Steve Schild.
Es ist Sommer, es ist nichts los. Die beste Zeit für einen, der zum Mars fliegen will. Denn dann füllen die Medien gerne ihre Lücken mit einem vielversprechenden Pionier. Aber was der Thurgauer Steve Schild vor hat, wird kaum Wirklichkeit werden.
Um nicht missverstanden zu werden: Es ist toll, wenn sich Menschen Ziele setzen und diese hartnäckig verfolgen. Wenn sie an ihren grossen Traum glauben. Sogar, wenn dieser Traum 55 Millionen Kilometer entfernt liegt und mit einer dubiosen Firma verknüpft ist. Und wenn sie eigentlich inzwischen mehr Fantasien als realistische Träume sind.
Die Rede ist vom Thurgauer Steve Schild, der zum Mars fliegen will. Ein One-Way-Trip, zurück geht es nicht mehr. Seit Jahren geistert Schild durch regionale und nationale Medien, alle berichten ehrfürchtig von der pionierhaften Reise, die einst 200'000 Menschen antreten wollten und für die in einer Art Casting inzwischen 199'900 ausgesiebt wurden. Unter den letzten 100 Aspiranten ist der Thurgauer nun, vier werden letztlich zum Mars reisen. Wer so viele aus dem Weg geräumt hat, der kann auch unter den letzten Vier sein.
Theoretisch jedenfalls. Wenn es denn nur an Steve Schild und seinem Einsatz liegen würde. Der ist zugegebenermassen gewaltig. Nur: Die ganze Mission ist gelinde gesagt wolkig. Eigentlich war das Ganze ursprünglich kein wissenschaftliches Projekt, sondern ein Stück Entertainment, im Zentrum stand eine geplante Reality-TV-Show. Und am Ende sollte dann eben der Marsflug 2022 stehen. Inzwischen wurde der Höhepunkt auf unbestimmte Zeit verschoben, die Schweizer Gesellschaft von «Mars One», wie das Unternehmen heisst, ist Konkurs.
Und auch wenn die niederländische Stiftung, die als Mutterunternehmen dient, davon nicht unmittelbar betroffen ist, geht man davon aus, dass auch dort nicht mehr wirklich viel Geld liegt. Der Fernsehkonzern Endemol, Partner der ersten Stunde, ist bereits vor vier Jahren ausgestiegen. Und Weltallexperten erkennen mit Blick auf das Projekt keinerlei Anzeichen dafür, dass das Knowhow für einen Marsflug auch nur im Ansatz vorhanden ist. Was derzeit noch laufe, sei der Verkauf von Fanartikeln, sonst arbeite hinter den Kulissen niemand mehr ernsthaft an einer Marsmission, sagen Leute, die hinter diese Kulissen sehen.
Mit anderen Worten: Das Ganze ist nur noch Schall und Rauch - wenn es überhaupt jemals mehr war als das. Aber Steve Schild glaubt unerschütterlich daran, dass «Mars One» noch Wirklichkeit wird. Wie er in der aktuellen Ausgabe des «Blick» sagt, hat er vor einem Monat ein E-Mail von den Verantwortlichen erhalten mit der Botschaft, man sei im Gespräch mit Investoren. Der Satz ist legendär, er fällt immer dann, wenn gar nichts mehr geht. Aber Schild hält sich daran fest.
Aber eben: Die Story eines Ostschweizers, der eine Frau und zwei kleine Kinder hat und unbedingt auf den Mars will, ist zu verlockend. Schild selbst geht davon aus, dass es noch zehn Jahre dauern könnte. Das würde heissen, dass die bereits jetzt händeringend nach mehr Mitteln suchende Firma noch eine Dekade durchhalten müsste. Viel Optimismus steckt in dieser Aussage. Und für uns heisst es: Sicher noch zehn weitere Jahre Sommerlochstorys über den Thurgauer Marspionier, der nach heutigen Erkenntnissen vermutlich dereinst seine Enkel auf der Erde im Garten spielen sehen wird. In zahlreichen Interviews zeigt sich auch die Mutter seiner Kinder längst nicht mehr besorgt über den Abschied auf ewig von ihrem Mann, was zeigt: Auch sie hat ihre Zweifel.
Und das mit den Enkeln wäre doch eigentlich auch ein schöner Ausgang dieser Geschichte.
Steve Schild.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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