Der durchschnittliche IQ eines Menschen liegt bei 100. Guido Scherpenhuyzen gilt mit 140 als hochbegabt. Der Wiler liess sich erst vor wenigen Jahren testen und erhält darauf die unterschiedlichsten Reaktionen. Denn: Nicht alle sind Hochbegabten wohlgesinnt.
Guido Scherpenhuyzen, Sie haben erst relativ spät von Ihrer Hochbegabung erfahren. Wie kam es dazu?
Ja, das stimmt, ich habe mich erst im zarten Alter von 52 Jahren testen lassen. Eine hochbegabte Freundin hatte keine Zweifel daran und so habe ich mich heimlich an einen IQ-Test bei Mensa, der weltweit grössten Vereinigung Hochbegabter, angemeldet. Später wurde ich noch an der Uni Zürich auf Herz und Nieren, beziehungsweise auf meine kognitiven Fähigkeiten, getestet. Das Resultat war dasselbe.
Und zwar?
Mein IQ liegt bei etwa 140, aber was bedeutet das? Der Intelligenz-Struktur-Test I-S-T 2000R, den ich an der Uni abgelegt habe, misst das schlussfolgernde Denken in neun Aufgabengruppen, die den drei Kennwerten verbale, numerische und figural-räumlichen Intelligenz zugeordnet werden. Der Test wird dann mit rund 6‘000 Ergebnissen von anderen Schweizer Absolventinnen und Absolventen verglichen. Ich habe in der gleichen Zeit mehr Logikaufgaben richtig gelöst als 99.7% aller Teilnehmer. Ich denke also offenbar deutlich schneller, beziehungsweise in der gleichen Zeit wesentlich tiefer und breiter, als die Meisten.
Sie gehen recht offensiv damit um, signieren auch Ihre Mails entsprechend, halten Referate und sind in den Medien vertreten.
Gemäss unserer Studie bei 427 Schweizer Hochbegabten ist überdurchschnittliche Intelligenz am Arbeitsplatz ein Tabuthema. Andererseits belegen wissenschaftliche Studien, dass hohe Intelligenz die beste Prognose für beruflichen Erfolg ist. Ich unterstütze grössere Firmen dabei, diese Diskrepanz zu überbrücken und das brachliegende Potential im Sinne einer starken, innovativen Wirtschaft zu nutzen. Und übrigens signiere ich ausschliesslich meine geschäftlichen Mails von IQmeets.biz mit «hochbegabt», um klarzustellen, dass ich weiss, wovon ich rede und keinesfalls, um anzugeben.
Die Reaktionen lassen dennoch nicht lange auf sich warten und sind teilweise sehr angriffig. Stört Sie das?
Bescheidenheit und Fleiss sind tief verwurzelte Schweizer Tugenden. Einigen fällt es schwer, zu akzeptieren, dass wir nicht alle gleich intelligent sind. Neid oder Ängste entladen sich dann in undifferenzierten und interessanterweise ausschliesslich anonymen Onlinekommentaren. Wenn es persönlich wird, zieht mich das schon herunter – ich bin auch nur ein Mensch. Die positiven, persönlichen Rückmeldungen überwiegen aber zum Glück bei weitem.
Wie hat sich Ihr hoher IQ ausserdem in Ihrem Leben widerspiegelt? Sie sagten einmal, dass Sie jeweils sehr schnell gelangweilt sind. Hängt dies alles mit der Hochbegabung zusammen?
Meine hohen kognitiven Fähigkeiten haben meinen beruflichen Werdegang stark geprägt und zum Erfolg beigetragen. Ich habe früher oft den Job nach zwei, drei Jahren gewechselt, wenn sich Routine breit machte. Neue Herausforderungen reizten mich mehr. Unter Hochbegabten ein weit verbreitetes Lebensmuster. Die unterschiedlichen Denkweisen zu verstehen, kann helfen, Kommunikationsbarrieren zu bewältigen. Hochbegabte haben einen schier unersättlichen Wissensdurst. Sie interessieren sich für alles, was neu für sie ist und stellen Fragen, bis sie es genau verstanden haben. Neues Wissen speichern sie vernetzt, also in Zusammenhängen zu anderen Dingen, ab. So kumuliert sich schnell ein sehr breites und je nach persönlichen Interessensgebieten tiefes Wissen zu beinahe jedem Thema. Diagnostizierte Hochbegabte haben in den meisten Fällen gelernt, mit grossen Unterschieden an Wissen und Verstehen ihrer Gesprächspartner umzugehen und passen sich dem gegebenen Niveau an.
Das tönt anstrengend.
Das ist so und es kann sogar in Frustration münden. Nicht diagnostizierte Hochbegabte können daran verzweifeln. Sie verstehen nicht, weshalb andere ihren Gedanken nicht folgen können und sie als sprunghaft bezeichnet werden. Das sind Faktoren, die wir mit IQmeets.biz in Coachings aller Beteiligten beseitigen, so, dass das volle Potential entfaltet und zum Vorteil aller genutzt werden kann. Tatsächlich wurde ich selber einmal nach fünfzehn Jahren in der Geschäftsleitung entlassen, als Kommunikationsprobleme mit dem Inhaber auftraten. Leider hat er mich just in dem Moment entlassen, als er sich in einem von ihm initiierten Coaching hätte äussern sollen. So kann ich leider nicht abschliessend sagen, was der Hintergrund war.
Was denken Sie: Ist ein hoher IQ für Sie persönlich mehr Fluch oder Segen?
Für mich ist es ein Segen. Ich bin sehr froh und dankbar, so vieles verstehen zu dürfen und Spass daran zu haben. Und manchmal Fluch. Ich habe zum Beispiel Mühe, abzuschalten.
Wie macht sich ihr hoher IQ im Alltag und Berufsleben weiter bemerkbar?
Was sicher hervorsticht, ist, dass ich alles hinterfrage. Wer hat die Aussage gemacht? Worauf genau basiert sie? Welche Interessen sind vertreten? Wie wahrscheinlich ist das? Meine Kinder haben früher oft darunter gelitten, weil sie den Eindruck hatten, ich glaube ihnen nichts. Na ja, es waren auch einige haarsträubende Geschichten dabei. Ich stelle aber auch gerne vertiefende Fragen, um Zusammenhänge besser zu verstehen. Mit nicht hinterfragbarer Autorität und unumstösslichen Regeln tue ich mich schwer. Sie ersticken selbständiges Denken und Innovation.
Viele Hochbegabte haben in der regulären Schule Mühe, da sie unterfordert sind. Wie war es bei Ihnen? Warum wollten Sie beispielsweise nicht studieren?
Ich war einfach ein aufgeweckter Junge, dem die Schule richtig Spass machte. Bis zu dem Punkt, als keine Zeit mehr für Hintergründe oder Herleitungen da war und es nur noch darum ging, auswendig Gelerntes an Prüfungen wiederzugeben. Das hatte mit vernetztem Wissen und Verstehen nicht mehr viel zu tun. Ich war ein mittelmässiger Sekundarschüler, dem die Aufnahmeprüfung ans Gymi nicht gelang. Zum Glück habe ich dennoch eine sehr erfüllende Karriere hingelegt.
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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