Eine Aktionärsversammlung strapaziert immer die Nerven der Bankenlenker. Denn jeder Aktionär hat das Recht, das Wort zu ergreifen. Nur nutzt’s nichts.
Das Hallenstadion war wohlgefüllt, auf dem Podium sassen zum letzten Mal die Hauptverantwortlichen für den Untergang der Credit Suisse. Sie hatten sich von Corporate Communication salbungsvolle Worte schnitzen lassen und baten mit Trauermiene um Entschuldigung. Aber da sei halt nichts zu machen gewesen. Das wurde mit Pfiffen aus dem Publikum quittiert.
Als wäre der Untergang nach 167 Jahren eine schicksalhafte griechische Tragödie. Dabei ist er menschengemacht. Die Schuldigen tragen Namen und haben Multimillionen abgezügelt. Sie werden aber von Urs Rohner abwärts völlig ungeschoren davonkommen.
Das wussten natürlich auch die Bankenlenker, die sich am Dienstag zum letzten Mal den Unmut der Aktionäre anhören mussten. Allerdings: Im Saal anwesend waren 1748 Aktionäre. Sie vereinigten 13 Millionen Stimmen auf sich. Pipifax, im Vergleich zu insgesamt 1,6 Milliarden Aktienstimmen.
Grossaktionäre lassen sich bei solchen Versammlungen gar nicht erst blicken. Sie haben schon zuvor dem Verwaltungsrat bekannt gegeben, wie sie abstimmen werden – und ihre Stimmrechte an einen Vertreter delegiert. Speziell an diesem letzten Anlass der CS war: Es kam nicht einmal eine Stimmbeteiligung von über 50 Prozent zustande. Was bedeutet: Den meisten Grossaktionären waren die Abstimmungsergebnisse schlichtweg schnurz.
Entweder spielten die sowieso keine Rolle mehr, da die Bank zwar noch faktisch, aber kaum mehr inhaltlich unabhängig existiert. Oder aber, diverse Grossaktionäre haben sowieso schon Klagen auf den Weg gebracht, weil sie sich durch das Gebaren der Schweizer Regierung und der Behörden über den Tisch gezogen fühlen.
Sowohl der lachhafte Verkaufspreis von etwas über 3 Milliarden Franken als auch das Abschreiben von Zwangswandelanleihen in der Höhe von 16 Milliarden Franken auf null werden natürlich nicht klaglos hingenommen.
Manchmal witzig, aber völlig harmlos waren dagegen die endlosen Voten erboster Kleinaktionäre. Wobei die Mehrheit der Anwesenden eine Weile lang das Spektakel wohl genoss, aber nach dem gefühlt 200. Redner knurrt dann der Bauch vernehmlich, und das Aufnahmevermögen ist erschöpft.
Zudem wurde auch bereits von allen alles gesagt, und zwar mehrfach. Es ist halt der übliche Reigen von enttäuschten, wütenden, manchmal zu Galgenhumor neigenden Kleinaktionären, die ein letztes Mal ihrer ohnmächtigen Frustration Ausdruck geben.
Obwohl ihr letzter und absurder Versuch, nochmals Sonderboni rauszuschlagen, gescheitert war, hörten sich VRP Lehmann und CEO Körner das Gewäffel tapfer und mit steinerner Miene an.
Sie wissen: Es wird ihnen nichts geschehen, kein Haar gekrümmt werden, kein Rappen des unverdienten Multimillionengehalts abgeknapst. Denn sie sind völlig haftungsfrei, verantwortungs- und gewissenlos.
So war diese letzte GV der einstmals stolzen Bank bereits um 15.30 Uhr vorbei. Die 1748 anwesenden Aktionäre strömten den Ausgängen zu. Dahinter lockten Bratwurst, Kartoffelsalat, Käse- oder Spinatwähe. Zum Runterspülen gab es immerhin Wein.
Die anwesenden Aktionäre vereinigten 13 Millionen Stimmen auf sich. Ein Pipifax im Vergleich zu insgesamt 1,6 Milliarden Aktienstimmen. Dennoch hatten die anwesenden Aktionäre etwas zu feiern.
Schon die Wiederwahlen des Verwaltungsrats erfolgten mit hauchdünnen Mehrheiten von jeweils knapp über 50 Prozent. Noch enger wurde es bei der Vergütung. Diejenige des VR für das laufende Jahr wurde mit sauknappen 50,42 Prozent angenommen. Aber bei der Geschäftsleitung krachte es dann: Vergütung abgelehnt.
Das würde bedeuten, dass CEO Ulrich Körner und die anderen Nieten in Nadelstreifen 2023 ohne Grundgehalt arbeiten müssten. Und der Antrag auf einen Sonderbonus war schon vor der GV nach grossem Gebrüll zurückgezogen worden. Aber sicherlich wird die Bank auch hier einen letzten Winkelzug finden, der dieses ungnädige Schicksal verhindert. Es muss sicherlich nicht gesammelt werden, und auch das RAV muss keine Aufwartung brotloser GL-Mitglieder der CS befürchten.
Das war’s dann für die Credit Suisse, wie wir sie kannten. Sie wird innerhalb der UBS noch ein Weilchen weiterleben, bis der eine Dinosaurier den anderen vollständig verdaut hat. Aber die CS wird noch ein zweites Leben als Zombie führen. Und zwar in vielen Gerichtssälen auf der ganzen Welt.
Denn die ersten Klagen sind bereits eingereicht, eine ganze Prozesslawine rollt auf die CS, damit auch auf die UBS, zu. 16 Milliarden Zwangswandelanleihen per FINMA-Dekret auf null abgeschrieben, das lässt sich kein Grossinvestor gefallen. Die Aktionäre rasiert und die Bank zum Schnäppchenpreis weggeben: auch das bleibt nicht folgenlos.
Vor allem aber: ob der Schweizer Steuerzahler auch diesmal ungeschoren davonkommt wie bei der Rettung der UBS? Das steht in den Sternen. Auf Erden stehen immerhin insgesamt 259 Milliarden Franken im Risiko, die der Bundesrat per Notrecht flüssig gemacht hat. Vielleicht der Moment, sich an den Schweizerpsalm zu erinnern: «Betet, freie Schweizer, betet.»
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