logo

Zeyer zur Zeit

Klägliches Ende einer stolzen Bank

Eine Aktionärsversammlung strapaziert immer die Nerven der Bankenlenker. Denn jeder Aktionär hat das Recht, das Wort zu ergreifen. Nur nutzt’s nichts.

«Die Ostschweiz» Archiv am 05. April 2023

Das Hallenstadion war wohlgefüllt, auf dem Podium sassen zum letzten Mal die Hauptverantwortlichen für den Untergang der Credit Suisse. Sie hatten sich von Corporate Communication salbungsvolle Worte schnitzen lassen und baten mit Trauermiene um Entschuldigung. Aber da sei halt nichts zu machen gewesen. Das wurde mit Pfiffen aus dem Publikum quittiert.

Als wäre der Untergang nach 167 Jahren eine schicksalhafte griechische Tragödie. Dabei ist er menschengemacht. Die Schuldigen tragen Namen und haben Multimillionen abgezügelt. Sie werden aber von Urs Rohner abwärts völlig ungeschoren davonkommen.

Das wussten natürlich auch die Bankenlenker, die sich am Dienstag zum letzten Mal den Unmut der Aktionäre anhören mussten. Allerdings: Im Saal anwesend waren 1748 Aktionäre. Sie vereinigten 13 Millionen Stimmen auf sich. Pipifax, im Vergleich zu insgesamt 1,6 Milliarden Aktienstimmen.

Grossaktionäre lassen sich bei solchen Versammlungen gar nicht erst blicken. Sie haben schon zuvor dem Verwaltungsrat bekannt gegeben, wie sie abstimmen werden – und ihre Stimmrechte an einen Vertreter delegiert. Speziell an diesem letzten Anlass der CS war: Es kam nicht einmal eine Stimmbeteiligung von über 50 Prozent zustande. Was bedeutet: Den meisten Grossaktionären waren die Abstimmungsergebnisse schlichtweg schnurz.

Entweder spielten die sowieso keine Rolle mehr, da die Bank zwar noch faktisch, aber kaum mehr inhaltlich unabhängig existiert. Oder aber, diverse Grossaktionäre haben sowieso schon Klagen auf den Weg gebracht, weil sie sich durch das Gebaren der Schweizer Regierung und der Behörden über den Tisch gezogen fühlen.

Sowohl der lachhafte Verkaufspreis von etwas über 3 Milliarden Franken als auch das Abschreiben von Zwangswandelanleihen in der Höhe von 16 Milliarden Franken auf null werden natürlich nicht klaglos hingenommen.

Manchmal witzig, aber völlig harmlos waren dagegen die endlosen Voten erboster Kleinaktionäre. Wobei die Mehrheit der Anwesenden eine Weile lang das Spektakel wohl genoss, aber nach dem gefühlt 200. Redner knurrt dann der Bauch vernehmlich, und das Aufnahmevermögen ist erschöpft.

Zudem wurde auch bereits von allen alles gesagt, und zwar mehrfach. Es ist halt der übliche Reigen von enttäuschten, wütenden, manchmal zu Galgenhumor neigenden Kleinaktionären, die ein letztes Mal ihrer ohnmächtigen Frustration Ausdruck geben.

Obwohl ihr letzter und absurder Versuch, nochmals Sonderboni rauszuschlagen, gescheitert war, hörten sich VRP Lehmann und CEO Körner das Gewäffel tapfer und mit steinerner Miene an.

Sie wissen: Es wird ihnen nichts geschehen, kein Haar gekrümmt werden, kein Rappen des unverdienten Multimillionengehalts abgeknapst. Denn sie sind völlig haftungsfrei, verantwortungs- und gewissenlos.

So war diese letzte GV der einstmals stolzen Bank bereits um 15.30 Uhr vorbei. Die 1748 anwesenden Aktionäre strömten den Ausgängen zu. Dahinter lockten Bratwurst, Kartoffelsalat, Käse- oder Spinatwähe. Zum Runterspülen gab es immerhin Wein.

Die anwesenden Aktionäre vereinigten 13 Millionen Stimmen auf sich. Ein Pipifax im Vergleich zu insgesamt 1,6 Milliarden Aktienstimmen. Dennoch hatten die anwesenden Aktionäre etwas zu feiern.

Schon die Wiederwahlen des Verwaltungsrats erfolgten mit hauchdünnen Mehrheiten von jeweils knapp über 50 Prozent. Noch enger wurde es bei der Vergütung. Diejenige des VR für das laufende Jahr wurde mit sauknappen 50,42 Prozent angenommen. Aber bei der Geschäftsleitung krachte es dann: Vergütung abgelehnt.

Das würde bedeuten, dass CEO Ulrich Körner und die anderen Nieten in Nadelstreifen 2023 ohne Grundgehalt arbeiten müssten. Und der Antrag auf einen Sonderbonus war schon vor der GV nach grossem Gebrüll zurückgezogen worden. Aber sicherlich wird die Bank auch hier einen letzten Winkelzug finden, der dieses ungnädige Schicksal verhindert. Es muss sicherlich nicht gesammelt werden, und auch das RAV muss keine Aufwartung brotloser GL-Mitglieder der CS befürchten.

Das war’s dann für die Credit Suisse, wie wir sie kannten. Sie wird innerhalb der UBS noch ein Weilchen weiterleben, bis der eine Dinosaurier den anderen vollständig verdaut hat. Aber die CS wird noch ein zweites Leben als Zombie führen. Und zwar in vielen Gerichtssälen auf der ganzen Welt.

Denn die ersten Klagen sind bereits eingereicht, eine ganze Prozesslawine rollt auf die CS, damit auch auf die UBS, zu. 16 Milliarden Zwangswandelanleihen per FINMA-Dekret auf null abgeschrieben, das lässt sich kein Grossinvestor gefallen. Die Aktionäre rasiert und die Bank zum Schnäppchenpreis weggeben: auch das bleibt nicht folgenlos.

Vor allem aber: ob der Schweizer Steuerzahler auch diesmal ungeschoren davonkommt wie bei der Rettung der UBS? Das steht in den Sternen. Auf Erden stehen immerhin insgesamt 259 Milliarden Franken im Risiko, die der Bundesrat per Notrecht flüssig gemacht hat. Vielleicht der Moment, sich an den Schweizerpsalm zu erinnern: «Betet, freie Schweizer, betet.»

Einige Highlights

Uzwilerin mit begrenzter Lebenserwartung

Das Schicksal von Beatrice Weiss: «Ohne Selbstschutz kann die Menschheit richtig grässlich sein»

am 11. Mär 2024
Im Gespräch mit Martina Hingis

«…und das als Frau. Und man verdient auch noch Geld damit»

am 19. Jun 2022
Das grosse Gespräch

Bauernpräsident Ritter: «Es gibt sicher auch schöne Journalisten»

am 15. Jun 2024
Eine Analyse zur aktuellen Lage

Die Schweiz am Abgrund? Wie steigende Fixkosten das Haushaltbudget durcheinanderwirbeln

am 04. Apr 2024
DG: DG: Politik

«Die» Wirtschaft gibt es nicht

am 03. Sep 2024
Gastkommentar

Kein Asyl- und Bleiberecht für Kriminelle: Null-Toleranz-Strategie zur Sicherheit der Schweiz

am 18. Jul 2024
Gastkommentar

Falsche Berechnungen zu den AHV-Finanzen: Soll die Abstimmung zum Frauenrentenalter wiederholt werden?

am 15. Aug 2024
Gastkommentar

Grenze schützen – illegale Migration verhindern

am 17. Jul 2024
Sensibilisierung ja, aber…

Nach Entführungsversuchen in der Ostschweiz: Wie Facebook und Eltern die Polizeiarbeit erschweren können

am 05. Jul 2024
Pitbull vs. Malteser

Nach dem tödlichen Übergriff auf einen Pitbull in St.Gallen: Welche Folgen hat die Selbstjustiz?

am 26. Jun 2024
Politik mit Tarnkappe

Sie wollen die angebliche Unterwanderung der Gesellschaft in der Ostschweiz verhindern

am 24. Jun 2024
Paralympische Spiele in Paris Ende August

Para-Rollstuhlfahrerin Catherine Debrunner sagt: «Für ein reiches Land hinkt die Schweiz in vielen Bereichen noch weit hinterher»

am 24. Jun 2024
Politik extrem

Paradox: Mit Gewaltrhetorik für eine humanere Gesellschaft

am 10. Jun 2024
Das grosse Bundesratsinterview zur Schuldenbremse

«Rechtswidrig und teuer»: Bundesrätin Karin Keller-Sutter warnt Parlament vor Verfassungsbruch

am 27. Mai 2024
Eindrucksvolle Ausbildung

Der Gossauer Nicola Damann würde als Gardist für den Papst sein Leben riskieren: «Unser Heiliger Vater schätzt unsere Arbeit sehr»

am 24. Mai 2024
Zahlen am Beispiel Thurgau

Asylchaos im Durchschnittskanton

am 29. Apr 2024
Interview mit dem St.Galler SP-Regierungsrat

Fredy Fässler: «Ja, ich trage einige Geheimnisse mit mir herum»

am 01. Mai 2024
Nach frühem Rücktritt: Wird man zur «lame duck»?

Exklusivinterview mit Regierungsrat Kölliker: «Der Krebs hat mir aufgezeigt, dass die Situation nicht gesund ist»

am 29. Feb 2024
Die Säntis-Vermarktung

Jakob Gülünay: Weshalb die Ostschweiz mehr zusammenarbeiten sollte und ob dereinst Massen von Chinesen auf dem Säntis sind

am 20. Apr 2024
Neues Buch «Nichts gegen eine Million»

Die Ostschweizerin ist einem perfiden Online-Betrug zum Opfer gefallen – und verlor dabei fast eine Million Franken

am 08. Apr 2024
Gastkommentar

Weltweite Zunahme der Christenverfolgung

am 29. Mär 2024
Aktionswoche bis 17. März

Michel Sutter war abhängig und kriminell: «Ich wollte ein netter Einbrecher sein und klaute nie aus Privathäusern»

am 12. Mär 2024
Teuerung und Armut

Familienvater in Geldnot: «Wir können einige Tage fasten, doch die Angst vor offenen Rechnungen ist am schlimmsten»

am 24. Feb 2024
Naomi Eigenmann

Sexueller Missbrauch: Wie diese Rheintalerin ihr Erlebtes verarbeitet und anderen Opfern helfen will

am 02. Dez 2023
Best of 2023 | Meine Person des Jahres

Die heilige Franziska?

am 26. Dez 2023
Treffen mit Publizist Konrad Hummler

«Das Verschwinden des ‘Nebelspalters’ wäre für einige Journalisten das Schönste, was passieren könnte»

am 14. Sep 2023
Neurofeedback-Therapeutin Anja Hussong

«Eine Hirnhälfte in den Händen zu halten, ist ein sehr besonderes Gefühl»

am 03. Nov 2023
Die 20-jährige Alina Granwehr

Die Spitze im Visier - Wird diese Tennisspielerin dereinst so erfolgreich wie Martina Hingis?

am 05. Okt 2023
Podcast mit Stephanie Stadelmann

«Es ging lange, bis ich das Lachen wieder gefunden habe»

am 22. Dez 2022
Playboy-Model Salomé Lüthy

«Mein Freund steht zu 100% hinter mir»

am 09. Nov 2022
Neue Formen des Zusammenlebens

Architektin Regula Geisser: «Der Mensch wäre eigentlich für Mehrfamilienhäuser geschaffen»

am 01. Jan 2024
Podcast mit Marco Schwinger

Der Kampf zurück ins Leben

am 14. Nov 2022
Hanspeter Krüsi im Podcast

«In meinem Beruf gibt es leider nicht viele freudige Ereignisse»

am 12. Okt 2022
Stölzle /  Brányik
Autor/in
«Die Ostschweiz» Archiv

«Die Ostschweiz» ist die grösste unabhängige Meinungsplattform der Kantone SG, TG, AR und AI mit monatlich rund einer halben Million Leserinnen und Lesern. Die Publikation ging im April 2018 online und ist im Besitz der Ostschweizer Medien AG.

Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.