Der Kanton Thurgau verzeichnete noch nie so viele Stellensuchende wie gegenwärtig.
Am 31. Dezember 2020 waren auf den drei Regionalen Arbeitsvermittlungsstellen (RAV) in Frauenfeld, Kreuzlingen und Amriswil 7'878 Personen gemeldet, die auf der Suche nach einem Arbeitsplatz sind. Davon sind 4'290 Männer und Frauen als arbeitslos registriert. Gegenwärtig gestaltet sich die Suche und die Vermittlung für einen neuen Arbeitsplatz schwierig, denn seit Ende Oktober gibt es hauptsächlich coronabedingt deutlich weniger offene Stellen.
Die Dezember-Statistik des Amtes für Wirtschaft und Arbeit präsentiert den Arbeitsmarkt im Thurgau im Detail und verdeutlicht die alarmierenden Zahlen bei den stellensuchenden Personen. Daniel Wessner, Leiter des Amtes für Wirtschaft und Arbeit (AWA), weist auf den starken Anstieg von März bis Mai hin und den kontinuierlichen Anstieg der Stellensuchenden seit Oktober. «Die Corona-Krise ist damit endgültig auf dem Arbeitsmarkt angekommen. Wir haben zurzeit über 30 % mehr Stellensuchende als im Vorjahr. Die Quote der Stellensuchenden liegt aktuell bei 5,1 Prozent.» 56 Prozent der Stellensuchenden sind Männer – konkret 4'410; 3'468 sind Frauen. Das entspricht einem Anteil von 44 Prozent. Vor einem Jahr vermeldeten die RAV-Zentren 6'006 Stellensuchende, also 1'872 Personen weniger. Davon waren damals 3'306 als arbeitslos registriert.
Stellensuchende sind nicht zwingend arbeitslos
Im Gegensatz zu den gegenwärtig 4'290 arbeitslosen Personen, die Taggeld von der Arbeitslosenversicherung erhalten, handelt es sich beim Überbegriff «Stellensuchende» auch um Versicherte, die sich zwecks Beratung und Unterstützung auf dem RAV angemeldet haben. Die einen wissen, dass ihre Anstellung unsicher oder befristet ist, andere wollen aus unterschiedlichen Gründen den Arbeitsplatz wechseln und weitere sind zwar arbeitslos, haben aber einen Zwischenverdienst oder sind in einem arbeitsmarktlichen Förderprogramm. Ebenso werden arbeitslose Personen, die krankgeschrieben sind oder Militärdienst leisten, als stellensuchend bezeichnet.
Gesamtheitliche Begleitung
Heinz Erb, Leiter der Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV), hält fest, dass bei den Dienstleistungen der drei RAV-Zentren kein Unterschied gemacht werde zwischen Stellensuchenden oder Arbeitslosen. Nach der Anmeldung gehe es darum, eine Lagebeurteilung zu machen und gemeinsam mit der RAV-Beraterin oder dem RAV-Berater eine individuelle Wiedereingliederungsstrategie zu erarbeiten. In regelmässigen Beratungsgesprächen bieten die RAV eine gesamtheitliche Begleitung und Unterstützung auf dem Weg zu einer neuen Anstellung. Bei den arbeitsmarktlichen Massnahmen wie Weiterbildung oder Einarbeitung erfüllen arbeitslose Personen grundsätzlich die Bedingungen zur Teilnahme an Förderprogrammen. Personen, die keinen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung haben, können laut Marcel Schaer, Leiter Arbeitsmarktliche Massnahmen, zumindest teilweise mit gezielten Förderprogrammen unterstützt werden.
Hohe Nachfrage bei den RAV-Zentren
Trotz der grossen Zunahme an Neuanmeldungen bei den Stellensuchenden respektive Arbeitslosen erhöhte das RAV seinen Personalbestand nur moderat. RAV-Leiter Heinz Erb sagt: «Der höhere Arbeitsaufwand kann teilweise abgefangen werden durch vermehrte Telefonberatungen.» Aufgrund der COVID-19-Schutzmassnahmen erfolgen Gespräche, die nicht zwingend die Anwesenheit der stellensuchenden Person erfordern, gegenwärtig telefonisch. Erfahrungsgemäss sind Telefonberatungsgespräche kürzer als die sonst üblichen Beratungsgespräche vor Ort. Dies ermöglicht den RAV-Beraterinnen und -Beratern, mehr Personen zu betreuen und mehr Dossiers zu bearbeiten. AWA-Amtsleiter Daniel Wessner geht nicht davon aus, dass sich die Lage in den nächsten Wochen beruhigt. Verhalten optimistisch meint er: «Normalerweise erholt sich der Arbeitsmarkt jeweils in den Sommermonaten. Es bleibt zu hoffen, dass dies auch im 2021 so sein wird.»
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