Der Kolumnist Philipp Loser vom Tagesanzeiger sieht die Welt gerne durch seine rosa- bis dunkelrot gefärbte ideologische Brille.
Und wer Kraft seiner Überzeugung sowieso im Recht ist, muss sich nicht um Fakten scheren. Da kann man einfach mal drauflos behaupten - denn die Fakten passen sich bekanntlich den Überzeugungen an: Was nicht sein darf, kann nicht sein.
Gerade unlängst erging er sich wieder in einem derartigen Exkurs, Tenor: "Sobald Frauen mal in der Landesregierung sind, performen sie weit über dem Durchschnitt."
Dies ist zumindest eine interessante Hypothese. Hypothesen haben es aber an sich, dass man sie überprüfen sollte - und nicht als Glaubenssätze verabsolutieren.
Leider bleibt uns der Journalist diese Übung schuldig. Dafür argumentiert er:
"Als Sebastian Kurz in Österreich mit einunddreissig Kanzler wurde, lagen ihm die Journalisten zu Füssen. Als in Deutschland Annalena Baerbock mit einundvierzig Aussenministerin wurde oder Sanna Marin mit vierunddreissig finnische Premierministerin, war der Ton anders, skeptischer. Sebastian Kurz musste zurücktreten und wartet jetzt auf die Vorladung durch die Staatsanwaltschaft, es geht um Korruption. Baerbock und Marin machen ihren Job zur allgemeinen Zufriedenheit. Das ist eine Korrelation und keine Kausalität, völlig klar."
Nein, nichts ist klar. Eine Korrelation mit drei Datenpunkten? Im Ernst? Jeder Statistiker, der in der Öffentlichkeit eine "Korrelation" mit drei Datenpunkten präsentiert, würde von seinem Arbeitgeber wohl fristlos entlassen. Es wäre keine Überraschung, würde uns der Statistik-affine Journalist nächstes Mal gar eine Korrelation mit einem einzigen Datenpunkt auftischen wollen.
Doch weiter im Text: "Es ist auffällig, dass von Frauen in solchen Positionen nicht nur mehr erwartet wird, sondern dass sie oft auch mehr leisten. Das lässt sich an den Karrieren jener neun Frauen aufzeigen, die seit der Gründung des Bundesstaates in den Bundesrat gewählt wurden. Ausnahmslos jede von ihnen performte weit über dem Durchschnitt." Die Hypothese nochmals verschärft: Es ist nicht mehr bloss die Gesamtheit der Frauen, sondern jede einzelne, die Überdurchschnittliches leistet.
Natürlich ist es nicht ganz trivial, die Leistung von Bundesräten zu messen. Ein denkbarer Parameter wäre die Anzahl der Geschäfte, die eine Departementsvorsteherin oder ein Departementsvorsteher durch die eidgenössischen Räte bringt. Ein anderes Kriterium die Geschäfte, die er oder sie erfolgreich durch eine Volksabstimmung bringt. Wenn man sich die Referendumsabstimmungen der letzten zehn Jahre auf eidgenössischer Ebene anschaut, dann stellt man fest, dass Bundesrätinnen, die eine Vorlage vertraten, im Durchschnitt tatsächlich leicht besser abschnitten als ihre männlichen Kollegen.
Am schlechtesten von allen Bundesräten in dieser Hinsicht schlugen sich aber ausgerechnet die auf das Jahresende hin zurücktretenden Ueli Maurer und Simonetta Sommaruga. Beruhigt kann man feststellen: Es sind quasi die "richtigen" Bundesräte, die zurücktreten. Vor allem Ueli Maurer reihte schon fast Niederlage an Niederlage - aber auch Sommaruga verlor ihre letzten drei Referendumsabstimmungen allesamt.
Schliesst man Maurer und Sommaruga aus der Betrachtung aus, dann ist das Erfolgs-Misserfolgs-Verhältnis zwischen Bundesräten und Bundesrätinnen in den letzten zehn Jahren quasi identisch.
Das letztlich schlechte Abschneiden von Simonetta Sommaruga vor allem in ihrer Zeit als UVEK-Vorsteherin widerlegt damit natürlich glatt die im Ton der Gewissheit vorgetragene Behauptung des TA-Journalisten, "ausnahmslos jede" Bundesrätin habe "weit über dem Durchschnitt" (ihrer männlichen Kollegen) performt. Die Zahlen sprechen schlichtweg eine andere Sprache.
Der berühmte österreichische Nationalökonom Joseph Schumpeter sagte einst über Marx: "Nie hat er die positive Wissenschaft verraten". Es wäre schön, könnte man ebensolches auch von linken Schreiberlingen unserer Zeit behaupten.
Thomas Baumann ist freier Autor und Ökonom. Als ehemaliger Bundesstatistiker ist er (nicht nur) bei Zahlen ziemlich pingelig.
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