Müssen Medien staatlich gefördert werden, weil sie einen wichtigen gesellschaftlichen Auftrag erfüllen? Und wenn ja, auf welche Weise? Oder sind sie wie jedes andere Produkt einer privaten Firma zu behandeln? Die Debatte könnte in der Ostschweiz verstummen, bevor sie richtig begonnen hat.
Die St.Galler Regierung hat seit einiger Zeit einen Bericht auf dem Tisch, den sie in Auftrag gegeben hat. Autor ist der Publizistikprofessor Otfried Jarren, Kostenpunkt für seine Arbeit: 35'000 Franken. Es geht um die Mediensituation in der Ostschweiz - isoliert für St.Gallen kann man diese kaum erfassen.
Vielleicht liegt der Bericht aber auch nicht mehr auf dem Tisch, sondern in einer Schublade. Denn er enthält zwar einige Empfehlungen, über diese entschieden hat die Regierung aber noch nicht. Und die Chancen sind gross, dass sie sich auch nicht mehr vertiefend damit befassen wird.
Der Bericht kommt zum Schluss, dass gewisse Fördermassnahmen nötig sind, damit die derzeit aktiven Medien auch in Zukunft tätig sein können. Inzwischen hat aber die Ostschweizer Regierungskonferenz, der St.Gallen angehört, einer staatlichen Förderung von Medien eine Absage erteilt.
Das Regionaljournal Ostschweiz von Radio SRF hat dazu Stimmen eingeholt, die zeigen: St.Gallen ist nur schon mit dem Versuch, mehr über die Situation zu erfahren, ziemlich allein. Geht es beispielsweise nach dem Thurgau, ist das Resultat des Berichts unwichtig, weil der Grundsatz schwerer wiegt. Und der lautet: Die Unabhängigkeit der Medien wäre gefährdet, wenn der Staat diese mit Geld fördert.
Indirekte Fördermassnahmen gibt es bereits in Form von verbilligter Zeitungszustellung, aber angesichts des Medienwandels Richtung digitale Publikationen wirkt das inzwischen wie ein Relikt.
Die Haltung, die beispielsweise der Thurgauer Regierungsrat Jakob Stark gegenüber SRF an den Tag legt, ist zunächst verständlich. Staatspolitisch ist es tatsächlich unschön, wenn Medien von denen unterstützt werden, denen sie auf die Finger schauen müssen: Den Regierenden.
Andererseits muss eine Förderung nicht an Bedingungen gekoppelt sein. Und es wäre eine Selbstverständlichkeit, dass trotz einer solchen Förderung Medien weiterhin den Staat kritisieren dürfen. Das muss - oder je nach Perspektive müsste - ja auch ein faktisches Staatsmedium wie SRF heute schon.
Dass der Bericht gerade jetzt erstellt wurde, ist kein Zufall. Die Medienkonzentration läuft. Und sie ist offenbar nur ein Vorgeschmack auf das, was kommt. Ebenfalls im Regionaljournal hat Stefan Schmid, Chefredaktor des St.Galler Tagblatt, ziemlich unverhüllt erklärt, dass aufgrund der schwierigen Situation in naher Zukunft schlicht alles möglich ist. Dass täglich eine gedruckte Zeitung erscheint, ist kein heiliger Gral mehr, und in den nächsten Monaten wird es auch in der Ostschweiz einen weiteren Stellenabbau geben.
Grund von all dem sind die sinkenden Einnahmen, sowohl bei den Abonnements wie bei den Anzeigen. Das Problem ist nicht medienspezifisch, sondern betrifft jedes Unternehmen, das den richtigen Zeitpunkt verpasst: Die Umsätze sinken, die Strukturen - und damit die Kosten - sind geblieben. Dass man in dieser Situation Massnahmen zur Effizienzsteigerung ergreift, ist verständlich.
Hier kommt allerdings dazu, dass klassische Zeitungen heute nicht einfach ihr bisheriges Produkt günstiger machen müssen, um wieder in die Spur zu kommen, sie müssen ihr Produkt neu erfinden. Denn die Abwanderung von Lesern und Anzeigen liegt nicht daran, dass dieses Produkt an sich schlecht ist, sondern dass sich seine Käufer heute ganz anders verhalten.
Also: Einsparen beim eigentlichen Produkt, das aber in dieser Form ohnehin ein Ablaufdatum hat, und das in nicht allzu ferner Zeit. Und gleichzeitig der Aufbau neuer Produkte, die aber nicht vom ersten Tag «einschenken».
Das ist die Situation, und die Frage ist nun, ob der Staat zumindest vorübergehend einspringen soll, um den Ostschweizer Medien bei der Bewältigung des Medienwandels zu helfen.
Wer die Frage bejaht, muss auch eine andere Frage beantworten: Welche Medien sollen gefördert werden? Die, die «schon immer» da waren und zumindest zum Teil die Entwicklung auch einfach verschlafen haben? Es ist störend, wenn Verlage, die in den guten Zeiten nicht nur Zeitungen, sondern regelrecht Geld gedruckt haben, nun unterstützt werden sollen, weil das nicht mehr klappt.
Derweil sind im ganzen Land neue Medienangebote entstanden, die den Medienwandel vorweg genommen haben und deshalb nicht unter demselben Problem leiden - aber natürlich auch schauen müssen, dass Geld reinkommt.
Bevor man über staatliche Fördermassnahmen nachdenkt, muss man die Unternehmen, die gerne solche hätten, näher anschauen. CH Media, das neue Verlagskonstrukt, zu dem die ehemaligen regionalen Zeitungen der NZZ gehören, betreibt Dutzende von Medienmarken. Darunter sind auch reichlich seltsame Dinge wie das Onlineportal «Bei uns», das wirkt, als hätte ein pensionierter Redaktor den Computer seines Enkels geklaut und und publiziere dort alles, was er gerade im Briefkasten findet. Wer eine Regionalzeitung staatlich fördert, hilft indirekt CH Media auch, solche Vehikel zu betreiben.
Wenn der Staat - konkret der Kanton St.Gallen - etwas unterstützen sollte, dann nicht das Überleben einzelner Verlagshäuser, sondern die Wiederherstellung einer Vielfalt. In diese Richtung geht auch der Jarren-Bericht, der beispielsweise die Finanzierung von digitalen Tools für das Betreiben von Onlinezeitungen vorschlägt.
Ob das der richtige Schritt ist, kann man bezweifeln, aber die Stossrichtung stimmt: Instrumente bereitstellen, die willigen Machern dabei helfen, Journalismus in der Ostschweiz zu machen. So lange ist es noch nicht her, als in den meisten Ostschweizer Regionen mehrere Tageszeitungen um Leser buhlten und dadurch gezwungen waren, besser zu sein als die andern.
Ein nicht mehr funktionierendes Geschäftsmodell darf man nicht mit Steuergeldern stützen. Und den Übergang zu einem neuen Modell zu finanzieren, ist ebenfalls stossend. Es gibt zig Branchen, die durch die Digitalisierung vor einer neuen Situation stehen, und keine von ihnen darf dabei auf die Hilfe des Staats zählen.
Natürlich, sie können sich auch nicht darauf berufen, ein Pfeiler der Demokratie zu sein, wie das Medien tun. Aber ein einzelner Pfeiler trägt keine Last. Da braucht es schon mehrere.
Und schliesslich: In der laufenden Debatte wird von den Medien, die auf staatliche Unterstützung schielen, stets ins Feld geführt, wie gross ihre personellen Ressourcen sind, die finanzierbar sein müssen. Sie betonen das, um aufzuzeigen, welche grosse Leistung sie für die Region erbringen, und sie schlüsseln diese Leistung sogar ausführlich auf. Das Problem dabei ist, dass ein Produkt für sich sprechen muss und keinen Beipackzettel benötigen sollte, der die Vorteile vermittelt.
Zudem ist Manpower nicht einfach immer mit Leistung gleichzusetzen. Es ist also wohl nicht einfach ein Problem der sinkenden Einnahmen, sondern auch zu hoher Ausgaben. Wenn man sich nun auf den Standpunkt stellt, diese liessen sich ganz einfach nicht weiter reduzieren, daher müsse der Staat einspringen, dann pervertiert man die Grundsätze der freien Wirtschaft. Damit zu werben, dass man «über 100 Journalisten» im Einsatz hat, ist in etwa so, wie wenn uns ein Schokoladenhersteller vorbetet, wie viele Leute nötig sind, um die Schokolade herzustellen.
Den Käufern ist es egal. Die Schokolade muss einfach schmecken.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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