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Fachbeitrag

Private Equity für KMU in der Schweiz: Chance oder Risiko?

Nach dem Hoch im Jahr 2021 ist der M&A-Markt der Schweiz auch 2022 weiter im Aufwärtstrend. Eine Studie von Deloitte nennt 133 abgeschlossene Transaktionen für das erste Halbjahr. Bei knapp jeder zweiten Fusion oder Übernahme hat ein internationales Unternehmen ein schweizerisches KMU aufgekauft.

Nicole Schmidt am 27. September 2022

Die meisten Investoren stammen dabei aus Deutschland und den USA. Am stärksten interessierten sich die Käufer für Unternehmen aus dem Bereich TMT (Technologie, Medien & Telekommunikation) sowie der Industrie und dem Dienstleistungssektor.

Doch KMUs in der Schweiz werden nicht nur übernommen, sondern tätigen selbst grenzüberschreitende Transaktionen. In 30 Prozent der Fälle kaufte ein schweizerisches KMU ein internationales KMU. Das Gesundheitswesen gehörte bei diesen Akquisitionen neben TMT und der Industrie zur drittwichtigsten Branche.

Eine Übernahme bietet sich häufig dann an, wenn in kleineren oder mittelgrossen Unternehmen der Generationswechsel ansteht. Hat ein Firmengründer keinen Nachwuchs oder seine Kinder andere berufliche Pläne, steht die Zukunft des Unternehmens schnell auf der Kippe. Kommt weder ein Börsengang noch eine Übergabe an das Management (Management-Buy-out) infrage, bleibt fast nur der Verkauf. Dabei gelten Private-Equity-Gesellschaften als besonders aktive Finanzinvestoren.

Wie verändert Private Equity die KMUs in der Schweiz?

Wer als Investor ein Unternehmen kauft, erwirbt nicht nur eine Marke, die Technologie und erfolgreiche Produkte – sondern auch die Unternehmenskultur und vor allem die Mitarbeitenden. Im Idealfall bringt der neue Besitzer als strategischer Partner die nötige Erfahrung mit der Branche und einen Mehrwert ein, um das Unternehmen mit Erfolg weiterzuentwickeln. Mit den neuen Impulsen, Kontakten und Technologien des Investors eröffnen sich Wachstumschancen für das KMU. Eine internationale Expansion ist möglich und neue Märkte können erschlossen werden.

Gleichzeitig führt die Übernahme meist zu einer stärkeren Verschuldung des Unternehmens. Damit ist ein höheres Insolvenzrisiko verbunden, das die Zukunftsaussichten wiederum eintrübt.

Der Verkauf oder die Fusion eines Unternehmens bringt naturgemäss Unruhe in das Team. Die Gefahr besteht, dass besonders gefragte Spezialisten kündigen. Deshalb ist in der Phase der Veränderung eine kontinuierliche und klare Kommunikation essenziell. Im Idealfall erkennen die Mitarbeitenden, dass Private Equity zwar Risiken mit sich bringt, aber auch zahlreiche Chancen. Steigt ein finanzstarkes Unternehmen ein, kann dies zumindest mittelfristig mehr Sicherheit für die Arbeitsplätze bedeuten.

Die Exit-Strategie im Private Equity

Wie sicher die Zukunft ist, hängt mit der Frage zusammen, welche Exit-Strategie der Finanzinvestor plant. Stammt das investierte Kapital von vermögenden Privatpersonen sowie institutionellen Investoren, erwarten diese ihr Investment hoch verzinst und zur vereinbarten Zeit zurück. Oft steht nach fünf Jahren ein IPO an oder ein anderweitig gewinnbringender Verkauf. Das beeinflusst die unternehmerischen Entscheidungen und verhindert oftmals eine langfristig angelegte Strategie. Stattdessen wird outgesourct und das Personal reduziert. Manche Finanzierungen laufen jedoch sogar bis zu zehn Jahre.

Mit der Strategie des „Buy and Build“ kommt es in der Regel zu Zukäufen. Durch diese Add-ons erhöht sich zudem die Zahl der Mitarbeitenden. Bei dieser Strategie soll mit weiteren Unternehmen(steilen) ein Konzern oder eine Plattform aufgebaut werden. Ein Beispiel für diesen Ansatz ist die Swiss IT Security Group («SITS»). Durch den Kauf von zahlreichen Unternehmen an insgesamt 18 Standorten etablierte sich SITS als einer der führenden IT-Sicherheitsdienste in der Schweiz.

Nach einem Börsengang müssen sich die Führungskräfte meist wenig Sorgen machen, ersetzt zu werden. Im besten Fall profitieren sie von einer Beteiligung am Börsenerfolg. Verkauft der Investor das KMU hingegen an das nächste Private-Equity-Unternehmen weiter, wird die Strategie und Kultur erneut durcheinandergewirbelt – und die Verschuldung wächst möglicherweise.

Private Equity und die Unternehmenskultur

Ein Investor beeinflusst häufig die Unternehmenskultur und die Werte des Unternehmens. Nicht umsonst war lange Zeit «Heuschrecke» ein gängiges Synonym für Finanzinvestoren. Auch dieser Effekt kann dazu führen, dass sich Mitarbeitende im Unternehmen nicht mehr wohl fühlen.

Möglicherweise brauchen die Mitarbeitenden zusätzliche Kenntnisse, wenn sie für ein Private Equity-geführtes Unternehmen arbeiten. Das gilt besonders für das Finanzwesen. Der CFO berichtet nicht mehr nur an den eigenen CEO, sondern ebenfalls an das Private-Equity-Unternehmen. Darüber hinaus wird von allen Führungskräften erwartet, dass sie schnell Veränderungen herbeiführen und Ideen umsetzen – und in kurzer Zeit erfolgreich liefern. Die Investition muss sich schliesslich lohnen und das Unternehmen soll profitabel wachsen. Als «Sprachrohr» des Investors müssen die Führungskräfte die neue Strategie überzeugend kommunizieren und ihr Team motivieren.

Auch spezielle Kenntnisse sind gefragt, zum Beispiel zum Thema Finanzierungen, Investments, Desinvestments, Merger & Acquisition oder der Integration von zugekauften Unternehmen. Wer Erfahrung in der Unternehmensberatung oder vergleichbaren Branchen gesammelt hat, ist dem Druck durch Investoren mitunter besser gewachsen.

Laut einer Schätzung der Schweizer Börse suchen 200 Schweizer KMUs mit schnellem Wachstum aktuell und in den nächsten Jahren Eigenkapital auf öffentlichen Märkten. Wird die Nachfolge durch den Einstieg eines Finanzinvestors gesichert, können die Mitarbeitenden zunächst aufatmen. Die mittelfristige Perspektive inklusive der angestrebten Exit-Strategie sollte schnell und transparent kommuniziert werden. Nur so lässt sich erreichen, dass loyale Mitarbeitende an Bord bleiben und ihre Kolleginnen und Kollegen motivieren, das gleiche zu tun.

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Autor/in
Nicole Schmidt

Nicole Schmidt ist Konsulentin bei Nellen & Partner in Zürich.

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