Spätestens seit dem Start von ChatGPT ist das Thema «Künstliche Intelligenz (KI)» in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen.
Kaum eine Zeitung, kaum ein Nachrichtenmagazin, das sich nicht mit den neuen Möglichkeiten, aber auch den Gefahren und Fragen, die diese neue Technologie mit sich bringt, auseinandergesetzt hat. Dabei ist ChatGPT nur eine KI-Anwendung unter vielen. Musik komponieren, Bilder und sogar Videos erstellen, Geschichten schreiben - die Anwendungen scheinen endlos. Doch welche Relevanz hat KI-Technologie für den Tourismus?
Erste Ansätze liefert ein Beispiel von Wörthersee Tourismus, das Mitte Februar die erste rein KI-basierte Werbekampagne auf Youtube lancierte. Obwohl sowohl die Story, die Bilder als auch die Musik zum Teil beeindruckend echt wirken: Die clevere Absicht der Macher*innen dieses aussergewöhnlichen Werbevideos war hier sicherlich in erster Linie, das aufmerksamkeitsstarke Momentum des Themas zu nutzen. So schreibt die Tourismusorganisation auf der Landingpage selbst: «Zugegeben, die Bilder sind nicht schlecht. Aber für ein echtes persönliches Erlebnis muss man den Wörthersee schon selbst besuchen.» Echte Erlebnisse lassen sich zum Glück (noch) nicht künstlich erzeugen.
Und doch: KI eröffnet auch in der Kommunikation von Tourismusunternehmen und Destinationen vielfältige Möglichkeiten. Was in spezialisierten Agenturen bereits Einzug gehalten hat, ist die (Vor-)Erstellung von Texten mit Diensten wie Chat-GPT - sei es für inspirierende Blogs, informative Newsletter oder unterhaltsame Social Media Beiträge. Denkbar ist auch, dass KI-Tools die Funktion eines virtuellen Reisebegleiters übernehmen, welcher die Nutzer*innen bei der Urlaubsplanung unterstützt und vor Ort mit personalisierten Vorschlägen zu Aktivitäten und Sehenswürdigkeiten versorgt. Darüber hinaus werden auch viele Chatbot-Lösungen, die bereits heute im Kundensupport auf Webseiten eingesetzt werden, unter Druck geraten, da ChatGPTs bereits heute eine bessere Unterstützung bei Fragen oder Problemen bieten können.
Im Gegensatz zu bekannten Suchmaschinen wie Google und Co. liefern Sprachdienste keine klassische Trefferliste mit verschiedenen Ergebnissen, die die Nutzer*innen selbst filtern können. Man erhält einzelne Antworten, die durchaus logisch klingen, aber auch völlig falsche Sachverhalte wiedergeben können. Wer KI-Sprachdienste schon einmal selbst ausprobiert hat, wird schnell feststellen: Diesen Modellen fehlt noch die (menschliche) Fähigkeit, kritisch zu denken und bei der Zusammenstellung von Einzelinformationen einzelne Nuancen voneinander zu unterscheiden. Was ChatGPT als Fakten präsentiert, ist also in vielen Fällen derzeit noch mit Vorsicht zu genießen.
Wie bei der Digitalisierung generell gilt auch für KI-Dienste: Sie sind nur so gut wie die Daten, auf die sie zurückgreifen können. Gerade bei dieser wichtigen Grundlagenarbeit sollten Tourismusorganisationen als Anbieter von redaktionell hochwertig aufbereiteten digitalen Informationen künftig eine noch relevantere Rolle im touristischen Netzwerk einnehmen. Bei Heidiland Tourismus haben wir bereits 2018 in unserer Ausrichtung als Organisation festgehalten, dass im Rahmen des Content Managements die Aufbereitung von qualitativ hochwertigen digitalen Inhalten oberste Priorität hat. So haben wir gemeinsam mit anderen Ostschweizer Destinationen im Rahmen des NRP-Projekts OPEN.DATA die Grundlagen geschaffen, um Informationen zu touristisch relevanten Points of Interest wie Restaurants, Sehenswürdigkeiten, öffentliche Infrastruktur in unserer Destination maschinenlesbar aufzubereiten. Mittlerweile stehen unseren Gästen über 300 digital erfasste und redaktionell gepflegte Wander-, Bike- und Schneeschuhtouren in unserem Outdoor-Portal zur Verfügung. Die Kernaufgabe von Tourismusorganisationen, touristisch relevante Informationen zu sammeln, aufzubereiten und dem Gast über geeignete Kanäle zur Verfügung zu stellen, wird also nicht so schnell verschwinden. Im Gegenteil: Sie wird durch ChatGPT und Co. noch wichtiger. Damit das reale Erlebnis auch in Zukunft hält, was die künstliche Intelligenz verspricht.
Orlando Bergamin ist Geschäftsführer der Heidiland Tourismus AG.
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