Gallus Hufenus mit der Kaffeebäuerin Margot Pizarro in Guayata in Kolumbien und seinem Partner und Röstmeister Philipp Schönbächler.
Mit dem Start des Lockdowns kam erst die Schockstarre. Was ist erlaubt, was nicht? Die Unsicherheit machte sich überall breit. Auch im Kaffeehaus im St.Galler Linsenbühl von Inhaber Gallus Hufenus. Doch seine Kaffeerösterei ist die Chance. Nicht nur für ihn, sondern auch für seine Kaffeebauern.
Auf die Idee mit dem Leiterwagen den Kaffee zu den Kunden zu liefern, kam Gallus Hufenus, weil ihm die Decke auf den Kopf fiel. Gerade bei dem schönen Wetter im April war das eine perfekte Abwechslung. «Ich war, glaube ich noch nie so fit, schlafe besser und bin braun» beschreibt Gallus Hufenus die Vorteile so oft an der frischen Luft zu sein.
Sie hatten vorher schon Kaffee an Kunden verkauft und während er das Kaffeehaus schliessen musste, war dies die Möglichkeit weiterzumachen. «Durch den Leiterwagen sind andere Leute auf mich aufmerksam geworden und ich konnte neue Kunden gewinnen.»
Da auch die Leute, die im Homeoffice arbeiten rauskommen, hat Gallus Hufenus den Laden zum Kaffeeverkauf wieder geöffnet. «Erst nur ein paar Stunden pro Tag, damit ich auch noch mit dem Leiterwagen unterwegs sein konnte. Jetzt gibt es immer weniger Leiterwagen-Lieferungen, da die Leute gern ins Geschäft kommen. Die Theke haben wir so umgebaut, dass wir den Abstand wahren können. Und auch beim Liefern achten wir auf die Distanz.» berichtet Gallus Hufenus.
«Unternehmer sein, bedeutet wendig zu sein»
Für Gallus Hufenus steht nicht nur die Gewinnmaximierung im Vordergrund. Es geht viel mehr um Authentizität. «Zudem muss man als Unternehmer wendig sein, genau das ist in dieser Zeit gefragt.» beschreibt Gallus Hufenus. Auch ihn hat erst die Schockstarre erwischt, als er sein Kaffeehaus schliessen musste. Doch er hat schon vorher seinen eigenen Kaffee geröstet. Da dieser zu den Grundnahrungsmitteln gehört, hat er sich auf die Röstmanufaktur fokussiert. Was ihm eine Chance bot und das Experiment zeigte, dass die Röstmanufaktur durchaus rentabel sein kann. Dafür wäre es erforderlich das Konzept zu ändern, die Fixkosten zu senken, wie zum Beispiel die Miete, da der Platzbedarf geringer ist. Zusätzlich benötigt es so nur noch Personal für die Rösterei.
Gallus Hufenus mit der Kaffeebäuerin Margot Pizarro in Guayata in Kolumbien und seinem Partner und Röstmeister Philipp Schönbächler.
«Kaffeebauern drohen zu verhungern»
Als Unternehmer ist man auch verantwortlich für die Mitarbeiter und Lieferanten. «In der Schweiz konnte ich Kurzarbeit anmelden, es gibt Rettungspakete und Arbeitslosengeld. Diese Absicherung haben die Kaffeebauern in Kolumbien und Brasilien nicht.» erzählt Gallus Hufenus. Er bezieht seinen Kaffee direkt von den Kaffeebauern in Brasilien und Kolumbien und über die Jahre hat sich eine tiefe Beziehung und Freundschaft entwickelt. «Hätte ich keinen Kaffee einkaufen können, wären sie womöglich verhungert.» Somit konnte er nicht nur sein Unternehmen über Wasser halten, sondern auch den Kaffeebauern über die Krise helfen.
«Vielleicht blauäugig, jetzt schon zu öffnen»
Die Kunden kommen in das Kaffeehaus, um etwas zu erleben und zu kommunizieren. Eine zu schnelle Öffnung ist für Gallus Hufenus nicht ratsam. Die Gäste haben Angst, sie könnten sich anstecken oder bleiben fern, weil sie in einem Restaurant etwas Bestimmtes erleben wollen. Wenn der Kellner mit Maske serviert, wird das Erlebnis beeinträchtigt. Doch nicht zu öffnen, würden die Gäste vielleicht auch nicht verstehen und so wird Gallus Hufenus sein Kaffeehaus unter den Auflagen des BAG am 16. Mai 2020 wieder öffnen.
Zur DNA des Kaffeehauses gehört der Austausch, die Möglichkeit zu verweilen und zu Geniessen. Schliesslich ist ein Kaffeehaus immer ein Kulturhaus: St. Gallen bekommt hier einen Raum für Ideen, Kleinkunst, Design, Wohnideen, Chansons, Klezmer, Klassik, Flamenco, Tango, das Wort, Politik und mehr. Nachwuchs der Kulturszene bringen ihre Visionen hierher. Im Kaffeehaus kann in der Haus-Bibliothek gestöbert, und an der «Hörbar» soll in Geschichten eingetaucht werden.
Zeitungen, deutsch- und fremdsprachige, gehören dazu, wie auch Open Wireless. «Das möchte ich auch weiterhin bieten», erzählt Gallus Hufenus, « Wenn das neue Unternehmertum mir aber auch längerfristig untersagt, dass in meinem Kaffeehaus kein Tango mehr getanzt werden darf oder ich gezwungen werde mich zu verbiegen, dann bin ich fatalistisch und höre auf.» Dennoch ist Gallus Hufenus gespannt auf die neue Herausforderung. Während viele Gastronomen glauben, sie müssen es allen recht machen, setzt Gallus Hufenus auf sein Bauchgefühl und darauf, dass es für ihn passen muss. «Bei mir wird es keine To-Go-Mentalität geben, der Genuss und Zeit zu haben steht im Vordergrund.
Ab Juni ist der monatlichen Medien-Talk geplant nicht nur im Kaffeehaus zu erleben, sondern parallel auch auszustrahlen. So können trotz Einschränkungen die Leute dem Stream folgen. Themen stehen ebenfalls fest unter anderem wie die Zukunft mit Corona aussiehst.
Nadja Rohrer ist freie Mitarbeiterin von «Die Ostschweiz». Sie wohnt in St.Gallen.
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