Kürzlich gab Quickpac bekannt, dass Milo Stössel, Gründer von Quickmail, seit 1. Januar neu CEO der Quickpac AG ist. «Die Ostschweiz» hat sich mit ihm über die Paketlandschaft Schweiz, Klimaneutralität und Wachstumsprognosen unterhalten.
Herr Stössel, seit Januar sind Sie CEO der Quickpac AG, gleichzeitig aber auch Verwaltungsrat der Quickmail Holding AG. Kommen sich die zwei Hüte nicht in die Quere?
Nein, ganz und gar nicht. Wir haben und hatten schon immer kurze Wege und eine klar definierte Rollenverteilung zwischen der operativen Führung bei Quickpac und unserem Verwaltungsrat, der Quickmail Holding AG. Unser Verwaltungsrat ist ein eingespieltes Team mit guter Balance zwischen Innen- und Aussensicht auf die unternehmerischen Tätigkeiten von Quickpac.
Wie gut geht es der Schweizer Paketbranche nach der Pandemie?
Während der Schweizer Paketmarkt im letzten um rund fünf Prozent schrumpfte, wächst Quickpac weiterhin schnell und kontrolliert. Letztes Jahr haben wir 5,1 Millionen Pakete zugestellt. Das sind 50 Prozent mehr Pakete als 2021. Die Pandemiejahre sorgten für einen beschleunigten Anstieg der Paketzahlen. 2022 haben sich die Mengen in der Folge nun etwas stabilisiert. Exemplarisch hört man immer wieder, dass sich die Menschen in der Pandemie ihre Homeoffice-Ausstattung nach Hause liefern liessen. Solche Onlinekäufe sind heute weniger stark ausgeprägt als während der Pandemie. Dennoch sind Home Delivery und nachhaltiger E-Commerce ein Megatrend, der auch in den nächsten Jahren für konstant wachsende Paketmengen sorgen wird. Die umweltfreundliche und leise Zustellung per Elektroauto wird dabei zum Standard werden. Spannende Innovationen werden wir im Bereich der Sendungsverfolgung, -steuerung und möglicher Retournierung von zu Hause aus sehen. Auch hier haben wir mit Quickpac Grosses vor.
Zurück zum Wachstum im letzten Jahr: Wie haben Sie das geschafft?
Wir wachsen derzeit in allen Bereichen. Wir haben 2022 sage und schreibe drei Depots in zehn Monaten eröffnet. Eine unglaubliche Teamleistung. Oder anders formuliert: Unsere Haushaltsabdeckung steigt stetig und wir gewinnen laufend neue Onlinehändler als neue Kunden. Hinzu kommt, dass viele bestehende Kunden uns im vergangenen Jahr prozentual mehr Pakete zur nachhaltigen Zustellung anvertraut haben. Unsere Kunden anerkennen die Pionierarbeit, die wir mit unserer 100 Prozent elektrischen Zustellung auf der letzten Meile vollbringen und schätzen die kundenorientierte, moderne und flexible Zustelllösung.
Wo sehen Sie noch weiteres Wachstumspotenzial für die Quickpac AG?
Wir machen 2023 dort weiter, wo wir letztes Jahr aufgehört haben: Neue Kunden, grössere Haushaltsabdeckung und prozentual mehr anvertraute Pakete. Darüber hinaus legen wir dieses Jahr einen besonderen Fokus auf das Thema «Connectivity». Das bedeutet, dass wir es Onlineshops noch einfacher machen, Pakete mit Quickpac zu versenden. Ein grosses Thema sind dabei einfache, schnelle und vor allem standardisierte Schnittstellen zu unseren Logistiksystemen direkt in den Shopsystemen unserer Kunden. So können Versender ihre bestehenden Versandprozesse künftig noch schneller und ohne unnötigen IT-Aufwand mit Quickpac verbinden.
Als erster Paketdienst setzt Quickpac flächendeckend auf Elektroautos und betreibt die grösste 100 %-Elektroautoflotte der Schweiz. Machen Ihnen die höheren Energiekosten zu schaffen?
Das stimmt. Wir sind der einzige Akteur, der eine reine Elektroflotte betreibt. Natürlich sind die Energiekosten ein nicht unerheblicher Kostenfaktor. Man muss dabei jedoch zwei Aspekte berücksichtigen: Erstens sind wir zu 100 Prozent von unserer Elektroauto-Strategie überzeugt; da bringen uns auch höhere Energiekosten nicht vom Weg ab. Die Elektromobilität ist der Weg in die Zukunft. Alle Mitbewerber springen nun auf den Zug auf und beginnen, ihre Zustellflotte zu elektrifizieren. Quickpac ist First Mover. Es ist klar, dass wir mit unserer These richtig liegen.
Zweitens sind wir mit unserer rein elektrischen Flotte in Sachen Energieverbrauch sehr gut aufgestellt. Fossile Treibstoffe als Alternative sind ebenfalls deutlich teurer geworden. Wir sehen uns als junges Unternehmen an der Schnittstelle zwischen IT und Logistik. Dieses Selbstverständnis hilft uns, mit schlanken und effizienten Prozessen zu arbeiten und unsere Entwicklung agil zu steuern.
Zwei Beispiele mögen dies verdeutlichen: Wir verfügen über eine riesige Datenmenge aus dem Betrieb unserer E-Flotte und können zum Beispiel die Strombetankung unserer Fahrzeuge in Abhängigkeit von Stromverfügbarkeit, anstehender Paketmenge, Länge der jeweiligen Zustelltour etc. optimal steuern. Das bedeutet, dass wir vor allem nachts laden können, wenn ausreichend Strom zur Verfügung steht und dieser zudem günstiger ist.
Ein weiteres Beispiel ist, dass wir bei der Paketsortierung auf unser innovatives, dezentrales Farbsortierverfahren setzen. Damit können wir als einer von wenigen Paketdiensten auf riesige Sortieranlagen verzichten, die in der Anschaffung viel Kapital binden und im Betrieb viel Energie verbrauchen.
Arbeiten Sie auch an der CO₂-Neutralität oder ist Quickpac bereits klimaneutral?
Unser Klimaschutzpartner myclimate hat errechnet, dass wir heute pro Paket rund 370 Gramm CO₂ einsparen im Vergleich zu einem Paket, das mit einem Dieselfahrzeug vergleichbarer Grösse zugestellt wird. Das ist viel, aber natürlich noch nicht genug. Teil unserer Mission ist es, Versendern und Empfängern möglichst emissionsarme Lösungen für den Pakettransport insgesamt anzubieten. Auf der letzten Meile sind wir mit unserer rein elektrisch betriebenen Flotte absolute Pioniere. Bis 2025 werden wir nun auch die zweitletzte Meile, also den Transport zwischen unseren Depots, zu 100 Prozent elektrifizieren. Rund 80 Prozent unseres verbrauchten Stroms stammt aus erneuerbaren Energiequellen. Darüber hinaus müssen wir uns, wie alle anderen auch, kontinuierlich hinterfragen, wo wir im Tagesgeschäft noch umweltfreundlicher werden können. Wie können wir Versender dabei unterstützen, ihre Ware ohne unnötiges Verpackungsmaterial zu versenden? Können wir gemeinsam mit unseren Vermietern auf den Dächern unserer Depots eigenen Strom produzieren? Mit Fragen wie diesen beschäftigen wir uns kontinuierlich.
Wagen Sie ein Blick in die Zukunft: Wie werden Pakete im Jahr 2033 verschickt und transportiert?
Wir sind überzeugt, dass sich die Paketempfängerinnen auch in zehn Jahren ihre Pakete vermehrt nach Hause liefern lassen. Abholstellen werden wie heute eine Ergänzung zur Hauszustellung bleiben. Elektroautos werden zum Standard für die Zustellung. Lastenfahrräder sehen wir als Ergänzung, aber nicht als Ersatz für die Zustellung mit grösseren Fahrzeugen, allein schon wegen der enormen Paketmengen und der dazu fehlenden Kapazitäten. Die Kunden werden sich genau Zustellfenster auswählen können; werden Pakete abholen lassen, wie und wann sie wollen, werden in Supermärkten Pakete abholen oder abgeben können. Drohnen werden eine gewisse Rolle spielen in zehn Jahren, aber nicht flächendeckend, sondern eher für gewisse Spezialzustellungen.
Ein grosser Wunsch und ein Ziel, das wir konsequent verfolgen ist, dass Empfänger bis dahin Freiheit bei der Auswahl des gewünschten Zustellpartners haben. Denn schon heute wollen viele Online-Käuferinnen ihre Pakete nachhaltig und leise geliefert bekommen. Onlinehändler lassen dies zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht alle zu.
Michel Bossart ist Redaktor bei «Die Ostschweiz». Nach dem Studium der Philosophie und Geschichte hat er für diverse Medien geschrieben. Er lebt in Benken (SG).
Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.