Wer sich mit Teufelsaustreibung beschäftigt, stösst auch auf den Filmklassiker «Der Exorzist». Mit seinen Diensten habe das aber nichts zu tun, erklärt Beat Schulthess, Major der Heilsarmee Zürich-Oberland. Viel mehr sei es ein Befreiungsdienst. Wäre es nicht eher ein Fall für den Psychiater?
Bei diesem Beitrag handelt es sich um eine ergänzende Information zu einem im Printmagazin «Die Ostschweiz» publizierten Artikel. Das Magazin kann via abo@dieostschweiz.ch bestellt werden.
Beat Schulthess, was unterscheidet Sie, den Befreiungsdiener, von einem katholischen Exorzisten?
Der Hauptunterschied ist, dass im Katholizismus der kleine und der grosse Exorzismus durchgeführt werden. Dies sind bestimmte Rituale und Abhandlungen. Ein katholischer Geistlicher, der solche Zeremonien durchführt, ist ein Exorzist. Der Befreiungsdienst wird der hilfesuchenden Person sehr individuell angepasst und beinhaltet keine festgelegten Rituale.
Schadet Ihr Befreiungsdienst mit all seinen Geistern und Dämonen nicht dem positiv besetzten Bild der Heilsarmee?
Die Heilsarmee wird in weiten Teilen der Bevölkerung als ein soziales Werk wahrgenommen und weniger als eine Kirche. Die Heilsarmee ist aber eine Kirche mit einem starken sozialen und diakonischen Bereich. In eine Kirche gehört nach meinem Verständnis die Verkündigung des Evangeliums. Zur Verkündigung, wie ich sie in der Bibel wahrnehme, gehört die Wortverkündigung, der Heilungsdienst und der Befreiungsdienst. Das tun wir mit unserer Arbeit hier in Uster. Heilsarmeeintern gibt es verschiedene Ansichten betreffend unserem Dienst. Wir sind aber immer wieder im Dialog mit unserer Leitung, einen guten Mittelweg zu finden. Ausserhalb der Heilsarmee gibt es sicher Menschen, die Mühe damit haben, dass die Heilsarmee auch im Bereich des Befreiungsdienstes tätig ist. Da kann es auch vorkommen, dass Spender «verlorengehen». Aber: Wir erleben hier in Uster insgesamt das Gegenteil. Wir erfahren durch unseren Dienst sehr viel Sympathie und gewinnen auch neue Spender.
Ist der Exorzismus beziehungsweise die Dämonenbefreiung noch zeitgemäss? Sollte man dieses Gebiet nicht vielmehr der Psychotherapie überlassen?
Dieser Dienst ist sehr zeitgemäss! Man denke nur an die Coronakrise. Viele Kinder und Erwachsenen waren zu Hause und es wurde viel Ungutes an Filmen, zum Beispiel okkulte und Pornografie, konsumiert. Der Konsum von Gratisporno stieg in gewissen Ländern bis zu 50 Prozent während der Coronakrise. Da gerieten viele in starke Abhängigkeiten. Es muss nicht, aber es kann sein, dass bei solch einem Konsum auch finstere Mächte von Menschen Besitz ergreifen. Gerade nach dem Konsumieren von okkulten Filmen, wie zum Beispiel «Rosmaries Baby» oder «Der Exorzist», haben immer wieder, auch junge Leute, Suizid gemacht. Auch heutzutage übergeben sich viele junge Menschen durch die Verschreibung mit ihrem Blut dem Teufel oder betreiben okkulte Praktiken. Auch dies führt sehr oft zu Dämonisierungen. Zu uns kommen viele Menschen, die Sodomie betreiben. Auch hier kann es wieder zu Beeinflussungen durch finstere Mächte kommen. Viele Menschen sind enorm dankbar, dass sie frei werden.
Es gibt keine biblischen Belege, dass Dämonen auch Gebäude besetzen würden und trotzdem bieten Sie einen Häuserbefreiungsdienst an. Warum?
Dem stimme ich in keiner Art und Weise zu. Nach dem Bibeltext aus dem Buch der Offenbarung* wurde der Teufel auf die Erde geworfen. Er und sein finsterer Herr haben seit da Einfluss auf dieser Welt. Dieser Einfluss wird sicher auch vor Häusern keinen Halt machen. Der Begriff Häuserbefreiung ist etwas unglücklich. Man könnte auch einfach sagen: «Gebet in Häusern».
Sie sagen der «Fleisches- und Augenlust» sie sei ein Zeichen dämonischer Besessenheit. Ist da nicht vielmehr Ausdruck eines puritanischen Gesellschafts- und Menschenbildes?
Das hat nichts mit «Sittenstrenge» oder allzu ernster Lebensführung zu tun. Es hat damit zu tun, dass es sehr viele Menschen gibt, die ihr Leben, ihre Ehe ruinieren, weil sie nicht zwischen mein und dein unterscheiden können. In Gedanken, in Blicken, in Fantasien, in Taten und so weiter. Augenlust führt sehr oft zu Ehebruch, zuerst in Gedanken und dann in Taten. Im Corona-Seelsorgetelefon, das wir während der Krise betrieben haben, haben sehr viele Menschen Ehebruchbekenntnisse abgegeben. Ich habe übrigens nie gesagt, dass Augenlust und Fleischeslust automatisch zu Dämonisierungen führen wird. Es kann, aber es muss nicht.
* Offenbarung an Johannes, 12, 7-9: Dann brach im Himmel ein Krieg aus. Michael kämpfte mit seinen Engeln gegen den Drachen. Der Drache schlug mit seinen Engeln zurück; aber er wurde besiegt. Er und seine Engel durften nicht länger im Himmel bleiben. Der grosse Drachen wurde hinuntergestürzt! Er ist die alte Schlange, die auch Teufel oder Satan genannt wird und die ganze Welt verführt. Mit allen seinen Engeln wurde er auf die Erde hinuntergestürzt.
Michel Bossart ist Redaktor bei «Die Ostschweiz». Nach dem Studium der Philosophie und Geschichte hat er für diverse Medien geschrieben. Er lebt in Benken (SG).
Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.