logo

Johannes Holdener

«Ich bin mehr und mehr zum Fan geworden»

Seit Mai 2019 ist Johannes Holdener Vorsitzender der Bankleitung der Raiffeisenbank St. Gallen. In Kürze erfolgt die Umwandlung zu einer Genossenschaftsbank. Welche Veränderungen sind damit verbunden? Und wie unterscheiden sich die Banken heute noch untereinander?

Marcel Baumgartner am 06. Mai 2022

Johannes Holdener, die Raiffeisenbank St. Gallen wird voraussichtlich im Sommer von einer Niederlassung von Raiffeisen Schweiz zu einer eigenständigen Genossenschaftsbank. Inwiefern verändert sich dadurch Ihr Job?

Der Job ändert sich für die Mitarbeitenden nicht gross, ausser dass wir dann eine Genossen­schaft sind und darum auch Mitglieder in unsere Genos­senschaft aufnehmen dürfen. Für mich ändert sich primär der Ansprechpartner. Aktuell rapportiere ich an den Depar­tementsleiter Firmenkunden, Treasury & Markets von Raiffeisen Schweiz, zu­ künftig wird es der Verwaltungsrat der neuen Raiffeisenbank St. Gallen sein.

Jede der bisher über 220 Genossenschaftsbanken operiert unabhängig. Welche internen Prozesse müssen bis zum Stichtag im Sommer noch aufgegleist werden?

Per Stichtag übernehmen wir die Vorgaben von Raiffeisen Schweiz für die Raiffeisenbanken und die entsprechenden Prozesse. Diese sind im Wesentlichen nicht stark abweichend von den Vorgaben für die Niederlassungen. Wir waren sozusagen schon Raiffeisenbank, einfach oh­ne die Möglichkeit des Mitspracherechts durch unsere Genossenschafterinnen und Genossen­schafter.

Ändert sich – abgesehen von der Möglichkeit, Anteilscheine zu kaufen – auch etwas für die Kundinnen und Kunden?

Kundinnen und Kunden können nach wie vor von den möglichen Mitgliedervorteilen pro­fitieren, die wir bereits als Niederlassung unseren MemberPlus-­Kunden angeboten haben. Dafür müssen die Kundinnen und Kunden aber min­destens einen Genossenschaftsanteil erwerben.

Die Raiffeisenbank St. Gallen wird mit diesem Schritt quasi an die lange Leine gelassen. Haben Sie damit deutlich mehr Spielraum im strategischen und operativen Geschäft?

Wir haben heute schon viele Freiheiten. Die strategischen Stossrichtungen gelten für die gan­ze Gruppe und werden von jeder Raiffeisenbank für den jeweiligen Geschäftskreis adaptiert. Die­ sen Freiraum haben wir heute schon für span­nende Aktionen für unser Marktgebiet genutzt und werden diesen auch weiterhin nutzen. Zum Beispiel aktuell mit dem Sponsoring des Auffahrtslaufes in St. Gallen sowie der Standort­förderung der Stadt St. Gallen. Mitglieder der Raiffeisenbank St. Gallen können am exklusi­ven Lauftraining mit Victor Röthlin teilnehmen, Startplätze oder Open-­Air­-St.­Gallen­-Tickets gewinnen.

Worin liegen für Sie die Kernwerte, die grossen Vorteile einer Genossenschaft?

Liberalität, Solidarität und Demokratie sind unsere genossenschaftlichen Werte. Sie werden durch die unternehmerischen Wert Glaubwür­digkeit, Nachhaltigkeit, Unternehmertum und Nähe ergänzt. Genau diese vier Werte beachten wir bei Entscheidungen für die Raiffeisenbank, sei es im Vertrieb oder in der Führung. Die gros­sen Vorteile liegen bestimmt in der notwendigen Bodenhaftung und der Nähe zu unserer Kund­schaft, wobei kurzfristige Gewinnmaximierung nicht im Zentrum steht, sondern eine nachhal­tige Entwicklung der Kundenbeziehung und ei­ne Win­-Win-­Situation für das gemeinschaftliche Zusammenarbeiten.

Raiffeisen entwickelte sich in der Vergangenheit zu einem massgeblichen Player in der Finanzwelt. Worauf führen Sie persönlich diesen Erfolg zurück?

Raiffeisen hat in den letzten Jahren ihr Ge­schäftsmodell diversifiziert und wurde auch bekannt für ihre Kompetenz in Bereichen wie Vermögensverwaltung, Pensions­ und Nach­lassplanung oder Erbschaftsfragen. Daneben wird aber auch dem Kerngeschäft, der Kredit­ und Kapitalvermittlung weiterhin viel Beach­ tung geschenkt.

Sie selbst sind bereits seit 22 Jahren für Raiffeisen tätig. Verspürten Sie niemals die Lust, die Luft eines anderen Instituts einzuatmen?

Tatsächlich bin ich schon seit 22 Jahren für die Raiffeisen-­Gruppe tätig und habe diesen Schritt nie bereut. Davor hatte ich meine Ausbil­dung und diverse Stationen bei der Credit Suisse durchlaufen dürfen, was ich auch nicht missen will. Persönlich bin ich über die Jahre mehr und mehr ein Raiffeisen-­Fan geworden und so begeg­ne ich meinem Job und vor allem meinen Mit­arbeitenden tagtäglich mit grosser Freude.

Ich habe zwei Kinder, die gerade in dem Alter sind, in dem sie die Bedeutung von Geld erfahren. Was sollte ich ihnen Ihrer Meinung nach vermitteln?

Als Kind habe ich folgende Sätze gehört: «Spare in der Zeit, so hast du in der Not», oder «Schlaf noch eine Nacht darüber, bevor Du den Kaufentscheid triffst». Meiner Meinung nach sollte der bewusste Umgang mit dem Geld ver­mittelt werden. Wenn man sich bewusst wird, wie lange man für etwas sparen muss, wird auch nicht einfach konsumiert.

Sicher würden Sie meinen Kindern ebenfalls empfehlen, ein Raiffeisen-Konto zu eröffnen. Ganz ehrlich: Macht es in der heute immens regulierten Bankenwelt überhaupt noch einen Unterschied, bei welcher Bank ich mein Konto habe?

Selbstverständlich würde ich das empfehlen! Ich empfehle aber auch den sukzessiven Vermö­gensaufbau über einen Fondssparplan, in den mindestens 50 Franken im Monat einbezahlt werden. So werden Jugendliche an das Thema Sparen herange­führt, denn Anlegen ist das neue Sparen. Tatsächlich sind die Unterschiede hin­sichtlich Produkten nicht gross. Die grössten Differenzierungsmerkmale von Raiffeisen sind bestimmt die unvergleich­liche Kundennähe und das genossenschaftliche Gedankengut mit dem Mitbestimmungsrecht und vor allen den Genossenschaftsvorteilen.

Geld kann nicht selten entscheidend sein, ob ich eine unternehmerische Vision verwirklichen kann oder nicht. Wie sehr ist es entscheidend, ob ich mein Gegenüber bei der Bank mit meiner Leidenschaft anstecken kann? Oder sind es letztlich einfach die harten Zahlen und Fakten, die entscheidend sind?

In Neudeutsch reden wir hier von «Relation­ship Management», d.h., wir müssen fähig sein, die Beziehung zu den Kundinnen und Kunden aufzubauen und diese aktiv zu leben. So werden wir Ansprechpartner und pflegen die Beziehun­ gen entweder selber oder wir suchen einen ent­ sprechenden Spezialisten oder eine Spezialistin aus unseren Reihen oder unserem Netzwerk. Ein reiner Fokus auf harte Zahlen und Fakten ist zu einseitig. Viel wichtiger erscheint mir die regio­nale Verankerung und dass wir unsere Kundin­nen und Kunden kennen.

Verselbstständigung der Niederlassung

Mit der Verselbstständigung der Niederlassungen von Raiffeisen Schweiz baut Raiffeisen ihr genossenschaftliches Modell weiter aus. An der Generalversammlung 2021 haben die Vertreterinnen und Vertreter der Raiffeisenbanken der Verselbstständigung der sechs Niederlassungen mit 98 Prozent Ja-Stimmen zugestimmt. Die Umsetzung ist im Gange und erfolgt in Etappen. Die Niederlassungen in Bern und Thalwil treten seit 24. Januar 2022 als autonome Raiffeisenbanken auf. Winterthur und St. Gallen folgen voraussichtlich im Sommer 2022 sowie Basel und Zürich voraussichtlich Anfang 2023.

Einige Highlights

Uzwilerin mit begrenzter Lebenserwartung

Das Schicksal von Beatrice Weiss: «Ohne Selbstschutz kann die Menschheit richtig grässlich sein»

am 11. Mär 2024
Im Gespräch mit Martina Hingis

«…und das als Frau. Und man verdient auch noch Geld damit»

am 19. Jun 2022
Das grosse Gespräch

Bauernpräsident Ritter: «Es gibt sicher auch schöne Journalisten»

am 15. Jun 2024
Eine Analyse zur aktuellen Lage

Die Schweiz am Abgrund? Wie steigende Fixkosten das Haushaltbudget durcheinanderwirbeln

am 04. Apr 2024
DG: DG: Politik

«Die» Wirtschaft gibt es nicht

am 03. Sep 2024
Gastkommentar

Kein Asyl- und Bleiberecht für Kriminelle: Null-Toleranz-Strategie zur Sicherheit der Schweiz

am 18. Jul 2024
Gastkommentar

Falsche Berechnungen zu den AHV-Finanzen: Soll die Abstimmung zum Frauenrentenalter wiederholt werden?

am 15. Aug 2024
Gastkommentar

Grenze schützen – illegale Migration verhindern

am 17. Jul 2024
Sensibilisierung ja, aber…

Nach Entführungsversuchen in der Ostschweiz: Wie Facebook und Eltern die Polizeiarbeit erschweren können

am 05. Jul 2024
Pitbull vs. Malteser

Nach dem tödlichen Übergriff auf einen Pitbull in St.Gallen: Welche Folgen hat die Selbstjustiz?

am 26. Jun 2024
Politik mit Tarnkappe

Sie wollen die angebliche Unterwanderung der Gesellschaft in der Ostschweiz verhindern

am 24. Jun 2024
Paralympische Spiele in Paris Ende August

Para-Rollstuhlfahrerin Catherine Debrunner sagt: «Für ein reiches Land hinkt die Schweiz in vielen Bereichen noch weit hinterher»

am 24. Jun 2024
Politik extrem

Paradox: Mit Gewaltrhetorik für eine humanere Gesellschaft

am 10. Jun 2024
Das grosse Bundesratsinterview zur Schuldenbremse

«Rechtswidrig und teuer»: Bundesrätin Karin Keller-Sutter warnt Parlament vor Verfassungsbruch

am 27. Mai 2024
Eindrucksvolle Ausbildung

Der Gossauer Nicola Damann würde als Gardist für den Papst sein Leben riskieren: «Unser Heiliger Vater schätzt unsere Arbeit sehr»

am 24. Mai 2024
Zahlen am Beispiel Thurgau

Asylchaos im Durchschnittskanton

am 29. Apr 2024
Interview mit dem St.Galler SP-Regierungsrat

Fredy Fässler: «Ja, ich trage einige Geheimnisse mit mir herum»

am 01. Mai 2024
Nach frühem Rücktritt: Wird man zur «lame duck»?

Exklusivinterview mit Regierungsrat Kölliker: «Der Krebs hat mir aufgezeigt, dass die Situation nicht gesund ist»

am 29. Feb 2024
Die Säntis-Vermarktung

Jakob Gülünay: Weshalb die Ostschweiz mehr zusammenarbeiten sollte und ob dereinst Massen von Chinesen auf dem Säntis sind

am 20. Apr 2024
Neues Buch «Nichts gegen eine Million»

Die Ostschweizerin ist einem perfiden Online-Betrug zum Opfer gefallen – und verlor dabei fast eine Million Franken

am 08. Apr 2024
Gastkommentar

Weltweite Zunahme der Christenverfolgung

am 29. Mär 2024
Aktionswoche bis 17. März

Michel Sutter war abhängig und kriminell: «Ich wollte ein netter Einbrecher sein und klaute nie aus Privathäusern»

am 12. Mär 2024
Teuerung und Armut

Familienvater in Geldnot: «Wir können einige Tage fasten, doch die Angst vor offenen Rechnungen ist am schlimmsten»

am 24. Feb 2024
Naomi Eigenmann

Sexueller Missbrauch: Wie diese Rheintalerin ihr Erlebtes verarbeitet und anderen Opfern helfen will

am 02. Dez 2023
Best of 2023 | Meine Person des Jahres

Die heilige Franziska?

am 26. Dez 2023
Treffen mit Publizist Konrad Hummler

«Das Verschwinden des ‘Nebelspalters’ wäre für einige Journalisten das Schönste, was passieren könnte»

am 14. Sep 2023
Neurofeedback-Therapeutin Anja Hussong

«Eine Hirnhälfte in den Händen zu halten, ist ein sehr besonderes Gefühl»

am 03. Nov 2023
Die 20-jährige Alina Granwehr

Die Spitze im Visier - Wird diese Tennisspielerin dereinst so erfolgreich wie Martina Hingis?

am 05. Okt 2023
Podcast mit Stephanie Stadelmann

«Es ging lange, bis ich das Lachen wieder gefunden habe»

am 22. Dez 2022
Playboy-Model Salomé Lüthy

«Mein Freund steht zu 100% hinter mir»

am 09. Nov 2022
Neue Formen des Zusammenlebens

Architektin Regula Geisser: «Der Mensch wäre eigentlich für Mehrfamilienhäuser geschaffen»

am 01. Jan 2024
Podcast mit Marco Schwinger

Der Kampf zurück ins Leben

am 14. Nov 2022
Hanspeter Krüsi im Podcast

«In meinem Beruf gibt es leider nicht viele freudige Ereignisse»

am 12. Okt 2022
Stölzle /  Brányik
Autor/in
Marcel Baumgartner

Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».

Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.