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Politischer Wandel

Machtablösung in der Mitte-Hochburg Wil: «Keine ideologische Fantasieideen»

In den letzten zwei Jahrzehnten wandelten sich die politischen Kräfteverhältnisse in Wil. In der ehemaligen CVP-Hochburg ist die SVP zur gewichtigen Kraft geworden. Damit ist die Mitte-Partei oft in der Position der Defensive.

Adrian Zeller am 10. April 2024

In Wil hielt sich während Jahren ein Gerücht: Ein Zirkel von CVP-Akademikern würde im kleinen Kreis die wesentlichen politischen Entscheide und die Kandidaturen vorspuren.

In letzter Zeit ist die legende über die inoffiziellen Strippenzieher verstummt. Wohl auch, weil die heutige Mitte-Partei nicht mehr die vorherrschende politische Kraft ist, die in Wil die politische Agenda mehrheitlich diktiert.

Erste SVP-Stadträtin

Bei der Gründung des Wiler Stadtparlaments vor vier Jahrzehnten hatte die CVP (heute: die Mitte) nahezu die Hälfte die Hälfte der vierzig Sitze inne. In den Medien wurde die Äbtestadt öfters als CVP-Hochburg tituliert.

Mittlerweile hat sich die Mitte-Fraktion auf neun Personen reduziert, wovon ein Mitglied der EVP angehört. Die SVP-Fraktion umfasst ebenfalls neun Personen. Mit Ursula Egli stellt sie seit 2021 erstmals auch eine eigene Stadträtin.

Hohe öffentliche Präsenz

Die 2002 in Wil gegründete SVP-Sektion setzt immer wieder publikumswirksam Themen, auf die übrigen Parteien reagieren müssen. Aktuell wirbt die Partei für eine Senkung des Steuerfusses; über dieses Begehren wird Mitte April abgestimmt.

2022 kam eine SVP-Initiative über 30-Minuten-Gratis-Parkieren vors Volk, diese Initiative sollte die Umsätze des Wiler Gewerbes verbessern. Nach einem intensiven Abstimmungskampf nahm eine knappe Mehrheit der Stimmberechtigten schliesslich den Gegenvorschlag des Stadtrates zur Gründung eines Stadtfonds an. Mit diesem soll die Innenstadt belebt werden.

Veränderte Opposition

Bei der Gründung des Wiler Stadtparlaments war es die kleine Gruppe Prowil, die häufig die Stimme der Opposition im Stadtparlament einnahm. Prowil schloss sich später der Grüne-Partei der Schweiz an. In Einzelfragen bilden die SVP und die Grüne Prowil mittlerweile im Parlament eine politische Allianz, so etwa im November 2023 als es um eine Verbesserung der Sicherheit im öffentlichen Raum in Wil ging.

Auswirkungen von Bundesthemen

Wie ist die SVP innert zwei Jahrzehnten in Wil zu einer bestimmenden Kraft geworden? Auf Anfrage erklärt die aktuelle Präsidentin der Mitte-Partei die gewandelte parteipolitische Situation so: «Die SVP hat im Wahlkreis Wil im Vergleich zu 2020 einen Sitz zugelegt und damit den verlorenen Sitz von 2016 wieder zurückgeholt.»

SVP

Wie Eliane Keller-Hollenstein weiter ausführt, hat die SVP nach den «Klimawahlen» 2020 mit dem Thema Migration ein Thema bearbeitet hat, welches nicht in den Kantonen, sondern durch den Bund gelöst werden muss.» Die Ströme der Migration würden auch durch internationale Ereignisse stark beeinflusst und wirken sich trotzdem auf die Wahlergebnisse aus, so die Parteipräsidentin. «Dazu sind auch die Vergehen durch Migranten und der Kriminaltourismus in einem Grenzkanton, wie dem Kanton St.Gallen, sicher mitbestimmend.»

Eliane Keller-Hollenstein unterstreicht, dass die Mitte gegenüber 2016 bereits 2020 einen Sitz zugelegt hat. «Deshalb sind wir erfreut, dass die Mitte im Wahlkreis Wil trotzdem ihren Wähleranteil um 1,3 Prozent erhöhen konnte.»

Probleme ansprechen

Die SP-Fraktion ihrerseits wollte die gestiegene Gunst der SVP bei den Wählenden in Wil nicht öffentlich kommentieren.

Anders die SVP: «Für die Wahlerfolge der SVP Stadt Wil gibt es verschiedene Erklärungen. Wir sprechen die Probleme an und wischen sie nicht unter den Tisch. Das kommt bei den Leuten gut an, auch weil wir immer gleichzeitig Lösungen vorschlagen», nimmt Parteipräsident Andreas Hüssy Stellung. «Wir haben zum Beispiel eine neue Regelung vorgeschlagen mit dem Ziel, dass die Einnahmen und Ausgaben der Stadt langfristig ausgeglichen sind, ohne dass man auf wichtige Investitionen verzichten müsste. Leider haben das alle anderen Parteien abgelehnt.»

Im Weiteren habe die SVP die zunehmende Unsicherheit in der Stadt thematisiert und mit einer Volksinitiative die Einführung eines speziellen Sicherheitsdiensts gefordert. «Diese Idee wurde vom Stadtparlament übernommen und nun muss der Stadtrat konkrete Vorschläge für den Einsatz des Sicherheitsdiensts machen.»

Der Wiler SVP-Präsident fügt an: «Unser Grundsatz ist, dass wir Politik für die Bevölkerung machen und nicht für irgendwelche ideologische Fantasieideen oder nur für kleinste Minderheiten. Diese Politik werden wir weiterführen und die letzten Wahlerfolge bei den Nationalratswahlen vom letzten Herbst und die Kantonsratswahlen im März zeigten, dass unsere Richtung stimmt.» Die SVP sei zuversichtlich im Hinblick auf die Parlaments- und Stadtratswahlen im September, so Hüssy.

(Bilder: Adrian Zeller)

Stölzle /  Brányik
Autor/in
Adrian Zeller

Adrian Zeller (*1958) hat die St.Galler Schule für Journalismus absolviert. Er ist seit 1975 nebenberuflich, seit 1995 hauptberuflich journalistisch tätig. Zeller arbeitet für diverse Zeitschriften, Tageszeitungen und Internetportale. Er lebt in Wil.

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