Hausbau, Umbau, Rückbau: Wer schon einmal mit einer Behörde das «Vergnügen» hatte, weiss, wie viele Vorschriften beachtet werden müssen – und mögen sie noch so stumpfsinnig sein. Dies gilt jedoch nicht für die Behörde selber. Für die gelten andere Regeln.
Etwa drei Millionen Franken kostet der neue Sportplatz Breiten in Waldkirch. Ganz schön viel, finden die einen – und haben damals ihr Nein in die Urne gelegt. Immerhin kamen so 593 Gegner zustande. Auf der anderen Seite befürworteten 825 Stimmen das Projekt.
Nach jahrelangen Abklärungen, wo denn der neue Sportplatz hinkommen soll, können sich nun die Fussballer auf dem Kunstrasenplatz austoben. So weit, so gut. Die Luft wird ihnen aber nicht nur während des Spiels das eine oder andere Mal knapp – angesichts der gefährlichen Lage dürfte das auch den Autofahrern oder Eltern passieren.
Der neue Sportplatz liegt etwas ausserhalb des Zentrums von Waldkirch. Die St.Pelagibergstrasse führt daran vorbei, und bis vor einiger Zeit betrug die Geschwindigkeitsbegrenzung hier 80 Stundenkilometer. Mittlerweile gilt Tempo 50. Dennoch rasen die Fahrzeuge flott hier vorbei – wie gesagt, bisher waren hier kaum Fussgänger anzutreffen. Doch genau auf dem angrenzenden Trottoir müssen nun die Kinder laufen, um auf den besagten Fussballplatz zu kommen. Das heisst, nicht ganz. Denn wie sie die stark befahrene Strasse überqueren sollen, ist ihnen überlassen: ein Fussgängerstreifen oder eine Verkehrsinsel fehlt da vollkommen.
Gerade jetzt, wenn es früh eindunkelt, ergeben sich haufenweise gefährliche Situationen. Die Kinder werden von den Autofahrern spät bemerkt, oder die Fussballer können es kaum erwarten, auf den Platz zu kommen und wechseln plötzlich die Strassenseite. Eine Frage der Zeit, bis es zu einem Unfall kommt. Doch weshalb wird ein 3-Millionen-Franken-Projekt bewilligt, wenn der Zugang nicht geregelt ist? Hat der Betrag nicht mehr für das bisschen Farbe gereicht? Nein. So weit soll es nämlich gar nicht kommen. Weshalb? Ganz einfach: Die Verantwortung wird den Kindern übertragen.
Gibt’s nicht? Gibt’s doch. Nach einer schriftlichen Nachfrage bei der Gemeinde wird betont, dass ein Fussgängerstreifen nicht als blosse Markierung zu verstehen ist, sondern wie ein Bauwerk geplant, projektiert und ausgeführt wird. Aha. Nur halten sich die Jahreszeiten leider nicht an das Tempo der Gemeinde, sondern es wird nun einmal jetzt früher dunkel. Und nicht erst dann, wenn die langwierigen Projekte fertig geplant sind. Aber die Gemeinde denkt ohnehin gar nicht daran, dies überhaupt in Angriff zu nehmen. «Fussgängerstreifen dürfen nur angeordnet werden, wenn seitens der Fussgänger ein gebündelter und regelmässiger Querungsbedarf besteht. Dieser ist bei mindestens 100 querenden Fussgängern während fünf Stunden pro Tag gegeben. Bei geringeren Fussgängerfrequenzen wird seitens der Norm aus Sicherheitsüberlegungen eine Querung ohne Fussgängerstreifen empfohlen.»
Jeden Abend trainieren verschiedene Stärkeklassen auf dem Platz – aber ob es nun genau 100 Kinder oder eben nur 98 sind, entzieht sich leider meiner Kenntnis. Aber schön, dass die Gemeinde offensichtlich einen besseren Überblick hat. Die Begründung, weshalb es keinen Fussgängerstreifen geben wird, wird aber noch ausführlicher. «Ebenfalls sollten Fussgängerstreifen nur bei einem durchschnittlichen täglichen Verkehr (DTV) von mehr als 3'000 Fahrzeugen pro Tag angeordnet werden. Im Moment liegt die Verkehrsmenge in diesem Bereich bei rund 2'500 Fz/t.» Da frage ich mich allen Ernstes: Wer zählt das? Und noch wichtiger – wen interessiert das? Da werden also wegen fehlenden 500 Fahrzeugen unnötige Gefahren in Kauf genommen – und scheinbar vergessen, dass die anderen 2500 Fahrzeuge eben mal ein Kind übersehen können? Welche Nachteile würden sich denn ergeben, wenn man einen Fussgängerstreifen realisieren würde, damit die Kinder wissen, an welcher Stelle sie über die Strasse sollen – und die Autofahrer, dass hier mit mehr Fussgängern als in der Vergangenheit zu rechnen ist?
Die Antwort geht weiter. Die Situation wurde natürlich geprüft, und bewusst auf einen Fussgängerstreifen verzichtet. Eine Querung werde dadurch nämlich nicht sicherer, sondern stelle lediglich den optimalsten Ort der Querung dar. Naja, DAS wäre immerhin schon ein Anfang. In diesem Sinne: Danke für nichts.
Manuela Bruhin (*1984) aus Waldkirch ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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