Franziska Tschudi Sauber
Seit 2001 führt Franziska Tschudi Sauber die Weidmann Gruppe in Rapperswil-Jona. Die glückliche Fügung in ihrer Karriere war 1995, als sie in das Familienunternehmen einstieg und ihr unternehmerisches Talent unter Beweis stellen konnte.
Franziska Tschudi ist keine Nachfahrin von Heinrich Weidmann, der den heutigen Weltkonzern 1877 in einer stillgelegten Mühle in Rapperswil gegründet hatte. Ihr Urgrossvater Jean Tschudi kaufte 1923, ein paar Jahre nach dem Tode Weidmanns, den mittlerweile fast bankrotten Betrieb. Sein Sohn Hans führte diesen dann wieder zur Blüte. Franziska Tschudi ist Vertreterin der vierten Generation, Chefin von 2800 Mitarbeitenden, die in Produktionswerken in elf verschiedenen Ländern tätig sind. Sie sagt: «Als älteste Schwester von drei Brüdern war für mich keine Karriere innerhalb der Firma vorgesehen. Das sei nichts für ein Mädchen, sagte man mir als Jugendliche.»
Lange wollte sie Ärztin werden, hat sich dann aber doch für Anwältin entschieden. Tschudi ist eine Macherin, wollte schon früh eine Firma gründen, eine Unternehmerin sein. Als 1995 ein Firmenzusammenschluss scheiterte, bei dem sie die Leitung übernommen hätte, stieg die 35-Jährige dann doch in das Familienunternehmen ein und war für das Business Development verantwortlich. «Wir expandierten damals in die Ukraine und nach China. Keiner der gestandenen Manager hatte gross Lust, sich da hineinzuknien und die ganze Zeit unterwegs zu sein; ich schon», sagt sie im Rückblick. Als ihr Vater sich im Jahr 2001 pensionieren liess hatte Tschudi einen beachtlichen Leistungsausweis und gute Resultate vorzuweisen und wurde zum CEO ernannt. Ganz ohne Diskussionen ging das allerdings nicht, schliesslich hatte sie Geschwister, die neben anderen Bewerbern für diesen Job ebenfalls in Frage gekommen wären: «Es kam aber mit allen Brüdern zu einer Einigung, und mit einem von ihnen zu einer sehr guten, engen Zusammenarbeit auf Geschäftsleitungsebene», erklärt Tschudi.
Vor- und Nachteile als Businessfrau
Doch wäre sie auch CEO geworden, wenn sie keine Tschudi gewesen wäre? Sie überlegt und meint schliesslich: «Wer weiss schon, wo er oder sie gelandet wäre, wenn dieses oder jenes anders gewesen wäre…? Aber nein, wahrscheinlich wäre ich nicht hier.» Oft im Leben komme es eh anders als man ursprünglich hoffte oder plante. Für sich selbst hatte sie ja auch einen ganz anderen Lebensentwurf vorgesehen.
Neben ihrem Vollzeitjob hat Tschudi verschiedene Verwaltungsratsmandate inne (Swiss Life, Biomed, Energie Zürichsee Linth), ist im Vorstand von Economiesuisse und Swissmem oder sitzt im Stiftungsrat der USZ Foundation – all das mache sie, weil man sie jeweils anfrage, sie schlecht Nein sagen könne, insbesondere dann, wenn ein Mandat sie interessiere, etwas mit ihrer Arbeit zu tun oder es einen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens habe. Und ja, eine Frau zu sein, das habe ihr in dieser Frage einen gewissen Vorteil verschafft, gibt sie unumwunden zu. Andererseits habe sie noch in den 1990-er Jahren Absagen für Stellen erhalten, für die sie bestens qualifiziert gewesen wäre. Sie erinnert sich: «Man sagte mir, dass man in dieser Position lieber einen Mann habe, weil der Chef eben auch Militärisches erledigt haben wolle.» Heute kann Tschudi über so etwas lachen, obschon es sie damals wirklich genervt hat. Doch jammern, weil einem dieses oder jenes passiere, das sei noch nie ihr Stil gewesen. Lieber packt sie die Chance beim Schopf und macht etwas Neues draus.
Soziale Marktwirtschafterin
Seit je her habe Tschudi immer grössere Angst vor dem Verlust eines geliebten Menschen gehabt, als davor, Materielles zu verlieren oder beruflich zu scheitern. «Ich bin Optimistin und ein ‘Stehaufmännchen’. Zudem bin ich wohl auch ein Sparschwein, das mit Geld vorsichtig umgeht.» Auch sei sich nie für eine Arbeit zu schade gewesen, sei ganz gern auch Hausfrau und am liebsten Köchin für Familie und Freunde, fährt sie fort.
Nun beschäftigt sich die 61-Jährige auch mit ihrer Nachfolgeregelung. «Wenn mir das gut gelingt, dann werde ich stolz auf mich sein», sagt sie.
Kürzlich wurde Tschudi der Bonny Preis der Freiheit verliehen. Der Preis sei eine Anerkennung für sie als Wirtschaftsführerin. Dafür, dass sie sich als soziale Marktwirtschafterin im besten Sinne gleichzeitig in einem freien internationalen Wettbewerb behaupte und ihre Verantwortung für die Belegschaft, die Gesellschaft und die Umwelt wahrnehme, wie es in der Laudatio hiess. Das zu hören, habe sie sehr gefreut und könne ohne weiteres als ihr grösster Karriereerfolg gewertet werden.
Franziska Tschudi Sauber
Michel Bossart ist Redaktor bei «Die Ostschweiz». Nach dem Studium der Philosophie und Geschichte hat er für diverse Medien geschrieben. Er lebt in Benken (SG).
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