar einzustecken.
Dann hätten wir die multifunktionale Professorin Monika Bütler. Oder Verbandelungen: Der Vizedirektor des Instituts für Finanzwissenschaft an der HSG im Hauptamt Deloitte-Partner. KPMG hat den Fuss in der Türe, indem sie den Lehrstuhl für Audit mit 300’000 Franken im Jahr sponsert. Der HSG-Professor, der wissenschaftliche Studien erstellte, die seiner eigenen Beratungsfirma nützten. Der ehemalige HSG-Rektor selber, Thomas Bieger, im Amt bis 2020, der in seinem Nebenjob als Präsident der Jungfraubahn von der Finanzmarktaufsicht FINMA wegen Marktmanipulation abgemahnt wurde.
Einsatz von Aissistenzknechten für eigene Tätigkeiten, ein Professor verteilt aus Faulheit zweimal die gleiche Prüfung, es gibt kaum ein Fettnäpfchen, das Dozenten der HSG ausgelassen haben. Die Spesenaffäre eines Professors, mehrerer Professoren. Immer wieder wird dann die Corporate Governance angemahnt, die Verschärfung von Vorschriften gefordert, Reformen und Reförmchen angekündigt. Die Wirkung ist kaum messbar.
Dann berichtet «Inside Paradeplatz»: «Studenten fiel auf, dass Dokumente eines HSG-Professors, welche eigentlich für unterschiedliche Zwecke erstellt wurden, inhaltlich in weiten Teilen identisch waren.»
Schon im September hatte die NZZaS ausführlich darüber berichtet, allerdings noch ohne Namensnennung. Wie üblich stellte sich das Rektorat der HSG taub und versuchte, auch diesen Skandal auszusitzen.
Nun ist der fehlbare Professor freigestellt, mit ihm sein Kollege, der zuvor noch versucht hatte, kritische Studenten via Anwaltsschreiben auf HSG-Briefpapier zum Schweigen zu bringen.
Wieder einmal ist der GAU erreicht worden. Allerdings handelt es sich diesmal auch um einen GAU, weil es um die Reputation der HSG geht, die im Kern in Zweifel gezogen wird.
Denn wenn ein Professor unter dem Verdacht steht, sowohl in seiner Dissertation wie in seiner Habilitation abgeschrieben zu haben, zudem auch bei Gutachten zu von ihm betreuten Dissertationen geschummelt haben, dann ist Feuer im Dach, und das Erdgeschoss steht unter Wasser.
Sollte sich all das bewahrheiten, haben mal wieder alle Kontrollmechanismen innerhalb der Uni versagt. Hat sich die Uni-Leitung ein weiteres Mal blamiert. Ist der Ruf der HSG deutlich lädiert, das Ansehen bekleckert.
Wie schreibt die NZZ richtig: «Die Universitätsleitung versuchte lange, die Affäre unter dem Deckel zu halten.» Auch ihrer bitteren Bilanz ist nicht zu widersprechen: «Die Plagiatsaffäre reiht sich ein unter verschiedene Skandale, welche den Ruf der HSG in den vergangenen Jahren ramponierten.»
Woran liegt’s? Eine Uni, spezialisiert auf Wirtschaftsthemen, sollte doch eigentlich in der Lage sein, im eigenen Haus Grundlagen von Good Governance oder Compliance, also das Führen eines Unternehmens nach sauberen Massstäben und das Einhalten aller einschlägigen Vorschriften, nicht nur zu lehren, sondern auch anzuwenden.
Das ist doch so, wie wenn es im Haus des Elektrikers ständig Kurzschlüsse gibt. Auch nicht gerade ein Beweis dafür, dass der Elektriker seinen Lehrlingen verantwortungsvollen Umgang mit Strom beibringen kann.
Inzwischen ist die Latte von Fehlverhalten dermassen lang, dass die ewige Leier, es handle sich hier um bedauerliche Einzelfälle, nicht nur ausgeleiert, sondern geradezu lachhaft ist.
Wenn Fehlverhalten auf verschiedenen Gebieten dermassen häufig vorkommt, handelt es sich offensichtlich um ein systemisches Problem, oder auf Deutsch: im Unternehmen ist der Wurm drin.
Wenn die leitende Mannschaft immer wieder mit der gleichen Methode reagiert: verneinen, verniedlichen, abstreiten, dann mit «Fürsorgepflicht» winken, um schliesslich einzuknicken und Fehlverhalten einzuräumen, dann ist offensichtlich die Administration der HSG ihrer Aufsichtspflicht nicht gewachsen. Also gehört sie ausgetauscht.
Denn es kann doch niemand ernsthaft erzählen, dass eine Wirtschaftsuni nicht in der Lage sein sollte, im eigenen Laden Regeln und Standards durchzusetzen, die sie ihren Studenten einbläut. Es ist zwar lustig, aber doch ein wenig peinlich, wenn Dozenten nicht weit suchen müssen, um ihren Studenten an abschreckenden Beispielen vorzuführen, wie man es nicht machen sollte.
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