Der Fachkräftemangel ist allgegenwärtig. Entsprechend gross war das Interesse am OFFA-Gewerbetag: «Wie man Arbeitskräfte findet und bindet. Das Fazit gleich vorweg: An inspirierenden Ansätzen mangelte es nicht.»
In der Region Ostschweiz werden am meisten Stelleninserate geschalten und sie sind auch länger ausgeschrieben als in anderen Regionen. Querbeet durch alle Branchen. «Die exklusiven Zahlen von x28 AG deuten darauf hin, dass die Ostschweiz vom Fachkräftemangel stärker betroffen ist als andere Regionen», erläuterte Christoph Lanter, Unternehmer und Moderator des 2. OFFA-Gewerbetages, der am 20. April 2023 in der Olma-Halle 9.2 in St.Gallen stattgefunden hat. Rund 200 Unternehmerinnen und Unternehmer folgten der Einladung der Galledia Event AG und schon die erste Frage via App-Voting verdeutlichte die Wichtigkeit des Themas, denn 63% gaben an, dass sie derzeit Personal suchen.
«Wir spüren den Fachkräftemangel in allen Bereichen unseres Dienstleistungsangebotes», sagte Ramon Dreier von der OBT AG. Auch für Daniela Bazzi, Inhaberin der Coiffeur Blum GmbH in St.Gallen ist die Lage schwierig: «Der Coiffeur-Beruf ist für junge Menschen nicht mehr so lukrativ, sie wählen lieber den akademischen Weg». Mit diesem Problem kämpft auch die FRIFAG Märwil AG. Niemand wolle mehr Metzger lernen, dadurch fehle dem Unternehmen eine wichtige Basis. «Entsprechend setzen wir auf Quereinsteigende und andere Arbeitsmodelle», so der Geschäftsleiter Andi Schmal. Und so suchten an diesem Tag wohl alle nach Antworten, wie man dem Fachkräftemangel entgegenwirken kann.
Den Fokus auf Soft-Skills setzen
Den ersten Versuch startete Eliane Frei in ihrem Impulsreferat. Sie ist Inhaberin von FREIRAUM, einem Unternehmen in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Kontakt mit unzähligen Führungskräften und Mitarbeitenden sieht sie konkret, wo es anzusetzen gilt: «Wir müssen bei potenziellen Mitarbeitenden die Anziehungskraft erhöhen und bei bestehenden Mitarbeitenden die Verbundenheit stärken». Dabei gehe es nicht nur um die Investition in Weiterbildungen oder Fachwissen, sondern vielmehr um persönliche Soft Skills, die Verhaltensentwicklung und die Erweiterung eigener Handlungsoptionen. Auch die betrieblichen Rahmenbedingungen würden bei der Mitarbeiterbindung eine wichtige Rolle spielen, so zum Beispiel eine wertschätzende Kommunikation, eine kompetenzbasierte Führung, starke Wurzeln im Unternehmen. Auch die Vorteile für die Mitarbeitenden sollten besser sichtbar gemacht werden. «Manchmal sind es ganz banale Dinge, die sich Mitarbeitende gar nicht mehr bewusst sind, wie ein Parkplatz vor dem Gebäude», so Eliane Frei. Was sie zudem rät, sind «Bleibe-Interviews», die man regelmässig mit den Mitarbeitenden führt. Man stellt jeder Person dieselben Fragen, wie zum Beispiel: «Was geht dir auf den Geist? Was brauchst du, dass du bleibst?» Und nicht zuletzt spiele dieser Punkt eine wichtige Rolle: Sich selbst stets zu hinterfragen und ein Vorbild zu sein. «Fangen Sie bei sich an!», ermunterte die Expertin die Teilnehmenden.
Was Mitarbeitende am meisten schätzen
In der Podiumsdiskussion stellten sich drei Unternehmer der Herausforderung, wie sie die Mitarbeitenden finden und binden. Die Thomann Nutzfahrzeuge AG in Arbon hat 2022 den Innovationspreis gewonnen. «Das hat unserem Image geholfen», sagt Luzi Thomann. Und ergänzt sogleich weitere attraktive Benefits wie die 42-Stunden-Woche in 4 statt 5 Tagen, Gratis-Massagen oder sechs Wochen Ferien ab drei Jahren Arbeitsverhältnis. Anders Markus Fust, der auf Fordern statt Verwöhnen setzt. Zudem bietet das Unternehmen innovative Technologien mit Arbeitsrotation, sodass alle Mitarbeitenden an allen Hightech-Maschinen arbeiten können. «Das macht die Arbeit spannender», ist sich der Geschäftsführer der Schreineri Fust und ecoleo Onlineschreinerei sicher. Fabian Füger von der Bäckerei Füger reduzierte von 7 auf 5 Arbeitstage, um andere Werte wie das Familienleben in den Vordergrund zu stellen. Auch die Mitarbeitenden sollen wieder mehr Zeit haben, um neue Produkte entwickeln zu können. Die Erfahrungen der drei Unternehmer zeigen: Mitarbeitende schätzen eine klare Strategie und Haltung, einen wertschätzenden Umgang und dass man ihnen Vertrauen schenkt. Letztlich hallt wohl bei vielen das Credo von Markus Fust nach: Gesagt ist nicht getan.
Was nehmen Sie vom OFFA-Gewerbetag mit?
«Das Bewusstsein, wie wichtig die Verbundenheit mit den Mitarbeitenden ist und dass der persönliche Austausch essenziell ist.»
Jasmine Grabher, Senior Management Consulting, Nellen & Partner AG, St.Gallen
«Mir gefiel der Ansatz, nicht nur mit Benefits zu punkten, sondern vielmehr zu überdenken, welche Personen die richtigen für unser Betrieb sind. Und dass wir die wichtigsten Werte bereits vorleben, nämlich respektvoll miteinander umzugehen.»
Andi Schmal, Geschäftsleiter, FRIFAG Märwil AG, Märwil
«Ich werde wieder vermehrter und bewusster auf das Miteinander im Team fokussieren.»
Daniela Bazzi, Inhaberin, Coiffeur Blum GmbH, St.Gallen
Nathalie Schoch ist freischaffende Journalistin und Mitinhaberin von Merkur Kommunikation. Sie lebt und arbeitet in Teufen.
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