Heidi Hanselmann hat genug: Sie tritt nach 16 Jahren im März 2020 nicht mehr zu den Wahlen in die St.Galler Regierung an. Die SP ist gefordert, eine mögliche Nachfolge zu präsentieren. Aller Voraussicht nach wird sie weiblich sein. Die Auswahl ist nicht riesig, aber es gibt sie.
Es gibt kein Gesetz, wonach man Mitglied des Kantonsrats sein muss, um für den Regierungsrat zu kandidieren. Der abtretende FDP-Regierungsrat Martin Klöti beispielsweise war bei seiner Wahl Stadtpräsident von Arbon, also noch nicht einmal im Kanton St.Gallen politisch aktiv. Aber wer das aktuelle Gremium und auch frühere Zusammensetzungen betrachtet, merkt schnell: Es ist doch eher die Regel als die Ausnahme, dass man im Parlament sitzt, um in Frage zu kommen.
Die SP hat mit Fredy Fässler einen Mann in der Regierung, SP-Frau Heidi Hanselmann geht. Auch (oder gerade) wenn im März 2020 andere weibliche Kandidaturen möglich sind - beispielsweise Esther Friedli für die SVP oder Christine Bolt für die FDP -, kann es sich die SP kaum leisten, einen Mann für ihren frei werdenden Sitz zu nominieren. Ein männliches SP-Doppel in der Regierung wäre ein schlechtes Symbol für eine Partei, welche die Frauenförderung sehr gross schreibt.
Nimmt man die beiden Kriterien zusammen, bleibt eine relativ überschaubare Alternative an Möglichkeiten, also an weiblichen Kantonsratsmitgliedern. Sie müssen darüber hinaus im Idealfall bereits in der Vergangenheit politisch aufgefallen sein.
Im Fall der SP stechen zwei Namen heraus: Die von Bettina Surber und Laura Bucher, die sich das Fraktionspräsidium teilen. Mit Jahrgang 1981 (Surber) und 1984 (Bucher) liegen sie im unteren Bereich, aber immer noch halbwegs in der Spannweite dessen, was - ob zu Recht oder Unrecht - viele Wählerinnen und Wähler als angemessen für ein Regierungsamt sehen. Bucher ist seit 2010 im Kantonsparlament, Surber seit 2012. Zur Erinnerung: Heidi Hanselmann wurde nach acht Jahren im Kantonsrat in die Regierung gewählt. Grünschnäbel sind beide Politikerinnen damit definitiv nicht mehr. Und mit ihrer Wahl zu Fraktionspräsidentinnen hat die SP auch vorgespurt für höhere Aufgaben.
Theoretisch denkbar, aber weniger wahrscheinlich ist es, dass mit Monika Simmler eine weitere Kantonsrätin in die Auswahl kommt. Sie ist erst seit dieser Amtszeit im Kantonsrat, und für sie ist die Sache mit Jahrgang 1990 wohl auch etwas zu früh. Übrigens: Alle drei Frauen sind Juristinnen beziehungsweise Rechtsanwältinnen (Surber, Bucher).
Natürlich wird die SP den Blick auch ausserhalb des Kantonsratssaals schweifen lassen. Im Unterschied zu FDP und CVP ist sie aber nicht reich gesegnet mit einem anderen Fundus, der in der Vergangenheit dankbar war für die Suche nach Kandidaturen: Die Gemeindepräsidien. Auch auf dem nationalen Parkett tummelt sich niemand, dem Ambitionen für ein kantonales Regierungsamt nachgesagt werden.
Wer auch immer ins Rennen steigt: In Stein gemeisselt ist es nicht, dass die SP den zweiten Sitz in der Regierung halten kann. Heidi Hanselmann holte diesen 2004 nach zwischenzeitlichem Verlust zurück. Inzwischen hat sich vieles verändert. Gerade das Erstarken der grünen Kräfte könnte dazu führen, dass diese nun endlich den Sprung in die Regierung schaffen wollen, die SVP könnte es mit einer starken Kandidatur durchaus schaffen, erstmals in ihrer Geschichte mit zwei Regierungsmitgliedern vertreten zu sein. Umso mehr Gewicht erhält die Frage, wen die SP bringt.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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