Matthias Buckel stellt Glasaugen her. Seine Praxis in Genf wird ab diesem Jahr in vierter Generation von seinen Töchtern geführt. Wie entsteht aber so ein Glasauge überhaupt und wer benötigt eines?
Matthias Buckel ist Ocularist. Das heisst, er stellt aus Glas Prothesen für Menschen her, die ein Auge wegen einer Krankheit oder einem Unfall verloren haben. Buckel ist einer der wenigen Schweizer Ocularisten, der das Handwerk mit dem Material Glas noch beherrscht.
Geschichte über Generationen
Die Prothesen, die Buckel herstellt, haben eine lange Geschichte hinter sich. Damals, 1834 hatte man den Glasbläser Ludwig Müller-Uri angefragt, ob er Glasaugen nach französischen Modellen herstellte. Er und seine Neffen hatten die Glasaugen dann wesentlich verbessert und zusammen mit der Lauschaer Glashütte spezielle Gläser entwickelt. Sein Grossonkel hatte damals mit einem der Neffen von Müller-Uri den Beruf erlernt und kam 1896 nach Genf, wo er seine Ocularisten-Praxis eröffnete. 1950 holte er dann seinen Vater, Werner Buckel, der die Praxis auch bald übernahm, zu sich ins Geschäft. Matthias Buckel selbst machte dann die Ausbildung bei seinem Vater und übernahm die Praxis 1985 von ihm.
Blicke in die Zukunft
Damals: Matthias Buckel selbst hatte anfangs andere Pläne für sein Leben. Er wollte erst in die Richtung Musik und Theater gehen. Nach einem schweren Unfall hatte er seine Pläne über den Haufen geworfen und hat die Lehre teils bei seinem Vater in Genf und teils bei seinem Cousin in München absolviert.
Heute: Seine beiden Töchter Milena und Marina werden nächstes Jahr, nach einer siebenjährigen Lehre die Praxis des Vaters übernehmen. Die Praxis in Genf beliefert vor allem die französische Schweiz.
Das Material
Der Begriff «Glasauge» wird oft als Ausdruck für ein Kunstauge oder eine Augenprothese verwendet. Die Prothesen bestehen aus Glas oder aber auch aus Kunststoff (Plexiglas). Die Prothesen, die aus Matthias Buckels Praxis kommen, werden aber noch klassisch aus Glas hergestellt. «Es gibt nur noch wenige Ocularisten, die das Handwerk mit Glas noch beherrschen», betont Buckel. «Wir brauchen dafür ein speziell entwickeltes Glas, dass absolut biokompatibel ist.» Dieses spezielle Glas erlaubt es den Ocularisten, eine naturgetreue Nachbildung des Augapfels und der Iris.
Die Herstellung
Aus einem Stück einer weissen Glasröhre wird eine kleine Kugel geformt. Darauf werden die Farbe der Iris und die Pupille geschmolzen. Das Ganze wird dann mit einem kristallklaren Glas überdeckt, um die Tiefenwirkung zu erreichen. «Jeder Patient hat eine einzigartige Augenhöhle, deshalb wird auch alles auf ihn spezifisch angepasst. Die Grösse der Prothese, die Farbe der Iris, der Blick und so weiter», erklärt Buckel. «Die Anfertigung einer Prothese dauert zwischen einer und eineinhalb Stunden. Die Hälfte der Zeit für die Form, die andere Hälfte für die Farbe.»
Hilfe nach einem Unfall oder Krankheit
Die Leute, die ein Glasauge benötigen, haben meist ein Auge wegen eines Unfalls oder einer Krankheit verloren. Die Prothese stellt die Ästhetik der Augen wieder her und erlaubt die normale Funktion der Augenlider.
Auf die Frage, ob sich Buckel während der Arbeit zwischendurch beobachtet fühle, antwortet er: «Wir selbst eigentlich nicht, es sind mehr unsere Patienten, die wir eingehend im Augenschein nehmen müssen und denen wir tief in die Augen schauen.»
Matthias Buckel empfindet die Arbeit mit Glas wunderbar. Was ihm an seiner Arbeit unter anderem am meisten gefällt, ist die Zufriedenheit der Patienten, wenn sie sich das erste Mal mit der angefertigten Prothese im Spiegel sehen.
Manuela Müller (*1994) aus Marbach war bis Ende März 2022 als Redaktorin für «Die Ostschweiz» tätig.
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