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Zeyer zur Zeit

Schnatter, quiek, quak: Sauglattismus und Kakophonie in Coronazeiten

Alles löst sich auf. In der Corona-Berichterstattung ist nun endgültig der Virus drin.

«Die Ostschweiz» Archiv am 25. Februar 2021

Noch bis zum zweiten Lockdown waren sich eigentlich alle grossen Massenmedien in der Schweiz einig: Unsere Regierung macht einen guten Job. Vielleicht hätte sie manchmal schneller und härter durchreifen sollen, aber der «Sonderweg Schweiz» hat doch eigentlich prima funktioniert.

Kleine Schnitzer sind menschlich, aber toll, dass unser Gesundheitsminister zu grossen Formen aufläuft. Dabei ist er doch noch für so vieles anderes zuständig. Zum Beispiel Kultur, Künstlerinnen, halt alles, wo es ein Innen gibt.

Der Chef des EDI konnte sich in Lobhudeleien baden, er brachte die wichtigsten Voraussetzungen mit. Telegen und fotogen, super sitzende Anzüge, entscheidungsfreudiges Kinn, energische Augenbrauen, zupackende Augen. Fachwissen? Ach was, wozu auch, kann man von einem Berufspolitiker und Parteifunktionär doch nicht erwarten.

Aber, das ewige Gesetz des Boulevard, was hochgeschrieben wird, kommt auch wieder runter. Die Lobeshymnen verstummten, stattdessen Meckereien, Kritik, Zweifel, und dann noch ein Gutachten, das er dem Bundesrat vorenthalten haben soll. Darin gleicht er seinem deutschen Kollegen Jens Spahn. Ebenfalls Berufspolitiker, steile Kurve nach oben, schon als möglicher Kanzlerkandidat gehandelt.

Aber inzwischen wurde er so zusammengefaltet und geschrumpft, dass er ohne fremde Hilfe kaum mehr über eine Türschwelle kommt. Konzeptlos, Impf-Desaster, allgemeines Chaos, schon werden die ersten Forderungen nach Rücktritt laut.

So ruppig geht man in der Schweiz nicht mit Bundesräten um. Vielleicht aus Respekt davor, dass sich viele Leser sicher noch an die bis ins gehaltene hohe C gesteigerte Jubelarien auf Alain Berset erinnern.

Aber was nun? Natürlich, lautere Kritik am Bundesrat, am BAG, an der Impfkampagne. Aber einerseits aus Gewohnheit die Forderung nach energischeren Massnahmen. Andererseits ist nun auch bei den meisten Massenmedien das Chaos ausgebrochen.

«Diese fünf Entwicklungen machen Mut», titelt Tamedia und jubelt: «Das Virus ist in der Schweiz und weltweit auf dem Rückzug.» Aber gleich der nächste Titel wischt das fröhliche Grinsen aus dem Gesicht der Leser: «Robert-Koch-Institut rechnet mit Anstieg von Coronafällen».

Ja, was denn nun? Da hilft auch kein Ausflug in den Sauglattismus: «17 Tipps gegen den Corona-Blues: Malen, Schneckenhäuschen sammeln, heiraten». «22 Prozent weniger Ansteckungen in 7 Tagen», knallt der Tagi dem Koch-Institut in die Maske.

Auch das bunte Blatt des Schwarzweissdenkens gerät etwas aus der geraden Spur. «Aufstand der Mamis» gegen Maskenpflicht in den Schulen. Noch vor wenigen Monaten wäre das als völlig unverantwortlich, fahrlässig, gar kriminell niedergemacht worden. Aber jetzt erscheint eine einfühlsame Reportage, in der Mütter aller Orten ihren Widerstand gegen das Maskenregime begründen dürfen.

«Hochbetagte infizieren sich jetzt viel seltener mit Corona», «Jetzt startet Appenzell Innerrhoden mit Massentestes», gute Nachrichten. Aber: «Massentest-Offensive läuft träge an», «Corona-Hammer in Österreich». Auch der «Blick» lässt seine Leser inzwischen ratlos zurück.

Trägt wenigstens «watson» etwas zur Aufklärung, zur Orientierung bei? Dumme Frage: «Beziehungen im Corona-Lockdown sind der Horror. DER HORROR!» Eine Blödelfilm-Produktion der «world of watson». Neben «Lustige Tierbilder III» wenigstens eine Ansage: «Der März wird ein entscheidender Monat – aus diesen drei Gründen». Raten wir mal: 1. Weil der Februar kein entscheidender Monat ist. 2. Weil rückwärts gelesen Zräm herauskommt und wir uns entscheiden müssen, was das wohl bedeutet. 3. Weil Untersuchungen von Schildkröten auf Cabo Verde ergeben hat, dass die den März nicht mögen.

Okay, knapp daneben. Aber die bei «watson» aufgeführten Gründe sind auch nicht viel sinnvoller. «20 Minuten» hingegen sieht das Positive: «Das warme Wetter hilft gegen den Corona-Frust», «Zahl der Corona-Neuinfektionen so tief wie seit September nicht mehr».

«blue news» hingegen ist hin und her gerissen. «Weniger Ansteckungen bei Hochbetagte», aber «Pandemie wirft Hotellerie ins Jahr 1950 zurück». Eher wenig Wirtschaftskenntnisse zeigt das Portal, wenn es um dieses Thema geht: «Wegen Corona: Swiss Re macht Verlust von 787 Millionen Dollar». Das hätte der ewige Chef Walter Kielholz gerne, denn Corona ist bekanntlich an fast allem schuld. Aber Hunderte von Millionen, die in ein Projekt zur Verbesserung der finanziellen Operationen gesteckt wurden, verpufften wirkungslos.

Immerhin die NZZ, sowieso die Rettung dieser Kolumne, verteilt weiterhin souverän Lob und Tadel: «Die Corona-Impfaktion legt schonungslos offen, woran das System Schweiz während der Pandemie krankt.» Gleichzeitig gibt das Blatt wieder Anlass zu Befürchtungen: «Bei Ausländern steigt die Erwerbslosigkeit im Zuge der Corona-Krise deutlich stärker als bei Schweizern». Also das ist doch nur Wasser auf die Mühlen der SVP, eigentlich sollte man doch – wie bei Polizeiberichten – auf die Erwähnung der Nationalität ganz allgemein verzichten.

Aber insgesamt haben es die Medien inzwischen geschafft. Öffnen, schliessen, dritte, vierte fünfte Welle? Oder letzte Welle? Läden zu oder offen, und wenn ja, ab wann? Frieren vor dem Restaurant erlaubt, drin sitzen verboten? Wirken die Impfstoffe oder nicht, werden sie so schnell wie möglich verabreicht, oder hat auch hier das BAG wieder versagt? Bedeutet irgendein Rückgang der Zahlen was Gutes oder täuscht nur etwas vor?

Man weiss es nicht mehr, man ist verloren im Labyrinth der Kakophonie; was sind die News, sind es nur Echos, alles im Griff oder unterwegs ins Chaos? Weiss man’s? Was weiss man überhaupt?

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«Die Ostschweiz» ist die grösste unabhängige Meinungsplattform der Kantone SG, TG, AR und AI mit monatlich rund einer halben Million Leserinnen und Lesern. Die Publikation ging im April 2018 online und ist im Besitz der Ostschweizer Medien AG.

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