Die Appenzeller Künstlerin Haviva Jacobson stellt ihre Werke derzeit in Frauenfeld aus. Beim Angriff der radikal-islamischen Hamas im vergangenen Oktober weilte sie in ihrem Heimatland. Als Reaktion lud sie Kunstschaffende zu einer Ausstellung ein.
«Ich bin in einem kleinen Kibbuz unweit der libanesischen Grenze aufgewachsen», erzählt Haviva Jacobson. Die in ihren Kindertagen erfahrene Nähe zur Natur prägt das künstlerische Werk der arrivierten Künstlerin, die seit 1992 mit ihrem Schweizer Mann in Appenzell lebt. 2001 erhielt sie den Förderpreis der Kulturstiftung Appenzell Innerrhoden.
Naturprozesse
Anna Villiger, Kuratorin der Ausstellung in der städtischen Galerie Baliere in Frauenfeld, zieht eine Parallele zwischen dem kreativen Akt des Zeichnens mit dem organischen Wuchern von Pflanzen im Werk von Haviva Jacobson. Bezeichnenderweise trägt die Bilderschau den Titel «Wildwuchs».
Bei Betrachten ihrer Werke assoziiert man unwillkürlich mit Prozessen in der Natur: wucherndes Moos, von Flechten gebildete Strukturen, Sporenmuster von Pilzen, vom Wind weggetragene Samen von Löwenzahn, Wolkenformationen in Bewegung sowie Verästelungen von Nervenzellen.
Kreative Spontanität
Die ausgestellten Werke sind keine präzisen Abbildungen von Vorgängen, sondern erinnern vielmehr an unterschiedliche fliessende Metamorphosen in der Natur. «Die Ausstellung lädt die Betrachtenden dazu ein, sich auf die faszinierende Reise durch die der künstlerischen Spontanität und natürlichen Schönheit zu begeben», fordert Kuratorin Villiger auf.
Prägende Atelieraufenthalte
Seit einem Atelieraufenthalt im Tessin vor sechs Jahren betont die Kunstschaffende vermehrt das Zeichnerische in ihrer Arbeit. «In so einem Atelier hat man wenig Werkmaterialen zur Verfügung», erzählt Haviva Jacobson im Gespräch mit «Die Ostschweiz». In der Folge reduziert man die Arbeitsweise auf die vor Ort vorhanden Ausdrucksmedien.
In der Ausstellung in Frauenfeld sind Zeichnungen zu sehen, die in Atelieraufenthalten in Basel, Santa Maria und Genua entstanden sind. Unter anderem werden handgefertigte Kacheln gezeigt. Auf Basis von Handzeichnungen entstanden sie in Genua in Zusammenarbeit mit Marcella Diotto. Sie sind Beispiele dafür, wie die 1961 geborene Kunstschaffende mit unterschiedlichen Ausdrucksmedien experimentiert. Beispielsweise wurde eine einzelne ältere Arbeite auf eine Gipsfaserplatte aufgetragen. «Je nach Material muss man sehr schnell und spontan arbeiten, oder aber man muss viel Geduld aufbringen», erzählt Jacobson.
Bedrohungen in der Kindheit
In der Kindheit der Kreativen sind nicht nur die Wurzeln ihrer künstlerischen Tätigkeit und ihrer Nähe zur Natur zu finden, sie wurde auch von den wiederholten Raketenangriffen von radikalen Palästinensern aus dem Libanon begleitet. Dies bedeutete immer wieder Übernachten in einem gesicherten Schutzraum.
Aufruf an Ostschweizer Kunstschaffende
Während des Überfalls der radikal-islamische Hamas im letzten Oktober auf Bewohner im Süden Israels, weilte Haviva Jacobson in den Ferien in ihrer Heimat. Nach ihrer Rückkehr nach Appenzell startete sie eine spontane Solidaritätsaktion: Sie lud über zwei Dutzend Ostschweizer Künstlerinnen und Künstler zu einer Ausstellung in ihrem Haus ein. Die Hälfte des Verkaufserlöses ging an die Sapir Hochschule, die an der Grenze zum von der Hamas überfallen Gebiet steht. Dort arbeitet eine Freundin von Haviva Jacobson.
Die Resonanz auf die Solidaritätsausstellung war sehr positiv und nachhaltig, erzählt die Künstlerin: «Während dem Einkaufen oder bei anderen Gelegenheiten wurde ich während Monaten von Passanten angesprochen.» Die grosse Anteilnahme habe für sie wie Seelenbalsam gewirkt.
Aufmerksamkeit für die Situation
Wie sie betont, ging es ihr mit ihrer Ausstellung in Appenzell nicht nur um Geldbeschaffung für durch den Überfall in Not geratene Studierende und ihre Angehörigen, sie wollte auch die die Aufmerksamkeit für das Thema und für die Verschleppten aufrecht erhalten.
«Der Überfall der Hamas hat den schlimmsten Schrecken in Israel verursacht, aber auch ihre eigene Bevölkerung in grosse Not gebracht», sagt die Mutter zweier erwachsener Kinder. Über die Situation im Gaza-Streifen empfindet Haviva Jacobson grosse Traurigkeit. Diese fliesst auch in ihr Werk ein, wie sie auf Nachfrage erzählt.
Ausstellungsdauer: bis 24.3.2024; Donnerstag 17 – 20 Uhr; Samstag 14 – 18 Uhr; Sonntag 14 - 18 Uhr; die Künstlerin ist zu den Öffnungszeiten anwesend. Ort: Stadtgalerie Baliere, Balierestrasse 26, 8500 Frauenfeld
Fotos: Adrian Zeller
Adrian Zeller (*1958) hat die St.Galler Schule für Journalismus absolviert. Er ist seit 1975 nebenberuflich, seit 1995 hauptberuflich journalistisch tätig. Zeller arbeitet für diverse Zeitschriften, Tageszeitungen und Internetportale. Er lebt in Wil.
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