Ständerat Paul Rechsteiner begründet seine ablehnende Haltung einer bundesrätlichen Vorlage mit dem bemerkenswerten Argument, dass diese das politische Gewicht der Ostschweiz gestärkt hätte. Überraschend kommt diese ostschweizkritische Haltung allerdings nicht.
Dies gelesen: «Schon heute verschafft das Ständemehr den kleinen Kantonen der Inner- und der Ostschweiz einen weit überproportionalen Einfluss auf die Bundespolitik. Und dieser Einfluss wird ständig grösser. (…) Der Nationalrat hat diesem Spuk nun rechtzeitig ein Ende gemacht.» (Quelle: www.paulrechsteiner.ch)
Das gedacht: Anfangs Dezember des vergangenen Jahres versenkte der Nationalrat eine Bundesrats-Vorlage, die internationale Verträge dem Ständemehr unterstellen wollte. Ständerat Paul Rechsteiner feiert das negative Abstimmungsresultat auf seiner Webseite mit dem Argument, dass diese Vorlage den Einfluss der Ostschweiz auf die Bundespolitik verstärkt hätte. Eine in dreifacher Hinsicht bemerkenswerte Aussage:
Erstens. Ausgerechnet ein Ständerat aus dem Kanton St.Gallen begründet seine ablehnende Haltung einer Vorlage mit der Tatsache, dass diese das politische Gewicht seines Heimatkantons gestärkt hätte. Überraschend kommt diese Ostschweiz-kritische Haltung allerdings nicht. Ständerat Paul Rechsteiner war schon immer in erster Linie der knallharte und erfolgreiche Vertreter des schweizweiten Kartells der Gewerkschaftsfunktionäre und weit weniger der Interessenvertreter der Ostschweiz. Daran ändern auch regelmässig vor Wahlen gezündete regionalpolitische Nebelpetarden wie das Bahn-Y nichts.
Zweitens. Die Notwendigkeit des doppelten Mehrs bei Verfassungsänderungen stellt sicher, dass die kleineren und weniger bevölkerten Kantone von den bevölkerungsreichen Kantonen nicht überstimmt werden. Das Ständemehr ist gelebter Minderheitenschutz. Heute kommt die Kritik am Ständemehr nun aber ausgerechnet aus jener Ecke, die sich selbst bei jeder anderen Gelegenheit als die wahren Vertreter von Minderheiten feiert. Minderheitenschutz interessiert linke Politikerinnen und Politiker offensichtlich nur dann, wenn diese Minderheit der eigenen Klientel zugerechnet werden kann.
Drittens. Einmal mehr bleibt die Ostschweiz-kritische Haltung von Rechsteiner ohne jedes mediale Echo. Dazu gehört auch die Nachsicht, mit der seine fragwürdige Rolle beim Scheitern des für die Ostschweizer Exportindustrie wichtigen institutionellen Rahmenabkommens behandelt wird. Der Polit-Methusalem geniesst unverändert redaktionellen Welpenschutz. Ein Schelm, wer Böses denkt.
Kurt Weigelt, geboren 1955 in St. Gallen, studierte Rechtswissenschaften an der Universität Bern. Seine Dissertation verfasste er zu den Möglichkeiten einer staatlichen Parteienfinanzierung. Einzelhandels-Unternehmer und von 2007 bis 2018 Direktor der IHK St.Gallen-Appenzell. Für Kurt Weigelt ist die Forderung nach Entstaatlichung die Antwort auf die politischen Herausforderungen der digitalen Gesellschaft.
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