Mit der Änderung von Filmgesetz und Transplantationsgesetz hat das Bundesparlament in der Herbstsession gleich zwei Gesetzesänderungen beschlossen, welche nicht unproblematisch sind. Gegen beide wurde das Referendum ergriffen.
Das erste der beiden Referenden richtet sich gegen die Änderung des Filmgesetzes (FiG), wobei die Gesetzesneuerung vom Jungparteien-Referendumskomitee auch als „Lex Netflix“ bezeichnet wird. Dies ist keineswegs unberechtigt, ist doch die gewichtigste aller vorgenommenen Gesetzesanpassungen die neue Pflicht von Unternehmen, die in der Schweiz Filme zeigen oder Streamingdienste anbieten, dass diese mindestens 4% ihrer Bruttoeinnahmen für das schweizerische Filmschaffen aufwenden oder eine entsprechende Ersatzabgabe bezahlen (Art. 24b nFiG).
Mit anderen Worten: Netflix, wohl der grösste der betroffenen Anbieter, spendet entweder 4% seines Umsatzes (nota bene nicht Gewinns) in der einen oder anderen Form an die Schweizer Filmbranche – oder er zahlt eine gesetzlich vorgesehene Ersatz-Mediensteuer in gleicher Höhe. Worin aber liegt die moralische Rechtfertigung für einen derartigen Zwang zulasten privater Unternehmen?
Wenn jemand Steuern zahlt, so hofft er natürlich, dass er Polizei, Sanität und Feuerwehr so selten wie möglich benötigt. Doch er sichert dieses Risiko ab, da vereinzelte Lebensrisiken jeden treffen können. Anders verhält es sich beim Konsum von Alltagsgütern: Ob jemand einen bestimmten Film ansieht oder nicht, ist mithin nicht vom Zufall abhängig, sondern ein individueller, eigenverantwortlicher Konsumentenentscheid.
Werden zur Beeinflussung privater Konsumentenentscheide nun aber Steuermittel aufgewendet, bewegt sich der Staat offenkundig nicht mehr im Bereich des Schutzes des Einzelnen gegen Gefahren, die (zumindest theoretisch) jeden treffen können. Vielmehr mutiert er zum Nanny State, welcher einmal mehr den Einzelnen zum vermeintlich Guten erziehen will. Damit aber verliert jene Staatstätigkeit aus freiheitlicher Sicht ihre Existenzberechtigung. Andere für privat-freiwilligen Konsum zahlen zu lassen, ist und bleibt moralisch verwerflich.
Eine ähnliche Erziehung zum vermeintlich Guten liegt auch der zweiten Vorlage zugrunde, gegen welche das Referendum ergriffen wurde – nämlich der Einführung der Widerspruchslösung im Bereich der Organspende.
So soll künftig beim Tod einer Person gemäss neuer Vermutung des Gesetzgebers die Organentnahme zulässig sein, wenn eine über 16-jährige Person dieser nicht vor ihrem Ableben widersprochen hat (Art. 8 Abs. 1 i.V.m. Art. 8a nTransplantationsgesetz). Dies stellt natürlich nichts anderes als eine 180-Grad-Umkehr der heutigen Rechtslage dar, wonach eine Organentnahme nicht ohne explizite Zustimmung des Betroffenen zulässig ist.
Zwar ist die aktuelle Gesetzesänderung noch vergleichsweise „human“, da sie immerhin den Beizug der nächsten Angehörigen vorsieht und bei Fehlen solcher die Organentnahme noch immer verbietet. An der Grundproblematik, dass a) Angehörige bisweilen auch gegen den Willen des Betroffenen handeln, wie jeder Jurist, der schon mit Familien- oder Erbrecht zu tun hatte, bestens wissen sollte, sowie b) dass der Staat seine Macht auch und gerade für Pharmainteressen einsetzt, ändert dies jedoch nichts.
Zu berücksichtigen ist nämlich, dass Organe mitnichten nur für die direkte Transplantation und „Rettung eines anderen Menschenlebens“ entnommen werden, sondern auch für die Herstellung von oder Forschung an medizinischen Transplantatprodukten, die unter das Heilmittelrecht fallen. Es wäre allerdings sehr naiv, zu denken, dass in jenem Medizinalbereich keine finanziellen Interessen vorhanden sind.
Hinzu kommt, dass die vorgesehene Gesetzesänderung ein bundesweites, wiederum staatliches Register schafft, welches über Zustimmung, Widerspruch oder andere Willensäusserungen zur Spenderbereitschaft Auskunft gibt. Wenn man also über eine gesunde Staatsskepsis verfügt – und nach anderthalb Jahren Covid-Notrecht sollte man dies im medizinrechtlichen Bereich definitiv – sowie anerkennt, dass der Staat seine Macht (trotz aller guten Absichten) partiell schon immer missbraucht hat und auch immer missbrauchen wird, kann man definitiv keiner Beweislastumkehr wie der Widerspruchslösung zustimmen. Alles andere wäre schlicht eine Freigabe des eigenen Körpers auf Vorrat und wider jede Vernunft.
MLaw Artur Terekhov ist selbstständiger Rechtsvertreter in Oberengstringen ZH.
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