logo

Pilzbestimmung

Mit der App in die Pilze: Wie sicher ist das eigentlich?

Smartphone-Apps sind allgegenwärtig, Apps sind bequem, Apps sind oft gratis – doch bei Pilzbestimmungs-Apps heisst es: Augen auf. Ein Ostschweizer Pilzkontrolleur sagt, auf was man bei aller digitalen Unterstützung eben doch noch achten muss.

Christian Meyer am 28. September 2019

Eins gleich vorneweg: Auch die beste und neueste Smartphone-App kann die Pilzkontrolle nicht ersetzen. Diese Warnung, die man sehr ernst nehmen sollte, hört man unisono von App-Anbietern, von Pilzexperten und auch von Verantwortlichen von Tox-Info Zürich. Allein dieses Informationszentrum für Vergiftungsfälle registriert jährlich gegen 450 schwere Pilzvergiftungen – Tendenz steigend.

Allen Gefahren zum Trotz: Das Interesse, auch bei der jungen Generation, ist ungebrochen. Pilze sammeln ist und bleibt ein faszinierendes Hobby, das sich perfekt mit körperlicher Aktivität und dem Naturerlebnis im Wald vereinbaren lässt. Und im besten Fall wird man erst noch durch ein Festmahl belohnt.

Wechselnde Erscheinungsformen erschweren die Bestimmung?Im Alltag geht bekanntlich nichts mehr ohne Smartphone. Das kompakte und praktische Gerät ist immer dabei, selbstverständlich auch beim Pilze sammeln. Doch was taugen Bestimmungs-Apps, welche sind empfehlenswert? «Gar keins», sagt etwa der St.Galler Pilzkontrolleur Rolf Schättin, der während der Saison im Botanischen Garten die Erträge der Sammler untersucht. Der erfahrene Experte bekräftigt: «Lexika oder Apps soll man beim Sammeln bloss als mehr oder weniger nützliche Hilfsmittel betrachten. Auf der sicheren Seite ist man nur, wenn man die Pilze zur Kontrolle bringt. Denn zur Bestimmung braucht es viel Erfahrung; Geschmack und Geruch von fraglichen Exemplaren sind zudem elementar.»

Manuel Mettler, der als Pilzkontrolleur in Teufen amtet, schliesst sich dieser Meinung an. Je nach Witterung, Standort und Wachstumsphase der Pilze seien Abweichungen in Farbe und Aussehen häufig; Verwechslungen kämen oft bei sehr jungen Pilzen vor. Also: Unbekannte Exemplare besser meiden, ausserdem sollte man nur ausgewachsene Pilze auf die Kontrolle bringen. Und er merkt an: «Nicht nur Giftpilze, sondern auch überreife und faulende Exemplare können nach dem Verzehr Beschwerden verursachen. Auch wenn es schwer fällt, diese Objekte sollte man besser im Wald stehen lassen.»

Skepsis bei Gratis-Apps

Hört man sich in der Fachwelt weiter um, fällt immer wieder der Name derselben App: «Pilze 123». So auch beim Experten und Kursleiter Erich Herzig in Zollikofen bei Bern. Gratis-Apps indessen lehnt er ab; kein einziges genügt seinen Anforderungen. «Anwender, sowohl Anfänger als auch Profis, sollten Pilzsammel-Apps nicht als unfehlbares Hilfsmittel zum Sammeln, sondern als Informationsquelle benutzen, wie sie beispielsweise auch ein Lexikon in Buchform bietet», sagt auch er.

Und genau in diesem Bereich ist in den letzten Jahren viel passiert. Die Smartphone-App des deutschen Pilzsachverständigen Wolfgang Bachmaier etwa bietet registrierten Benutzern zusätzlich eine PC- oder Laptop-Version. Diese ermöglicht die eingehende Betrachtung von über 3000 Pilzarten am Grossbildschirm. Allerdings kostet diese App auch so viel wie ein Print-Lexikon: Rund 30 Franken. Wer vorläufig kein Geld ausgeben will, kann sich zum Schnuppern die durch Werbung finanzierte Gratis-App «Pilzator» herunterladen. Empfehlungen hierzu sind aber von Expertenseite nicht erhältlich.

On- oder offline?

Gedruckte Werke haben unbestrittene Vorteile, etwa qualitativ hochstehende Bilder, der schnelle Überblick, das Hin- und Herspringen von einer Seite zur anderen beim Vergleichen der Merkmale, das bequeme Lesen der Hintergrundinformationen und das Durchblättern des gesamten Werkes. Aber: Wer nimmt schon ein sperriges Lexikon mit in den Wald?

Das praktische, kompakte Smartphone ist dagegen, wie eingangs erwähnt, bei den meisten Sammlern ohnehin dabei. Für Apps sprechen gemäss Herzig weitere gewichtige Argumente: Zum einen bieten hochauflösende Bildschirme an modernen Kleingeräten brauchbares Anschauungsmaterial für die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale eines Speisepilzes direkt vor Ort. Wichtig: Manche bekannte und beliebte Sorte hat einen ungeniessbaren oder gar giftigen Doppelgänger.

Etwa der begehrte Fichtensteinpilz oder auch der Sommersteinpilz lassen sich anhand des Bestimmungssystems der App «Pilze 123» leicht vom ungeniessbaren Gallenröhrling unterscheiden.?Das helle, weissliche bis graue «Netz» am Stiel des Steinpilzes wird bei der empfohlenen App als wichtiges Unterscheidungsmerkmal einwandfrei in Grossaufnahmen dargestellt. Im Gegensatz dazu entlarvt das dunkle Netz des Gallenröhrlings den Übeltäter mit dem charakteristisch bitteren Geschmack. Diese Bitterstoffe können nicht Leben bedrohen, aber ohne weiteres ein liebevoll zhubereitetes Pilzragout ungeniessbar machen.

Fatale Verwechslungen

Lebensbedrohlich wird es indessen, wenn Laien beispielsweise tödlich giftige, junge Knollenblätterpilze mit kleinen (essbaren) Feldchampignons verwechseln. Im Falle einer Vergiftung treten die Symptome perfiderweise oft erst nach mehreren Stunden auf, und dann kann es für eine ärztliche Behandlung zu spät sein. Unheilbare, lebenslange Schädigungen an inneren Organen oder gar der Tod der Patienten sind die Folge. Aktuell meldet Tox-Info gleich zwei schwere Knollenblätter-Vergiftungen.

Deshalb aus aktuellem Anlass nochmals: Knollenblätterpilze erscheinen in verschiedenen Unterarten. Farbliche Abweichungen mit grünlichen, gelblichen, bräunlichen oder gar weissen Farbtönen können Laien leicht täuschen. Dazu jedoch Routinier Rolf Schättin: «Man erkennt den Knollenblätterpilz am ehesten am leicht süsslichen Geruch, der an Rosen erinnert.»

Ökologisches Verhalten

Eine App erleichtert ferner eine weitere wichtige Entscheidung. Lässt sich ein Pilz nicht einwandfrei bestimmen, sollte man auf keinen Fall alle vorhandenen Exemplare abernten. Erich Herzig: «In diesem Fall dreht man ein grösseres und ein kleines Exemplar sorgfältig am Waldboden ab und gibt es in einen separaten Behälter, damit ein Pilzkontrolleur den Fund untersuchen kann. Das ist sehr wichtig, um Bestände zu schonen. Denn selbst für den Menschen ungeniessbare Pilze erfüllen in Symbiose mit Pflanzen oft wichtige Funktionen im Ökosystem Wald.»

Einige Highlights

Uzwilerin mit begrenzter Lebenserwartung

Das Schicksal von Beatrice Weiss: «Ohne Selbstschutz kann die Menschheit richtig grässlich sein»

am 11. Mär 2024
Im Gespräch mit Martina Hingis

«…und das als Frau. Und man verdient auch noch Geld damit»

am 19. Jun 2022
Das grosse Gespräch

Bauernpräsident Ritter: «Es gibt sicher auch schöne Journalisten»

am 15. Jun 2024
Eine Analyse zur aktuellen Lage

Die Schweiz am Abgrund? Wie steigende Fixkosten das Haushaltbudget durcheinanderwirbeln

am 04. Apr 2024
DG: DG: Politik

«Die» Wirtschaft gibt es nicht

am 03. Sep 2024
Gastkommentar

Kein Asyl- und Bleiberecht für Kriminelle: Null-Toleranz-Strategie zur Sicherheit der Schweiz

am 18. Jul 2024
Gastkommentar

Falsche Berechnungen zu den AHV-Finanzen: Soll die Abstimmung zum Frauenrentenalter wiederholt werden?

am 15. Aug 2024
Gastkommentar

Grenze schützen – illegale Migration verhindern

am 17. Jul 2024
Sensibilisierung ja, aber…

Nach Entführungsversuchen in der Ostschweiz: Wie Facebook und Eltern die Polizeiarbeit erschweren können

am 05. Jul 2024
Pitbull vs. Malteser

Nach dem tödlichen Übergriff auf einen Pitbull in St.Gallen: Welche Folgen hat die Selbstjustiz?

am 26. Jun 2024
Politik mit Tarnkappe

Sie wollen die angebliche Unterwanderung der Gesellschaft in der Ostschweiz verhindern

am 24. Jun 2024
Paralympische Spiele in Paris Ende August

Para-Rollstuhlfahrerin Catherine Debrunner sagt: «Für ein reiches Land hinkt die Schweiz in vielen Bereichen noch weit hinterher»

am 24. Jun 2024
Politik extrem

Paradox: Mit Gewaltrhetorik für eine humanere Gesellschaft

am 10. Jun 2024
Das grosse Bundesratsinterview zur Schuldenbremse

«Rechtswidrig und teuer»: Bundesrätin Karin Keller-Sutter warnt Parlament vor Verfassungsbruch

am 27. Mai 2024
Eindrucksvolle Ausbildung

Der Gossauer Nicola Damann würde als Gardist für den Papst sein Leben riskieren: «Unser Heiliger Vater schätzt unsere Arbeit sehr»

am 24. Mai 2024
Zahlen am Beispiel Thurgau

Asylchaos im Durchschnittskanton

am 29. Apr 2024
Interview mit dem St.Galler SP-Regierungsrat

Fredy Fässler: «Ja, ich trage einige Geheimnisse mit mir herum»

am 01. Mai 2024
Nach frühem Rücktritt: Wird man zur «lame duck»?

Exklusivinterview mit Regierungsrat Kölliker: «Der Krebs hat mir aufgezeigt, dass die Situation nicht gesund ist»

am 29. Feb 2024
Die Säntis-Vermarktung

Jakob Gülünay: Weshalb die Ostschweiz mehr zusammenarbeiten sollte und ob dereinst Massen von Chinesen auf dem Säntis sind

am 20. Apr 2024
Neues Buch «Nichts gegen eine Million»

Die Ostschweizerin ist einem perfiden Online-Betrug zum Opfer gefallen – und verlor dabei fast eine Million Franken

am 08. Apr 2024
Gastkommentar

Weltweite Zunahme der Christenverfolgung

am 29. Mär 2024
Aktionswoche bis 17. März

Michel Sutter war abhängig und kriminell: «Ich wollte ein netter Einbrecher sein und klaute nie aus Privathäusern»

am 12. Mär 2024
Teuerung und Armut

Familienvater in Geldnot: «Wir können einige Tage fasten, doch die Angst vor offenen Rechnungen ist am schlimmsten»

am 24. Feb 2024
Naomi Eigenmann

Sexueller Missbrauch: Wie diese Rheintalerin ihr Erlebtes verarbeitet und anderen Opfern helfen will

am 02. Dez 2023
Best of 2023 | Meine Person des Jahres

Die heilige Franziska?

am 26. Dez 2023
Treffen mit Publizist Konrad Hummler

«Das Verschwinden des ‘Nebelspalters’ wäre für einige Journalisten das Schönste, was passieren könnte»

am 14. Sep 2023
Neurofeedback-Therapeutin Anja Hussong

«Eine Hirnhälfte in den Händen zu halten, ist ein sehr besonderes Gefühl»

am 03. Nov 2023
Die 20-jährige Alina Granwehr

Die Spitze im Visier - Wird diese Tennisspielerin dereinst so erfolgreich wie Martina Hingis?

am 05. Okt 2023
Podcast mit Stephanie Stadelmann

«Es ging lange, bis ich das Lachen wieder gefunden habe»

am 22. Dez 2022
Playboy-Model Salomé Lüthy

«Mein Freund steht zu 100% hinter mir»

am 09. Nov 2022
Neue Formen des Zusammenlebens

Architektin Regula Geisser: «Der Mensch wäre eigentlich für Mehrfamilienhäuser geschaffen»

am 01. Jan 2024
Podcast mit Marco Schwinger

Der Kampf zurück ins Leben

am 14. Nov 2022
Hanspeter Krüsi im Podcast

«In meinem Beruf gibt es leider nicht viele freudige Ereignisse»

am 12. Okt 2022
Stölzle /  Brányik
Autor/in
Christian Meyer

Christian Meyer (*1947) ist Betriebswirtschafter FH und seit 1998 als freier Journalist tätig. Er schreibt für verschiedene Medien über Foodtrends, Gastronomie, Reisen, Lifestyle und Gesellschaft. Christian Meyer lebt in Zürich.

Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.