Matthias Hassler
Sehr teuer, aber dennoch überwiegen die Vorteile: Auch in Krisenzeiten setzt die Hilti Gruppe auf den Wirtschaftsstandort Liechtenstein. Gerade die Corona-Pandemie habe die ausgeprägte Unternehmenskultur einmal mehr betont.
Mit fast 1'900 Arbeitgeber ist die Hilti Gruppe der zweitgrösste Arbeitgeber im Land. Und gerade die Corona-Krise hat verdeutlicht, dass die kurzen Wege zwischen den Unternehmen, Verbänden und Behörden ein klarer Vorteil bedeuten, sagt Mediensprecher Matthias Hassler. Auf der anderen Seite komme es in Krisen regelmässig zu einer Aufwertung des Schweizer Frankens. «Daraus ergab sich für das Geschäftsjahr 2020 ein negativer Währungseffekt auf den Umsatz von über fünf Prozent – also allein aufgrund der Konsolidierung in Schweizer Franken.» Als sehr teuer betitelt er den Wirtschaftsstandort, aber die liberale Wirtschaftspolitik, die hohe Rechtssicherheit und die gute Sozialpartnerschaft werten die Nachteile klar auf.
Für andere einstehen
Nebst all den Herausforderungen, welche die Corona-Pandemie mit sich brachte, hat sie auch gezeigt, wie gross der «familiäre Spirit» innerhalb des Unternehmens ist. Um die am stärksten betroffenen Kollegen zu unterstützen, wurde ein Solidaritätsfonds eingerichtet. «Über 2’300 Mitarbeitende von 14 Standorten, inklusive Management und Verwaltungsrat, verzichteten im zweiten Halbjahr 2020 auf fünf Prozent ihres Gehalts und erhielten dafür zusätzliche Kompensationstage», so Hassler weiter. Dadurch kamen 6,8 Millionen Franken zusammen, die das Unternehmen schliesslich verdoppelt hat. Mit den 13,6 Millionen Franken erhielten beispielsweise über 4’000 Mitarbeiter ein bis drei zusätzliche Monatsgehälter.
Matthias Hassler
Gemeinsames Ziel
Eine solche Unternehmenskultur entstehe jedoch nicht von heute auf morgen. Alle eineinhalb bis zwei Jahre durchlaufen alle, von den Mitarbeitenden bis hin zur Konzernleitung, dieselben Kultur-Workshops und setzen sich mit denselben Themen auseinander. Hassler: «Dadurch können wir als weltweites Team agieren und auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten: eine nachhaltige Wertgenerierung durch Differenzierung und Marktführerschaft.»
Die Corona-Krise habe die langfristige Orientierung für Kontinuität, Stabilität und Vertrauen gezeigt. Sämtliche Aktien des Konzerns befinden sich nach wie vor im Besitz des Martin Hilti Familien Trusts. Die Gründung wurde 1980 durch einen Erbverzicht der Familienmitglieder ermöglicht, dadurch sei der Trust auch unabhängig von allfälligen Familieninteressen. Der Trust stellte einen Kredit zur Verfügung und verzichtete auf eine Dividende, so Hassler. «Das stärkte die Liquidität des Unternehmens und trug dazu bei, dass wir die Arbeitsplätze erhalten und die Investitionen in strategische Projekte weiterführen oder sogar beschleunigen konnten.»
Hohes Investitionsvolumen
Im vergangenen Jahr wurde mit 6.7 Prozent des Umsatzes noch nie so viel in die Forschung und Entwicklung investiert. So kamen 2020 74 Neuprodukte auf den Markt, 2019 waren es 70. Schon davor lag der Durschnitt bei über 60 Neuprodukten pro Jahr. Die Weiterentwicklung sei für das Unternehmen essentiell, wie Hassler betont. Technologien, Materialien, Digitalisierung würden sich ständig weiterentwickeln und die Kunden hätten ein berechtigtes Interesse daran, von neuen Entwicklungen zu profitieren. Die Impulse kommen dabei aus verschiedenen Seiten der 30'000 Mitarbeitenden. Die zentrale Grundlage sei das Know-how des Teams in der Konzernforschung und den Entwicklungszentren an verschiedenen Standorten. Laut Hassler ist diese Basis intern und extern international vernetzt. «Wir haben über viele Jahre hinweg enge Partnerschafen mit führenden Universitäten und technischen Hochschulen etabliert. Darüber hinaus arbeiten wir in Normen- und Richtlinien-Gremien mit, weil dort Branchentrends frühzeitig identifiziert und untersucht werden.» Ein etwas jüngerer Zweig sei die Zusammenarbeit mit Startups. Hier nennt Hassler die Digitalisierung als wesentlichen Treiber. Der Innovationsfokus sei aber derselbe geblieben: Der Kunde stehe bei allen Entwicklungen im Zentrum und sei in den Prozess eingebunden. Der Direktvertrieb habe den Wettbewerbsvorteil, mit den Vertriebsteams und technischen Beratern sehr nahe am Kunden zu sein. Hassler betont, mit weltweit 250’000 Kontakten pro Tag die Bedürfnisse frühzeitig zu erkennen und in die Lösungsansätze einfliessen zu lassen. «Wir schauen genau hin und hören gut zu, weil es unser Anspruch ist, heute zu verstehen, was die Kunden morgen brauchen.»
Vom Bolzensetzgerät bis zu Systemlösungen
Die Hilti-Gründung erfolgte mitten in der Kriegszeit im Jahr 1941. Ende der 1940er-Jahre beschäftigten sich die Unternehmensgründer mit der Befestigungstechnik und entwickelten eine Direktbefestigungsmethode weiter, die 1957 im weltweit ersten Bolzensetzgerät, dem DX 100, mündete. Das war laut Mediensprecher Matthias Hassler ein technologischer Durchbruch, da die Einschlagenergie nicht mehr direkt auf den Befestigungsnagel, sondern auf einen Kolben übertragen wird, der den Nagel kontrolliert in den Untergrund treibt. Heute verfüge man über Direktbefestigungsgeräte, die mit Kartuschen (DX), Gas (GX) oder Akku (BX) betrieben werden. In diesem Kontext wurde der Direktvertrieb Ende der 1950er-Jahre zum zentralen Merkmal des Unternehmens und ist noch heute das grundlegende Geschäftsmodell von Hilti.
Der internationale Durchbruch gelang 1967 mit dem TE 17, dem ersten Bohrhammer mit elektropneumatischem Schlagwerk. Dieser markierte den Beginn der bis heute erfolgreichen und ständig erweiterten TE-Gerätefamilie.
2001 wurde mit der Einführung des Flottenmanagements ein neues Geschäftsmodell etabliert, das heute erheblichen Umsatzanteil hat. Die Kunden können für einen monatlichen Fixbetrag eine auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Geräteflotte mieten, Hilti übernimmt die gesamte Administration inkl. Reparaturen und dem Bereitstellen von Ersatzgeräten.
Heute ist Hilti ein Anbieter von Systemlösungen. Das Portfolio umfasst neben Geräten, Befestigungstechnik, Brandschutz, Software und Services zunehmend integrierte Lösungen, massgeblich ermöglicht durch die Nutzung der Digitalisierung. Beispielsweise zur Brandschutz-Dokumentation oder die Betriebsmittelverwaltung mit ON!Track. Auch BIM-fähige Lösungen (Building Information Modeling) für die digitale Planung und Übertragung der Daten auf die Baustelle gehören dazu. Neuere Innovationen sind der semi-autonome Baustellenroboter Jaibot für Deckenbohrungen oder das Exoskelett EXO-O1.
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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