Wie arbeiten wir konkret in fünf oder zehn Jahren? Darüber referiert Annina Coradi von Witzig The Office Company am Networking Tag in St.Gallen. Im Interview erklärt sie, wie neue Arbeitswelten an Bedeutung gewinnen und wie sie persönlich am liebsten arbeitet.
Annina Coradi, «9 to 5-Jobs» im Büro gelten immer mehr als veraltet, der Ruf nach Flexibilität wird grösser. Die gesamte Arbeitswelt befindet sich im Wandel. Wie erleben Sie das in Ihrer täglichen Arbeit?
Tatsächlich ist die aktuelle Dynamik in der Arbeitswelt sehr gross. Spannende Tendenzen in Richtung örtlich-zeitlich unabhängiges Arbeiten, wie sie sich aus der New Work Bewegung oder der schweizweiten Work Smart Initiative heraus entwickelt haben, sind aus unserem Arbeitsalltag nicht mehr wegzudenken. Unser gesamter Alltag stellt höhere Anforderungen, was Unabhängigkeit und Flexibilität betrifft. Anspruchsorientierte Arbeitsräume und flexible Arbeitsmodelle tragen diesen Veränderungen Rechnung und ermöglichen eine bessere Vereinbarkeit von Privat-und Arbeitsleben. Konkret: Wir stellen fest, dass Kooperationen und Kreativarbeit an Bedeutung gewinnen – planen und gestalten also dementsprechend für unsere Kunden Arbeitsumgebungen aus Modulen wie unterschiedliche Arbeitszonen, Coworking Spaces und Ideation Spaces.
Welchen Einfluss haben denn solche Raumkonzepte effektiv auf die Arbeit? Können sie wirklich so gestaltet werden, dass beispielsweise die Produktivität gesteigert wird?
Wo und wie arbeiten Sie wohl gerade? Und wie steht es um die Atmosphäre und Gestaltung der Arbeitswelt, in der Sie sich alltäglich bewegen? Innovative Unternehmen passen ihre Arbeitsumgebung den Bedürfnissen ihrer Mitarbeitenden an. Dabei geht es um nichts Geringeres als um Autonomie im Alltag, Glück und Gesundheit. Entsprechend ist Produktivität und Innovationskraft die Folge von Autonomie, Glück und Gesundheit.
Wie wirkt sich das auf Ihre Arbeit bei Witzig The Office Company aus?
Wir begleiten immer mehr Unternehmen bei der Planung und Gestaltung ihrer ganz persönlichen neuen Arbeitswelten, die dann wiederum die Grundlage für völlig neue Formen der Zusammenarbeit darstellen. Den Unternehmen geht es im eigentlichen Sinne um Arbeitskultur und Wertehaltungen. Aktuell sind Raumkonzepte im Trend, die eine Lernkultur in Form von Begegnung und Bewegung ermöglichen. So entstehen auch Verbundenheit mit Teamkollegen und Identifikation mit dem Unternehmen.
Wie sehen solche «perfekten» Räume denn aus?
Der «perfekte» Raum, wenn es ihn denn überhaupt gibt, erfüllt alle Ansprüche, die der individuelle Nutzer an ihn hat. Gut geplante Räume entstehen unter Einbindung der zukünftigen Nutzer und sind nie ganz fertig – da sie ungeplante, unordentliche und dynamische Bestandteile beinhalten dürfen. «One fits all» gibt es dabei nicht. Insofern sind gute Räume lebendige Orte, an denen man seine Spuren hinterlassen darf und die sich mit den Menschen, die darin arbeiten, entwickeln und verändern. Wir als Planer denken jeweils zuerst an den Menschen und dessen Bedürfnisse und erst danach an die Räume.
An Ihre Arbeit sind also hohe Anforderungen geknüpft.
Wir legen grossen Wert darauf, bei jedem Projekt eine saubere Analyse der Ausgangslage und gegenwärtigen Situation zu erstellen. Wenn wir mit konkreten Daten und Fakten arbeiten, gelingt es uns auch, die zukünftigen Ansprüche abzuleiten und in die Planung einfliessen zu lassen. Wir stellen fest, dass in den neuen Arbeitswelten die beiden Themen Gesundheit und Lernen stark an Relevanz gewonnen haben. Trotz oder wegen der steigenden Flexibilität in unserem Arbeitsalltag. Unsere Konzepte berücksichtigen diese Bedürfnisse und beinhalten Einflussfaktoren zum Planen und Bauen der gesunden Arbeitsumgebung.
In Ihrem Referat kommen Sie auch auf die Arbeitsweise in fünf oder zehn Jahren zu sprechen. Wie sieht die konkret aus?
Megatrends, wie die Automatisierung und Digitalisierung, verändern Arbeitsweisen und Arbeitsinhalte. So gewinnen wir Zeit, um weniger isoliert vor dem Computer, sondern vermehrt miteinander zu arbeiten. Wir sprechen von einer Humanisierung der Workflows. Die Menschen rücken ins Zentrum, prägen mit ihren Werten die Arbeitskultur und machen den Unterschied!
Das heisst?
Wir fragen uns offen und ehrlich, was wir mit unserer Arbeit tatsächlich leisten wollen. Diese Fragestellung findet man in der New Work Bewegung. New Work ist die «Arbeit, die wir wirklich wollen», per Definition vom amerikanischen Philosophen Frithjof Bergmann (1980er Jahre). Arbeiten und Leben kommen sich näher und die Sinn- und Zweckfrage darf offen gestellt werden. Konventionelle Arbeitsmodelle, mit Präsenzzeiten von «9 to 5», verlieren an Attraktivität – flexible, individualisierte Modelle hingegen gewinnen an Raum und Bedeutung. Ausserdem hoffe ich, dass zukünftig immer mehr Unternehmen auch offen über relevante Themen sprechen, die weit über die Arbeit im engeren Sinne hinausgehen, sie allerdings wesentlich tangieren – wie beispielsweise Ernährung, Familie und Sport. Dadurch entsteht transformative Qualität!
Wie arbeiten Sie persönlich am liebsten?
Am liebsten arbeite ich nicht nur mit meinem Gehirn, sondern ganzheitlich auch mit meinem Körper – in Bewegung, im Austausch, mit Emotionen, im Stehen, am Whiteboard und so weiter. Wir nehmen uns körperlich im Raum wahr, was wiederum zeigt, wie wichtig Raumgestaltung und Design sind. Einer meiner Lieblingsorte ist unser «Ideation Space» in Zürich Altstetten, dort ist working gleich doing! Und ein weiterer Lieblingsort ist draussen in der Natur, dort kann ich intensiv nachdenken, mit Luft nach oben.
Was denken Sie, wohin die Reise künftig geht? Homeoffice, Coworking Spaces oder doch wieder eher zurück zum traditionellen Modell?
Ich gehe davon aus, dass die Diversität unterschiedlicher Modelle zunimmt. Unsere Jugend, die zukünftige Workforce, spricht allerdings weniger von Modellen, sondern von der Bedeutung der Arbeit, von Sinn und Zweck. Da kommt eine geballte Kraft mit neuen Werten auf uns zu, zum Glück!
Alle Infos zum Networking-Tag vom 6. September finden Sie hier.
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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