logo

Zeyer zur Zeit

HSG: Heute schon gelacht?

Die Hochschule St. Gallen im Dauertief. Im Ranking der Wirtschaftsunis vorne, bei Ranküne und Rabatz auch. Wieso kommt die HSG nie aus den Skandal-Schlagzeilen? Wieso macht sie sich immer wieder lächerlich?

«Die Ostschweiz» Archiv am 18. Dezember 2022

Die «Financial Times» eigentlich die Benchmark für hochstehenden Journalismus, platziert die HSG in ihrem Ranking der Business Schools in Europa auf Platz fünf, im deutschsprachigen Raum auf Platz eins. Bravo.

Gerade wurden zwei Professoren der HSG freigestellt – Plagiatsverdacht. Pfui. So nahe liegen in St. Gallen Hui und Pfui beieinander. Wie kommt’s?

Liegt’s vielleicht am Personal? Unvergessen Professor Dr. Johannes Rüegg-Stürm, Leiter des Instituts für Unternehmensführung an der HSG. Dort bereitete er seine Studenten darauf vor – sich nicht so zu verhalten wie er. Denn Rüegg-Stürm winkte jahrelang die Spesenabrechnungen des gefallenen Star-Bankers Pierin Vincenz durch. Dafür verdiente er als Verwaltungsrat bei Raiffeisen bis zu 582'000 Franken. Im Jahr.

Als er dann hätte Verantwortung übernehmen sollen, was bei diesem Honorar eigentlich selbstverständlich sein müsste, stürmte er mitten in einer Medienkonferenz der damaligen Raiffeisenführung aus dem Saal und verkündete zuvor noch seinen Rücktritt als VR-Präsident von Raiffeisen. Nicht ohne dennoch weitere hunderttausende Franken Honorar einzustecken.

Dann hätten wir die multifunktionale Professorin Monika Bütler. Oder Verbandelungen: Der Vizedirektor des Instituts für Finanzwissenschaft an der HSG im Hauptamt Deloitte-Partner. KPMG hat den Fuss in der Türe, indem sie den Lehrstuhl für Audit mit 300’000 Franken im Jahr sponsert. Der HSG-Professor, der wissenschaftliche Studien erstellte, die seiner eigenen Beratungsfirma nützten. Der ehemalige HSG-Rektor selber, Thomas Bieger, im Amt bis 2020, der in seinem Nebenjob als Präsident der Jungfraubahn von der Finanzmarktaufsicht FINMA wegen Marktmanipulation abgemahnt wurde.

Einsatz von Aissistenzknechten für eigene Tätigkeiten, ein Professor verteilt aus Faulheit zweimal die gleiche Prüfung, es gibt kaum ein Fettnäpfchen, das Dozenten der HSG ausgelassen haben. Die Spesenaffäre eines Professors, mehrerer Professoren. Immer wieder wird dann die Corporate Governance angemahnt, die Verschärfung von Vorschriften gefordert, Reformen und Reförmchen angekündigt. Die Wirkung ist kaum messbar.

Dann berichtet «Inside Paradeplatz»: «Studenten fiel auf, dass Dokumente eines HSG-Professors, welche eigentlich für unterschiedliche Zwecke erstellt wurden, inhaltlich in weiten Teilen identisch waren.»

Schon im September hatte die NZZaS ausführlich darüber berichtet, allerdings noch ohne Namensnennung. Wie üblich stellte sich das Rektorat der HSG taub und versuchte, auch diesen Skandal auszusitzen.

Nun ist der fehlbare Professor freigestellt, mit ihm sein Kollege, der zuvor noch versucht hatte, kritische Studenten via Anwaltsschreiben auf HSG-Briefpapier zum Schweigen zu bringen.

Wieder einmal ist der GAU erreicht worden. Allerdings handelt es sich diesmal auch um einen GAU, weil es um die Reputation der HSG geht, die im Kern in Zweifel gezogen wird.

Denn wenn ein Professor unter dem Verdacht steht, sowohl in seiner Dissertation wie in seiner Habilitation abgeschrieben zu haben, zudem auch bei Gutachten zu von ihm betreuten Dissertationen geschummelt haben, dann ist Feuer im Dach, und das Erdgeschoss steht unter Wasser.

Sollte sich all das bewahrheiten, haben mal wieder alle Kontrollmechanismen innerhalb der Uni versagt. Hat sich die Uni-Leitung ein weiteres Mal blamiert. Ist der Ruf der HSG deutlich lädiert, das Ansehen bekleckert.

Wie schreibt die NZZ richtig: «Die Universitätsleitung versuchte lange, die Affäre unter dem Deckel zu halten.» Auch ihrer bitteren Bilanz ist nicht zu widersprechen: «Die Plagiatsaffäre reiht sich ein unter verschiedene Skandale, welche den Ruf der HSG in den vergangenen Jahren ramponierten.»

Woran liegt’s? Eine Uni, spezialisiert auf Wirtschaftsthemen, sollte doch eigentlich in der Lage sein, im eigenen Haus Grundlagen von Good Governance oder Compliance, also das Führen eines Unternehmens nach sauberen Massstäben und das Einhalten aller einschlägigen Vorschriften, nicht nur zu lehren, sondern auch anzuwenden.

Das ist doch so, wie wenn es im Haus des Elektrikers ständig Kurzschlüsse gibt. Auch nicht gerade ein Beweis dafür, dass der Elektriker seinen Lehrlingen verantwortungsvollen Umgang mit Strom beibringen kann.

Inzwischen ist die Latte von Fehlverhalten dermassen lang, dass die ewige Leier, es handle sich hier um bedauerliche Einzelfälle, nicht nur ausgeleiert, sondern geradezu lachhaft ist.

Wenn Fehlverhalten auf verschiedenen Gebieten dermassen häufig vorkommt, handelt es sich offensichtlich um ein systemisches Problem, oder auf Deutsch: im Unternehmen ist der Wurm drin.

Wenn die leitende Mannschaft immer wieder mit der gleichen Methode reagiert: verneinen, verniedlichen, abstreiten, dann mit «Fürsorgepflicht» winken, um schliesslich einzuknicken und Fehlverhalten einzuräumen, dann ist offensichtlich die Administration der HSG ihrer Aufsichtspflicht nicht gewachsen. Also gehört sie ausgetauscht.

Denn es kann doch niemand ernsthaft erzählen, dass eine Wirtschaftsuni nicht in der Lage sein sollte, im eigenen Laden Regeln und Standards durchzusetzen, die sie ihren Studenten einbläut. Es ist zwar lustig, aber doch ein wenig peinlich, wenn Dozenten nicht weit suchen müssen, um ihren Studenten an abschreckenden Beispielen vorzuführen, wie man es nicht machen sollte.

Einige Highlights

Uzwilerin mit begrenzter Lebenserwartung

Das Schicksal von Beatrice Weiss: «Ohne Selbstschutz kann die Menschheit richtig grässlich sein»

am 11. Mär 2024
Im Gespräch mit Martina Hingis

«…und das als Frau. Und man verdient auch noch Geld damit»

am 19. Jun 2022
Das grosse Gespräch

Bauernpräsident Ritter: «Es gibt sicher auch schöne Journalisten»

am 15. Jun 2024
Eine Analyse zur aktuellen Lage

Die Schweiz am Abgrund? Wie steigende Fixkosten das Haushaltbudget durcheinanderwirbeln

am 04. Apr 2024
DG: DG: Politik

«Die» Wirtschaft gibt es nicht

am 03. Sep 2024
Gastkommentar

Kein Asyl- und Bleiberecht für Kriminelle: Null-Toleranz-Strategie zur Sicherheit der Schweiz

am 18. Jul 2024
Gastkommentar

Falsche Berechnungen zu den AHV-Finanzen: Soll die Abstimmung zum Frauenrentenalter wiederholt werden?

am 15. Aug 2024
Gastkommentar

Grenze schützen – illegale Migration verhindern

am 17. Jul 2024
Sensibilisierung ja, aber…

Nach Entführungsversuchen in der Ostschweiz: Wie Facebook und Eltern die Polizeiarbeit erschweren können

am 05. Jul 2024
Pitbull vs. Malteser

Nach dem tödlichen Übergriff auf einen Pitbull in St.Gallen: Welche Folgen hat die Selbstjustiz?

am 26. Jun 2024
Politik mit Tarnkappe

Sie wollen die angebliche Unterwanderung der Gesellschaft in der Ostschweiz verhindern

am 24. Jun 2024
Paralympische Spiele in Paris Ende August

Para-Rollstuhlfahrerin Catherine Debrunner sagt: «Für ein reiches Land hinkt die Schweiz in vielen Bereichen noch weit hinterher»

am 24. Jun 2024
Politik extrem

Paradox: Mit Gewaltrhetorik für eine humanere Gesellschaft

am 10. Jun 2024
Das grosse Bundesratsinterview zur Schuldenbremse

«Rechtswidrig und teuer»: Bundesrätin Karin Keller-Sutter warnt Parlament vor Verfassungsbruch

am 27. Mai 2024
Eindrucksvolle Ausbildung

Der Gossauer Nicola Damann würde als Gardist für den Papst sein Leben riskieren: «Unser Heiliger Vater schätzt unsere Arbeit sehr»

am 24. Mai 2024
Zahlen am Beispiel Thurgau

Asylchaos im Durchschnittskanton

am 29. Apr 2024
Interview mit dem St.Galler SP-Regierungsrat

Fredy Fässler: «Ja, ich trage einige Geheimnisse mit mir herum»

am 01. Mai 2024
Nach frühem Rücktritt: Wird man zur «lame duck»?

Exklusivinterview mit Regierungsrat Kölliker: «Der Krebs hat mir aufgezeigt, dass die Situation nicht gesund ist»

am 29. Feb 2024
Die Säntis-Vermarktung

Jakob Gülünay: Weshalb die Ostschweiz mehr zusammenarbeiten sollte und ob dereinst Massen von Chinesen auf dem Säntis sind

am 20. Apr 2024
Neues Buch «Nichts gegen eine Million»

Die Ostschweizerin ist einem perfiden Online-Betrug zum Opfer gefallen – und verlor dabei fast eine Million Franken

am 08. Apr 2024
Gastkommentar

Weltweite Zunahme der Christenverfolgung

am 29. Mär 2024
Aktionswoche bis 17. März

Michel Sutter war abhängig und kriminell: «Ich wollte ein netter Einbrecher sein und klaute nie aus Privathäusern»

am 12. Mär 2024
Teuerung und Armut

Familienvater in Geldnot: «Wir können einige Tage fasten, doch die Angst vor offenen Rechnungen ist am schlimmsten»

am 24. Feb 2024
Naomi Eigenmann

Sexueller Missbrauch: Wie diese Rheintalerin ihr Erlebtes verarbeitet und anderen Opfern helfen will

am 02. Dez 2023
Best of 2023 | Meine Person des Jahres

Die heilige Franziska?

am 26. Dez 2023
Treffen mit Publizist Konrad Hummler

«Das Verschwinden des ‘Nebelspalters’ wäre für einige Journalisten das Schönste, was passieren könnte»

am 14. Sep 2023
Neurofeedback-Therapeutin Anja Hussong

«Eine Hirnhälfte in den Händen zu halten, ist ein sehr besonderes Gefühl»

am 03. Nov 2023
Die 20-jährige Alina Granwehr

Die Spitze im Visier - Wird diese Tennisspielerin dereinst so erfolgreich wie Martina Hingis?

am 05. Okt 2023
Podcast mit Stephanie Stadelmann

«Es ging lange, bis ich das Lachen wieder gefunden habe»

am 22. Dez 2022
Playboy-Model Salomé Lüthy

«Mein Freund steht zu 100% hinter mir»

am 09. Nov 2022
Neue Formen des Zusammenlebens

Architektin Regula Geisser: «Der Mensch wäre eigentlich für Mehrfamilienhäuser geschaffen»

am 01. Jan 2024
Podcast mit Marco Schwinger

Der Kampf zurück ins Leben

am 14. Nov 2022
Hanspeter Krüsi im Podcast

«In meinem Beruf gibt es leider nicht viele freudige Ereignisse»

am 12. Okt 2022
Stölzle /  Brányik
Autor/in
«Die Ostschweiz» Archiv

«Die Ostschweiz» ist die grösste unabhängige Meinungsplattform der Kantone SG, TG, AR und AI mit monatlich rund einer halben Million Leserinnen und Lesern. Die Publikation ging im April 2018 online und ist im Besitz der Ostschweizer Medien AG.

Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.