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Walter Ernst | Hypo Vorarlberg Bank AG

«Man muss auch ab und zu ‘quälen’»

Womit kann heute eine Bank noch gegenüber der Konkurrenz punkten? Inwiefern unterscheiden sich Verhandlungen in Frankfurt von jenen in St.Gallen? Antworten darauf liefert Walter Ernst, Leiter der Niederlassung St.Gallen und Regionaldirektor Schweiz der Hypo Vorarlberg Bank AG.

Marcel Baumgartner am 08. Juni 2022

Walter Ernst, Sie waren einst Leistungssportler in den Disziplinen Skilanglauf, Triathlon und Marathon. Wie stark hat der Sport allgemein Ihr Leben bisher geprägt?

Meine Leistungssportzeit liegt schon einige Jahre zurück. Es war eine sehr schöne Zeit, die aber abgeschlossen ist. Mitgenommen habe ich viele tolle Erlebnisse und Eindrücke sowie einige zentrale Werte und Beziehungen. Und natürlich ist die Liebe zum Sport geblieben – ich mache heute am Tag im Schnitt noch eine Stunde Sport.

Was sind Elemente aus diesen Disziplinen, die Ihnen gerade auch im Business-Alltag immer wieder helfen?

Neben zentralen Werten wie Struktur, Disziplin, hohen Fokus vor allem die Fähigkeit unter Druck geistig flexibel zu bleiben. Als Leistungssportler muss man viel planen – im Wissen, dass es sowieso anders kommt. Und dabei entspannt bleiben (lacht).

Leistungssportler müssen zudem auch an Ihre Grenzen gehen. Suchen Sie diese auch im beruflichen Umfeld?

Als Leistungssportler sucht man die Grenzen vor allem im Training, um dann im Wettkampf performen zu können. Man muss innerhalb einer Struktur viel ausprobieren und sich mit Freude auch ab und zu «quälen». Das ist im Beruf nicht anders, der Weg ist das Ziel. Auch hier gilt es den Fokus zu bewahren, aber gleichzeitig Spass dabei zu haben. Diese Kombination aus Lockerheit, hoher Leistungsbereitschaft und sich selber nicht so wichtig nehmen, ist ein bisschen meine Einstellung im Beruf bzw. generell im Leben.

Vor knapp zwei Jahren sind Sie auf den Bankenplatz St.Gallen zurückgekehrt. Dies, nachdem Sie unter anderem auch in Frankfurt tätig waren. Was gab den Ausschlag für diesen Schritt?

Ich durfte ja für die St. Galler Kantonalbank zwei Jahre in München bzw. Frankfurt tätig sein. Die Familie ist aber in der Schweiz geblieben, was schwierig war und ich heute anders machen würde. Das war der Grund meiner Rückkehr und auch eine Prioritätsverschiebung in meinem Leben. Heute steht die Familie klar an erster Stelle.

Was läuft in St.Gallen massgeblich anders ab als beispielsweise eben in Frankfurt?

Eigentlich sind die Unterschiede klein, es geht am Ende immer um Menschen. Natürlich hat jeder Raum seine eigene Kultur, seine eigenen Spielregeln. Darum funktionieren Expat-Strukturen aus meiner Sicht nicht. Es ist wichtig in dem Raum, in dem man arbeitet zu leben und auch ausserhalb des Berufes für diesen Lebensraum Verantwortung zu übernehmen.

Ist die Art, Verhandlungen zu führen, Abschlüsse zu tätigen eine andere?

In Frankfurt ja, in München nicht (lacht). Bayern hat schon noch viel Handschlagqualität – da ist es St. Gallen sehr ähnlich. St. Gallen bzw. unsere Wirtschaftsregion ist sehr übersichtlich und verlässlicher im gesprochenen Wort als die grösseren Metropolen.

Mit einem Berufskollegen von Ihnen habe ich gerade kürzlich darüber gesprochen, dass die Angebote der Banken doch eigentlich austauschbar sind. Womit also will sich die Hypo ein Alleinstellungsmerkmal sichern?

Da würde ich mich trauen etwas zu widersprechen. Grösstes Differenzierungsmerkmal aus meiner Sicht ist der Beratungsansatz und die Beratungsqualität. Wir differenzieren uns beispielsweise klar durch unsere grenzüberschreitende Beratung. Jeder Mensch, jede Firma, die neben der Schweiz auch in Deutschland, Österreich oder Norditalien tätig ist bzw. einen Bezug hat, erhält bei uns ein Angebot, mit dem wir uns weit vom Markt absetzen können.

Darüber hinaus bin ich überzeugt, dass mit der Deglobalisierung, die derzeit stattfindet, auch wieder mehr eine Differenzierung über Produkte wie z.B. im Nachhaltigkeitsbereich möglich sein wird. Man will wissen, wo man kauft und für was man zahlt.

Und wie entscheidend sind hier die Menschen innerhalb der Bank? Welchen Gestaltungsspielraum hat man?

Neben der Sicherheit, der Struktur und der Digitalisierungskompetenz der Bank ist und bleibt der Mensch der entscheidende Faktor. Er wird mit der zunehmen Digitalisierung sogar noch wichtiger. Der Kunde unterscheidet zwischen Themen, die er mehrheitlich digital abwickelt und jenen, bei denen er eine langjährige Vertrauensperson sucht. Ich sage e-Events dazu – es sind Themen, die mit Emotionen gefüllt sind, wie Firmentransaktionen, grosse Bauvorhaben, Hochzeiten, Scheidungen, Vorsorgefälle. Was wir in unserem Beratungsansatz tun, ist mittels einem ganzheitlichen grenzüberschreitenden Planungstool diese Fälle durchzuplanen – und zwar idealerweise bevor sie eintreten. Das ist wie beim Leistungssport – man trainiert den Ernstfall, hat eine klare Struktur und kann so flexibel reagieren, da das Tool die Abhängigkeiten zeigt. So etwas hätte ich gerne in meinen Wettkämpfen gehabt (lacht).

Das führt uns gleich zurück zum Sport: wie wichtig ist Teamgeist? Gerade in Ihren Disziplinen waren Sie ja als Einzelkämpfer unterwegs.

Die Frage passt ideal zum Thema. Es gibt keine Einzelkämpfer, sondern immer ein Team mit klarer Organisation. Nehmen Sie beispielsweise Dario Cologna. Um ihn herum gibt es einen Trainerstab, Physiotherapeuten, Ärzte, ein Wachsteam, Medienberater, die Kollegen in der Nationalmannschaft als Benchmark und schlussendlich die Familie. Entscheidend ist, dass die Aufgaben klar verteilt sind und die Organisation eine klare Struktur hat. Das schafft den nötigen Freiraum auszuprobieren und Innovationen zu schaffen.

Anfang Jahr haben Sie die Bankenleitung übernommen. Wo möchten Sie in erster Linie Akzente setzen?

In erster Linie im Bereich der grenzüberschreitenden Beratungsqualität. Derzeit führen wir eine zweijährige Weiterbildung für alle Berater in der grenzüberschreitenden Finanzplanung durch. Das und die Umstellung der IT, der Zugang zu den Märkten Deutschland und Österreich soll uns noch mehr befähigen, grenzüberschreitend unsere Kunden zu begleiten.

Wie wichtig ist hierfür ein entsprechendes Netzwerk?

Unerlässlich – Bankdienstleistungen sind in den vergangen immer komplexer geworden. Die Regulierung wurde stark hochgefahren und ich sehe hier, aufgrund der jüngsten Geschehnisse wie Finanzkrise, Entwicklung der Immobilienpreise, Ukraine-Krieg, Corona etc. auch kein Ende. Dazu schafft die Digitalisierung völlig neue Möglichkeiten. Es ist unerlässlich, in den jeweiligen Fachrichtungen ein Netzwerk zu haben, um die richtigen und schnelle Entscheidungen treffen zu können. Daneben suchen wir qualifizierte Berater und Fachkräfte. Der Personalmarkt ist derzeit sehr eng – daher pflegen wir Kontakte zu potenziell künftigen Mitarbeitern intensiv.

Sprechen wir abschliessend noch kurz über St.Gallen. Was zeichnet die Stadt aus?

St.Gallen ist einfach wunderschön, mit dem Weltkulturerbe «Stiftsbezirk» und der langen Tradition im Bereich der Stickereien von grosser historischer Bedeutung und doch eine Kleinstadt mit hervorragenden Bildungseinrichtungen (u.a. die Universität und die Fachhochschule) und einem qualitativ hochwertigen kulturellen Angebot.

Und woran fehlt es? Wo besteht Handlungs- und Aufholbedarf?

Meinem Gefühl nach sollten wir versuchen, der Stadt wieder mehr Leben einzuhauchen. Ich denke mir das oft, wenn ich abends durch den Stiftsbezirk laufe. Vermutlich leiden wir noch etwas unter den Nachwirkungen von Corona. Ich hoffe, dass mit den wärmeren Temperaturen wieder mehr menschlicher Austausch stattfindet.

Welche Strecke empfehlen Sie Amateur-Läufern in der hiesigen Umgebung?

Meine zwei Lieblingsstrecken gehen aus der Stadt, der erste über drei Weieren bis zur Rehetobelstrasse und dann über den Jakobsweg zurück. Und die zweite über Rotmonten nach Wiggensbach. Beides sind Runden mit gut 10km und ca. 200 Höhenmeter, die beliebig erweiter- oder verkürzbar sind.

Und für den Langlauf?

Gais bietet bei ausreichend Schnee sehr gute Möglichkeiten, insbesondere durch die Nachtloipe. Am Wochenende zieht es mich ins angrenzende Vorarlberg nach Hittisau. Von dort weg kann man über Balderschwang eine Runde mit fast 50km und rund 800 Höhenmetern machen. Und sonst natürlich nach Davos oder ins Engadin, wo ich viele Trainingslager absolvieren durfte.

Walter Ernst

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Autor/in
Marcel Baumgartner

Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».

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