Die CP Schule Birnbäumen feiert ihr 60-Jahr-Jubiläum. Eine der tragenden Säulen dieser pädagogischen Einrichtung ist seit über drei Jahrzehnten ihr Präsident Heinz Loretini. Ein Gespräch über die Geschichte, Zukunftspläne und seinen persönlichen Bezug zu dieser Schule.
Herr Loretini, die CP Schule St. Gallen, die zur GHG, Gemeinnützige und Hilfsgesellschaft, mit fünf weiteren Einrichtungen gehört, gibt es seit über 60 Jahren. Aber eigentlich ist die Geschichte dieser Schule ja viel älter?
Ja, das stimmt. Der Anfang der GHG geht zurück auf das Jahr 1816, in dem in der Schweiz aufgrund eines Vulkanausbruchs in Neuseeland kein Sommer stattfand - es hat sogar im Juli geschneit! Dies hatte eine grosse Hungersnot zur Folge und um den besonders Bedürftigen zu helfen, wurde damals die «Hülfsgesellschaft» gegründet.
Fast 150 Jahre später wurde mit der Gründung der Invalidenversicherung die Finanzierung des Behindertenwesens in der Schweiz auf staatliche Beine gestellt. Gleichzeitig kämpfte man mit den Folgen der Kinderlähmungsepidemien der 1940er und 1950er Jahre. Bei der letzten davon, 1954, erkrankten 1628 Kinder in der Schweiz. Als Folge dieser beiden Entwicklungen entstand 1962 in St.Gallen die CP-Schule - damals mit vier Kindern.
Sie setzen sich seit 35 Jahren im Vorstand, davon seit 17 Jahren als Präsident für die CP-Schule ein. Ihr ganz persönlicher Bezug zu dieser pädagogischen Einrichtung geht jedoch bereits auf Ihre Kindheit zurück und Sie haben spezielle Erinnerungen an diese Zeit?
Ich bin mit der CP-Schule schon seit meiner Kindheit verbunden. Vor über 50 Jahren - damals befand sich die CP-Schule noch mit wesentlich weniger Kindern im Blarerhaus auf dem Areal des Bürgerspitals - wirkte meine Mutter dort als Hilfsköchin und nahm mich oft dorthin mit zum Mittagessen. Für mich war das ganz «normal». Als ich 14 Jahre alt war, sammelte ich einmal am Bahnhof St.Gallen Geld für die CP-Schule, indem ich Gerbera verkaufte. Leider lief der Verkauf eher schleppend, bis der damalige Direktor der «Frisco» vorbeikam und mir alle restlichen Gerbera abkaufte, sodass genügend Geld für den damaligen Sammelzweck vorhanden war. Für mich ein grosses Erfolgserlebnis, das mich sehr stolz gemacht hat und das ich nie vergessen werde.
Vor rund 60 Jahren startete die CP-Schule mit vier Kindern. Wie viele sind es heute und was ist das spezielle Betreuungsangebot?
In der CP Schule Birnbäumen an der Flurhofstrasse betreuen wir heute 71 Kinder und Jugendliche aus verschiedenen Ostschweizer Kantonen mit einer körperlichen Beeinträchtigung. Diese Betreuung findet zum einen im Rahmen des individuell angepassten schulischen Alltags mit integrierten Therapieangeboten wie Phyiso-, Ergo-, oder Logopädie statt. Zum anderen bieten wir für Schüler und Schülerinnen der CP-Schule als freiwilliges Angebot ab der Mittelstufe eine therapeutische Wohngruppe an. Dieses kann ein- bis zweimal pro Woche mit Übernachtung genutzt werden. Angepasst an die Bedürfnisse der Jugendlichen lernen sie alltägliche Aufgaben in Begleitung von Fachkräften kennen. Gemeinsames Planen, Kochen, Diskutieren, Freundschaften Pflegen, Kinobesuche, ÖV-Training und vieles mehr soll das Potenzial der Jugendlichen zur Selbständigkeit entfalten. Das Angebot der therapeutischen Wohngruppe bedeutet auch für die Angehörigen eine wichtige Entlastung.
Auf welcher Grundlage werden Förderziele im Unterricht und in der Therapie verfolgt?
Als Grundlage dient uns der Lehrplan der Volksschule St.Gallen. Die Förderziele versuchen wir mit den einzelnen Jugendlichen individuell zu vereinbaren. In den meisten Fällen ist eine Integration in den ersten Arbeitsmarkt das oberste Ziel nach dem Schulabschluss bei uns.
Wie schwierig ist es für die CP-Schülerinnen und Schüler, nach dem Schulabschluss eine Lehrstelle zu finden und wie sieht es mit der Bereitschaft der Unternehmen in der Region aus, Jugendliche mit einer körperlichen Beeinträchtigung in den Lehrbetrieb zu integrieren?
Es sind eigentlich immer wieder die gleichen Unternehmen, an die wir unsere Schülerinnen und Schüler vermitteln können. Es wäre schön, wenn mehr Betriebe in der Region Lehrstellen für unsere Schülerinnen und Schüler anbieten würden. Für die Stellensuchenden ist es oft sehr schwierig, nicht den Mut zu verlieren, wenn sie oft abgelehnt werden. Vielleicht ein Beispiel: Einer unserer Schüler, Romeo, ist topmotiviert und hat für seine Bewerbungen einen tollen Videoclip gedreht. Nach über 20 Ablehnungen war er ziemlich demotiviert und wollte sich eigentlich schon für den zweiten Arbeitsmarkt bewerben. Aber dann hat es in einem Betrieb in Appenzell doch noch geklappt, worüber er sich nun riesig freut.
Was sind die kommenden Herausforderungen für die CP-Schule und für Sie als Präsident?
Wie man bei einem Besuch schnell feststellen kann, platzt die Schule an den Räumlichkeiten an der Flurhofstrasse aus allen Nähten. Die vielen Rollstühle verstopfen die Gänge, was unter anderem auch feuerpolizeilich ein Problem darstellt. Geplant ist ein Neubau – nachdem das Wohnheim Riederenholz gebaut ist an dessen altem Standort. Dazu sind wir im Moment in Verhandlungen mit der Stadt und es wird dazu in Kürze eine Parlamentsvorlage geben. Wenn alles rund läuft, können wir in etwa fünf Jahren den neuen Standort beziehen, was ein wichtiger Meilenstein wäre. Ich hoffe sehr, dass uns dies gelingt und ich werde die CP-Schule auf ihrem Weg dorthin gerne noch einige Jahre als Präsident begleiten.
Astrid Nakhostin (1959), freischaffende Journalistin, hat Betriebswirtschaftslehre studiert und war 26 Jahre lang als Marketingleiterin bei St.Gallen-Bodensee Tourismus tätig. Die letzten fünf Jahre gehörte sie dem Redaktionsteam des Swissregio Media Verlags an, zuletzt als Redaktionsleiterin der Bodensee Nachrichten.
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