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Zeyer zur Zeit | Geraubte Kunst

Kommt davon, wenn man Raubkunst an Diktatoren zurückgibt

Nigeria hat von Deutschland alle sogenannten Benin-Bronzen zurückerhalten. Und an die Oba-Königsfamilie weitergereicht. Ein Skandal mit Ansage.

«Die Ostschweiz» Archiv am 07. Mai 2023

Die Kopfblätter von Tamedia haben nichts Besseres zu tun, als weiterhin von einem «Streit um das M-Wort» zu berichten. Für solche, die mit diesen Abkürzungen nichts anfangen können: Das M-Wort steht für den unaussprechlichen Mohren; das N-Wort hingegen wechselweise für Neger oder Nazi.

Auf jeden Fall gibt es in Zürich – wie auch in St. Gallen – doch tatsächlich Häuser, an denen das M-Wort prangt. Eines heisst «Zum Mohrenkopf», das andere «Zum Mohrentanz». Glücklicherweise wurde der Versuch der Zürcher Stadtregierung gestoppt, diese Inschriften abzudecken.

Aber neben dem Tanz um eingebildete Fälle von Rassismus (so behauptet Tamedia doch tatsächlich, diese Inschriften seien es), gibt es ein zweites Thema, das Gutmenschen und Liebhaber des Gerechten und Richtigen die Wände hochtreibt. Das Thema Raubkunst.

Das bezieht sich nicht nur auf Kunstwerke, die einmal in jüdischem Besitz waren; die Schlacht um die Bührle-Sammlung in Zürich ist nur ein Schauplatz solcher Verirrungen. Ein noch viel grösseres Thema sind Kunstwerke, die im Verlauf der Kolonisation in kolonialisierten Ländern geraubt und in europäische Sammlungen oder Museen überführt wurden.

Was soll mit ihnen geschehen? Die Befürworter des Verbleibs in europäischen Museen argumentieren damit, dass diese Kunstwerke angesichts der ständigen Wirren, Bürgerkriege und Metzeleien in Schwarzafrika (oder sollte man das Gebiet S-Afrika nennen?) wohl schon längst zerstört worden wären. Befürworter einer Rückgabe sagen, dass es nicht sein kann, dass Europa Kunstschätze behält, die einwandfrei ihren damaligen Besitzern gestohlen worden waren.

Es gibt einen aktuellen Fall, der die ganze Tragweite der Tragödie einer solchen Rückgabe illustriert. Auch in der Schweiz gibt es noch einig Exemplare der sogenannten Benin-Bronzen. Das sind Tafeln und Figuren, die seit dem 16. Jahrhundert den Königspalast des Königreichs Benin schmückten.

Sie wurden von englischen Kolonisatoren entwendet und an verschiedene Sammlungen in Europa verkauft, einige Dutzend davon landeten auch in deutschen Museen. Dieses Königreich Benin gibt es nicht mehr, sein Gebiet gehört heute zu Nigeria. Also forderte Nigeria schon seit langem die Rückgabe dieser Benin-Bronzen von Deutschland.

Die links-grüne Regierung der Bundesrepublik erhörte diesen Wunsch. Im Dezember 2022 reiste die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock nach Nigeria, begleitet von der Kulturstaatssekretärin Claudia Roth, um sich strahlend mit dem nigerianischen Kulturminister fotografieren zu lassen. Dabei wurden die Benin-Bronzen offiziell übergeben, angeblich, um koloniale «Wunden zu heilen».

1897 waren sie als Beutekunstwerke nach England gelangt, 2022 wurden sie endlich dem Rechtsnachfolger der damaligen Besitzer übergeben. Wunderbar, so siegt spät die Gerechtigkeit. Dieser Akt der Wiedergutmachung wurde in den Medien breit bejubelt.

Keine Zeile wert ist auch den Schweizer Mainstream-Medien allerdings, was danach geschah. Denn Deutschland hatte nicht nur die Rückgabe der Kunstwerke zugesagt, sondern auch knapp 5 Millionen Euro für den Bau eines staatlichen Museums in der Hauptstadt des nigerianischen Bundesstaats Edo. In Benin-City sollten dann diese Artefakte dem «Volk» präsentiert werden. Der damalige SPD-Aussenminister Heiko Mass war extra angereist, um sich die Pläne des Stararchitekten zeigen zu lassen. Nur verröchelten all diese edlen Absichten wie so manche in Schwarzafrika, Pardon, S-Afrika.

Das Museum ist längst zu einem deutschen PR-Pavillon geschrumpft, in dem einige wenige Stücke gezeigt werden sollen. Denn nachdem die Sammlung in den Besitz der nigerianischen Regierung gelangt war, hatte die nichts Besseres zu tun, als sie dem Oba-Clan auszuhändigen. Oder im nigerianischen Amtsdeutsch: «die Eigentumsrechte sämtlicher Benin-Artefakte, die 1897 im Königspalast geplündert und anderswo im Benin-Reich gesammelt wurden, werden dem Oba von Benin übertragen». Dazu gehört auch die «Aufbewahrung und Verwaltung». Das bedeutet: der Oba-König kann nach Belieben entscheiden, wo und wie er die Artefakte zeigen will. Sein Interesse an einer Ausstellung in einem staatlichen Museum war allerdings schon immer sehr, sehr gering.

Nun ist es nicht so, dass die deutsche Aussenministerin von dieser Entscheidung überrascht worden wäre. Denn bereits seit zwei Jahren werden solche Benin-Bronzen, etwa aus Cambridge, nach der Übergabe sofort an Oba übertragen. Woraus niemand ein Geheimnis macht. Also war es ein reiner PR-Stunt, ein schönes Fotomotiv, sich so antikolonialistisch an der Seite eines korrupten nigerianischen Ministers zu zeigen. Dabei ist es allgemein bekannt: die nigerianische Regierung ist bei den Wahlen auf die Unterstützung des Oba-Clans angewiesen, also zeigt sie sich so erkenntlich.

Aber damit der Absurditäten nicht genug. Oba werden die Herrscher des Königreichs Benin genannt, das nicht mit dem heutigen Staat zu verwechseln ist. Im 15. und 16. Jahrhundert blühte hier der Sklavenhandel, betrieben von der Kolonialmacht Portugal – und kräftig unterstützt von den Oba-Herrschern. Ein nicht unbedeutender Teil der insgesamt 13 Millionen nach Übersee verschleppten Sklaven wurden von den Opa-Herrschern eingefangen und den Portugiesen weiterverkauft. Denn diese beherrschten zwar die Umschlags- und Hafenplätze, aber Expeditionen ins Landesinnere zwecks Einfangen von Sklaven, das war den Kolonialisten viel zu gefährlich. Diese Drecksarbeit erledigten schwarze Herrscher für sie.

Also wurden Kunstwerke, die durch Sklavenhandel damals erworben wurden, später von Engländern geraubt und heutzutage von Deutschen an die Vertreter einer heute noch existierenden Oberschicht zurückgegeben, deren Vorfahren sich schwerer Verbrechen an der Menschlichkeit schuldig gemacht hatten und heute vor jedem internationalen Strafgerichtshof schuldig gesprochen würden. Das ist etwa so absurd, wie wenn man von Nazis auf Kosten von Juden erworbene Kunst, die dann wiederum den Nazis weggenommen wurde, an die Nachfahren der Nazi-Besitzer zurückgeben würde. Ein weiteres Beispiel dafür, wohin falsch verstandene Wiedergutmachung, das unreflektierte Hantieren mit Begrifflichkeiten von Schuld, Kolonialerbe, Rassismus, Wiedergutmachung führt. Schlichtweg dahin, dass im ewigen Kreislauf von Unrecht, auf das weiteres Unrecht gestülpt wurde, nochmaliges Unrecht hinzugefügt wird.

Genauso wenig, wie durch eine Überdeckung, durch das Abkratzen oder durch eine «Kontextualisierung» von historischen Häusernamen Gerechtigkeit hergestellt würde, genauso wenig wird durch die Rückgabe von Kunstwerken an die Nachfahren ihrer Besitzer, die sie damals durch verbrecherische Massnahmen, durch Sklavenhandel erwerben konnten, irgend eine Form einer «Wiedergutmachung» geleistet. Die Prognose sei gewagt, dass ein Grossteil dieser zurückgegebenen Schätze auf Nimmerwiedersehen verschwinden wird – nicht zuletzt in Privatsammlungen europäischer Liebhaber, an die sie von den korrupten und geldgierigen nigerianischen Clans verkauft werden.

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«Die Ostschweiz» ist die grösste unabhängige Meinungsplattform der Kantone SG, TG, AR und AI mit monatlich rund einer halben Million Leserinnen und Lesern. Die Publikation ging im April 2018 online und ist im Besitz der Ostschweizer Medien AG.

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