Auch in St. Gallen wurde ein Zeichen gegen Rassismus gesetzt. Organisiert von Samantha Wanjiru. Eine Dame mit einer Botschaft. Und mit Wissenslücken.
«Ein neues Gesicht im Kampf gegen Rassismus in der Ostschweiz», schwärmt das Schweizer Fernsehen SRF. Auch das «Tagblatt» porträtiert die 26-Jährige mit kenianischen Wurzeln; «Saiten» widmet ihr ein Interview.
Denn sie organisierte die «Black Lives Matter»-Demonstration in St. Gallen, an der rund 1100 Kämpfer gegen Rassismus teilnahmen. 800 mehr, als damals erlaubt waren, aber im Kampf für das Gute und gegen das Böse muss man über solche Kleinigkeiten hinwegsehen.
Angesichts der Jugend von Wanjiru kann man auch über dramatische Wissenslücken von ihr hinwegsehen. Sie fordert zwar «Aufklärung, Aufklärung, Aufklärung» im Kampf gegen Rassismus, behauptet aber im Interview, der in Genua geborene Columbus sei Portugiese gewesen. Macht ja nix.
Aber dann behauptet sie, «der Schweizer Louis Agassiz» sei ein «bekannter Rassentheoretiker» gewesen. Sie meint wohl den ersten weltweit renommierten US-Wissenschaftler und Zoologen Agassiz, der tatsächlich im Kanton Freiburg geboren wurde, aber den grössten Teil seines Lebens in Deutschland und dann in den USA forschte. Dort heiratete er übrigens eine bekannte Vorkämpferin für die Ausbildung von Frauen.
Als er 1873 in Massachusetts starb, lag der Bürgerkrieg gerade mal acht Jahre zurück, durch den die Sklaverei in den USA zumindest offiziell abgeschafft wurde. Dass er sich nebenbei auch zu Rassentheorien äusserte, macht ihn aber überhaupt nicht zu einem «bekannten Rassentheoretiker».
Aber mit solchem Unsinn ist das neue Gesicht gegen Rassismus nicht alleine. Neuenburg beschloss, im besten Einvernehmen mit der Universität, den «Espace Louis Agassiz» 2019 umzubenennen. Dafür wurde doch sicherlich eine Persönlichkeit von ähnlichem Ansehen und ähnlicher Bedeutung gewählt, oder? Nun ja, der Platz heisst neu «Espace Tilo Frey».
Was, Sie kennen Tilo Frey nicht? Da sind sie sicherlich zumindest ein struktureller Rassist. Denn Frey wurde 1971, direkt nach der Einführung des Frauenstimmrechts, in den Nationalrat gewählt. Als erste, nun ja, farbige, dunkelhäutige, anders pigmentierte Frau. Nichts gegen ihre Karriere und ihren Einsatz für Entwicklungszusammenarbeit. Aber schon nach vier Jahren schied sie wieder aus dem Parlament aus; sie verstarb 2008 in Neuenburg.
Im Kampf gegen Polizeigewalt und «strukturellen Rassismus» auch in der Ostschweiz ist der elende Tod des Berufsverbrechers George Floyd (9 Verurteilungen, unter anderem wegen Drogenbesitz, Diebstahl und bewaffneten Raubs) zum Fanal geworden. Das Video ist tatsächlich unerträglich, das seine brutale Festnahme und seinen Tod dokumentiert.
Schwarze müssen in den bis heute zutiefst rassistischen USA Polizisten jeder Hautfarbe nicht als Ordnungshüter oder Freund und Helfer sehen, sondern als Gefahr, als Gegner. Der sie schikaniert, Stichwort racial profiling, alleine wegen ihrer Hautfarbe werden Schwarze ständig kontrolliert, verdächtigt, natürlich auch in der Schweiz.
So lautet das Narrativ, wie man heutzutage so schön sagt. Denn auch in der Schweiz sei «Rassismus ein strukturell verankertes Problem». Das schreibt eine Doktorandin «am interdisziplinären Institut für Geschlechterforschung der Universität Bern» im antirassistischen Zentralorgan «Republik». Die selber davon träumt, endlich einmal schwarze Zahlen zu schreiben.
Denn natürlich waren auch Schweizer an «der Unterwerfung, Versklavung und Ausbeutung von Schwarzen Menschen beteiligt». Entmenschlichung, Kriminalisierung, koloniale Diskurse, das schwarze Schaf als Bedrohung in der SVP-Propaganda, der Verkauf von in der Ostschweiz gewebten Tüchern an afrikanische Stammesfürsten, kein Klischee wird ausgelassen.
Aber Klischees versperren, wie Gesinnung oder Geschlechterforschung, den Blick auf die Wirklichkeit. Die Washington Post, die wohl über den Zweifel erhaben ist, ein Rassistenblatt zu sein, lässt Zahlen sprechen. 2018, neuere Statistiken liegen nicht vor, wurden 7407 Schwarze ermordet. Über 90 Prozent der Täter waren – ebenfalls Schwarze. Im gleichen Jahr wurden 56 unbewaffnete Amerikaner von der Polizei erschossen. Davon waren 9 schwarz, 19 weiss, und die übrigen 28 gehörten anderen Rassen an.
Selbst wenn man noch eine Dunkelziffer dazunimmt, ist es also völlig klar: Die grösste Gefahr für das Leben von Schwarzen geht weder von Polizisten, noch von Weissen aus. Sondern von anderen Schwarzen. Das ist keine strukturell rassistische Aussage, sondern eine Tatsache.
Aber wer auch in der Schweiz aktive Teilnahme an der Sklaverei anklagen will, strukturellen Rassismus behauptet, gegen rassistische Gewalt in den USA protestiert, dem muss die Realität ziemlich egal sein. Aber wenn wir – ohne deswegen des Rassismus bezichtigt zu werden – der jungen Kämpferin einen Rat geben dürfen: Aufklärung fordern ist immer gut. Seine Hausaufgaben machen, das ist viel besser.
«Die Ostschweiz» ist die grösste unabhängige Meinungsplattform der Kantone SG, TG, AR und AI mit monatlich rund einer halben Million Leserinnen und Lesern. Die Publikation ging im April 2018 online und ist im Besitz der Ostschweizer Medien AG.
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