Etwas mehr Gelassenheit würde uns gut anstehen.
Von 264 bis 241 v. Chr. führten die Römer den bis dahin längsten Krieg in ihrer Geschichte und den ersten von insgesamt drei gegen die Karthager. Letztere waren Ersteren nicht nur ebenbürtig, sondern haushoch überlegen, was Schlachten auf hoher See anbelangte. Doch als kriegserprobte und gelassene Realisten und Pragmatiker warfen die Römer den Bettel nicht einfach hin. Sie liessen sich nicht von einer Weltuntergangsstimmung übermannen und gewannen am Ende alle drei Kriege. Nehmen wir die «Gründerväter» Europas als Vorbild.
Freut euch des Lebens
Krisen kommen und gehen. Das wussten die alten Griechen und Römer wie auch die Menschen zu Zeiten von König Ludwig XIV. Anders als heute war der Tod während des Barockzeitalters allgegenwärtig. An einer Seuche, in einem Krieg oder durch Hunger zu sterben, war um ein Vielfaches wahrscheinlicher, als ein hohes Alter zu erreichen. Trotzdem steht wohl kaum eine Epoche der jüngeren europäischen Vergangenheit für mehr Lebensfreude als jene des Sonnenkönigs. Gerade weil der Tod stets präsent war, versuchten die Menschen, jeden Tag zu geniessen und etwas daraus zu machen.
«Apokalypse» überall
Demgegenüber sehen wir uns derzeit mit einer beinahe schon pathologischen Weltuntergangsstimmung konfrontiert. Ja, wir hatten zwei Jahre lang eine Pandemie. Und ja, in Europa findet derzeit wieder ein Krieg statt. Ja, den Klimawandel gibt es auch noch. Krisen kommen und gehen. Bisher ist die Welt nicht untergegangen – entgegen den Weissagungen von Endzeitprophetinnen und -propheten unterschiedlicher Zeiten und Couleur. In diesem Zusammenhang sollten wir uns auch nicht für allzu wichtig halten. In einem Universum mit Milliarden Galaxien sind wir schlichtweg vernachlässigbar.
Carpe diem et memento mori
Etwas weniger Weltuntergangsstimmung und etwas mehr Gelassenheit würden uns gut anstehen. Statt überall nur Probleme zu sehen, sollten wir pragmatisch nach realistischen Lösungen suchen. Oft habe ich den Eindruck, dass Menschen Probleme künstlich schaffen, wenn nicht sogar herbeisehnen, um sich darin bestätigt zu sehen, dass der Weltuntergang naht. Ich halte mich lieber an Horaz’ «Carpe diem!», ohne hierbei zu vergessen, dass das Leben eben irgendwann endet: «Memento mori!»
Michael Lindenmann (*1989) studierte Geschichte und Deutsche Sprach- und Literaturwissenschaft an den Universitäten Zürich und Basel. Nach Stationen bei Swisscom und einer Zürcher PR-Agentur zog es ihn wieder in die Ostschweiz, um für eine St.Galler PR-Agentur zur arbeiten. Nach sechs Jahren wechselte er als Head of Communications and Community Management zur St.Galler Agentur am Flughafen. Er lebt in der Äbtestadt Wil.
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