Business is local, wie wir alle wissen. Nur bei den Medien scheint das nicht mehr zu gelten. Mit welchen Folgen?
Das Tagblatt musste sich schon daran gewöhnen, dass unter der Herrschaft der NZZ Luzern, Zürich und St. Gallen eng zusammenrückten. Zumindest auf dem Papier. Nun wird es noch umfassender – und enger. Zum neuen Konglomerat CH Media gehören über 20 Zeitungstitel. Vom Mittelland über die Nordwestschweiz, die Zentralschweiz und den Osten. Willkommen in der Welt der Mantelzeitungen.
Natürlich, die Medien müssen sich warm anziehen, weil ihnen über Jahre hinweg keine Antwort dazu eingefallen ist, wie man im Internet mit der Ware News Geld verdient – und es sich nicht von Giganten wie Google oder Facebook wegnehmen lässt. Also lautet der Schönsprech, dass nun eine schlagkräftige Mantelredaktion alle überregionalen Themen bespiele, also Politik, Wirtschaft, Sport und Kultur. Während die Regionalredaktionen sich voll auf das Regionale konzentrieren könnten.
Weniger schön ist, dass die zurzeit rund 70 Mantelredaktoren wissen, dass bei ihnen gespart werden wird. Sie wissen auch, dass sie zentralisiert werden; entweder in Aarau oder in Zürich. Wer dabei bleiben will, darf sich den Pendlerströmen anschliessen. Und auch in St.Gallen sind Sparmassnahmen, der Umzug der Redaktion aus ihrem traditionellen Gebäude in die Agglomeration, die Einführung eines Newsrooms und weitere Sparmassnahmen nicht spurlos vorübergegangen. Kann das gutgehen?
Business is local, das lernt jeder angehende HSG-Absolvent in St. Gallen, wenn auch in der nicht sehr lokalen Geschäftssprache Englisch. Die Sicht der Dinge stellt sich in St. Gallen anders da als in Basel. Als in Luzern. Als in Aarau. Und sowieso anders als in Zürich. Und dabei geht es nicht um die berühmte Lokalreportage über den Gesangsverein oder den Kleintierzüchterverband. Sondern um unterschiedliche Mentalitäten, Interessen, Wichtigkeiten.
Es ist klar, dass beispielsweise die Bundesratskandidatur einer St. Galler Ständerätin für St. Gallen, für die Ostschweiz eine andere Bedeutung hat als für Basel, Luzern oder Zürich. Das ist das eine. Das andere: News als solche sind heute gratis. Das ist so; man kann sie sich auf Papier gratis besorgen oder im Internet gratis abholen. Das Angebot von News gegen Bezahlung muss für den Käufer einen einsehbaren Mehrwert enthalten. Ein Jahresabo Print und Digital des Tagblatts kostet rund 500 Franken. Das ist ein hübscher Betrag, der verdient werden will.
Eine Beurteilung der Ergebnisse der Midterm-Wahlen in den USA kann ohne weiteres in einer Zentralredaktion erfolgen. Sie schafft sogar echten Mehrwert, wenn dazu nicht eine Agenturmeldung der SDA verwurstet wird, sondern der Korrespondent vor Ort in die Tasten greift. Das liegt dann oberhalb von Gratis-News. Aber reicht das, um einen Abopreis von 500 Franken zu rechtfertigen?
St. Gallen hat überraschungsfrei nicht den gleichen Blick auf die Welt wie Luzern. Auch nicht wie Aarau. Nicht wie Zürich. Nicht wie Basel. Nun bekommt aber der St. Galler das gleiche Gericht vorgesetzt wie die anderen auch. Obwohl man in Zürich die Bratwurst mit Senf isst. Und an beiden Orten mit der Luzerner Chügeli-Pastete nicht wirklich viel anfangen kann. Während der Aarauer Basler Läckerli nicht zu seinen Leibspeisen zählt und dafür die Rüeblitorte nicht hergeben würde.
Ein unfairer Vergleich? Nein, es geht hier um die Bekömmlichkeit eines Gerichts, um die Frage, ob Bratwurst, Senf, Pastete, Rüebli und Läckerli zumindest friedlich koexistieren können. Zu befürchten ist: nein, können sie nicht. Den Journalisten von CH Media ist natürlich zu wünschen, dass es ihnen nicht so geht wie ihren Kollegen der Tageswoche. War auch ein Experiment, ging nicht.
Dagegen ist «Die Ostschweiz» natürlich das Modell der Zukunft. Sicher, muss ich schreiben. Nein, will ich auch schreiben. Sie ist nicht das Modell, aber ein Modell. Denn das World Wide Web ermöglicht interessanterweise Lokales. Da gilt die einfache Gleichung: Umso weiter weg vom Lokalen, umso einfacher, sich gratis alle gewünschten Informationen zu besorgen.
«Die Ostschweiz» ist die grösste unabhängige Meinungsplattform der Kantone SG, TG, AR und AI mit monatlich rund einer halben Million Leserinnen und Lesern. Die Publikation ging im April 2018 online und ist im Besitz der Ostschweizer Medien AG.
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