Wir Raiffeisenbanken gehen momentan durch nicht ganz einfache Zeiten. Das weiss unterdessen die ganze Schweiz. Die Chancen sind aber einmalig.
Ja, es sind schwere Zeiten. Dabei sind wir seit Jahrzehnten lokal tätig, bodenständig aufgestellt, erfolgreich am Markt und gelten bei Kunden und Konkurrenten als volksnah und seriös.
Viele Jahre zierten wir in der Beliebtheitsskala der Schweizer Bankenszene den ersten Platz in so wichtigen Umfragekriterien wie «Vertrauen» und «Kundennähe». Nicht zuletzt das genossenschaftliche Modell, welches im Grundsatz «Hilfe zur Selbsthilfe» bedeutet, war ein strategiescher Erfolgsfaktor, auf den die ganze vereinigte Mitbewerber-Schar einfach nicht adäquat reagieren konnte.
Aber jetzt ist alles anders! Jedermann glaubt, er könne unserer Raiffeisengruppe erklären, was, wann, wie und mit wem zukünftig gemacht werden soll.
Natürlich: Nach dem verheerenden FINMA-Enforcement-Bericht, der wie eine Bombe auch bei uns autonomen Raiffeisenbanken einschlug, stellen sich viele Fragen. Vor allem die, wie man mit der Tochter Raiffeisen Schweiz in Zukunft umgehen will und wie man diese (wieder) besser unter Kontrolle bringt?
Die Besitzer von RB Schweiz, das sind bekanntlich ja die heute noch 255 autonomen Raiffeisenbanken, verteilt in der ganzen Schweiz. Diese haben in den letzten Jahren ihren Einfluss in St.Gallen mehr und mehr verloren.
Der charismatische Pierin Vincenz wusste geschickt, wie man die einzelnen Genossenschaften an der langen Leine führen konnte, obwohl es aus Sicht der Besitzesverhältnisse genau hätte gegenteilig sein sollen.
Raiffeisen aber deshalb gleich als erledigt zu betrachten, ist dann doch etwas gar wagemutig.
Warum? Wir sind wahrscheinlich die grösste, sicherlich aber die finanzstärkste Genossenschaft der Schweiz. Mit 1,9 Mio. Genossenschafterinnen und Genossenschaftern sind wir breit abgestützt; 3,7 Mio Kundinnen und Kunden arbeiten alleine in der Schweiz mit einer Raiffeisenbank zusammen.
Die Mitglieder können verblüffenderweise gut unterscheiden, was bei Raiffeisen gut und was bei Raiffeisen Schweiz schlecht oder falsch gelaufen ist.
Die Chance für die Raiffeisenbanken ist somit einmalig.
Warum? Sie haben aufgrund der Vorkommnisse im St.Galler Zentralsitz es jetzt in der Hand, die Kontrolle über den losgelösten «Servicedienstleister RB Schweiz» zurück zu gewinnen und damit sicher zu stellen, dass Raiffeisen auch in Zukunft Raiffeisen im Sinne der Bankgründer ist und bleibt.
Ethisch korrekt, nachhaltig im Geschäftsmodell, sympathisch im Auftritt, menschlich im Umgang mit Kunden und Mitarbeitern, nicht abgehoben was die Saläre und Entschädigungen betrifft.
Kombiniert mit den bisher schon vorhandenen Positiv-Punkten, würde Raiffeisen damit in Zukunft für die Mitbewerber ein noch ein herausfordernder Marktteilnehmer sein, als es das bis anhin schon war. Und das wäre gut so!
Der verheiratete CVP-Kantonsrat führte während einem Vierteljahrhundert eine Raiffeisenbank. Er war Gründungsmitglied einer genossenschaftlichen Lokalzeitung im Hinterthurgau, die er jahrelang als VR-Präsident ehrenamtlich führte. Der frühere Kunstturner ist jetzt freiberuflich tätig und momentan mit der Neulancierung eines Bücherladens in seiner Wohnortsgemeinde Aadorf beschäftigt. Er ist Ehrenmitglied der VTS (Vereinigung Thurgauer Sportverbände), wo er Sport und Politik einander näher brachte.
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