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Altersheim Feldhof in Oberriet

Schwere Vorwürfe gegen Altersheim aus Reihen der Mitarbeiter

Das Altersheim Feldhof in Oberriet ist aufgrund eines Coronaausbruchs in die Schlagzeilen geraten. Die Leitung sagt, man habe stets alle Regeln befolgt. Aus den Reihen der Mitarbeiter klingt es anders. Und: Die Opfer seien vor allem Geimpfte gewesen. Der Altersheimleiter hält dagegen.

Stefan Millius am 05. November 2021

Sie könnten spätestens nach Zeitungsartikeln, in denen die Lage verfälscht dargestellt werde, nicht mehr schweigen: Das sagen mehrere Mitarbeiterinnen des Altersheim Feldhof in Oberriet. Dort hatte es eine Massierung von Coronafällen gegeben. Die Heimleitung versicherte danach, es seien immer alle Schutzmassnahmen eingehalten worden, nur im Sommer sei die Cafeteria vorübergehend ohne Maske in Betrieb gewesen.

Die bewussten Mitarbeiterinnen, die anonym bleiben wollen, weil sie um ihren Job fürchten, sagen etwas anderes.

Seit Juli bis zum 23. Oktober, als die Situation eskalierte, habe buchstäblich niemand im Altersheim Maske getragen, sagen sie. Und das in allen Bereichen, von der Pflege über den Hausdienst bis zur Küche. Bei einem grossen Testtag habe niemand Schutzanzug getragen, Abstand sei kein Thema gewesen. Man habe sowieso über zu wenig Schutzmaterial verfügt, das Personal habe dieses dann auf eigene Faust beschafft, um wenigstens bei der Pflege von positiv Getesteten geschützt zu sein.

Mindestens vier Mitarbeiter, die positiv getestet wurden, seien zwar zunächst nach Hause geschickt worden, nicht selten habe man sie aber bereits für die nächste Schicht wieder ins Heim beordert, weil es an Arbeitskräften mangelte. Es habe auch Fälle gegeben, in denen sich Mitarbeiter aufgrund von Symptomen selbst getestet hätten mit positivem Resultat. Daraufhin habe die Heimleitung einen PCR-Test eingefordert, doch bis dieser absolviert werden konnte, hätten die Betreffenden weiter arbeiten müssen.

Seit dem 3. November arbeite man in 12-Stunden-Schichten, so die Informanten. Die Zeit fürs Essen sei kurzerhand gestrichen und die Pausen gekürzt worden. Während es sinnbildlich im Haus «gebrannt» habe und Hochbetrieb mit zu wenig Arbeitskräften geherrscht habe, habe der Heimleiter am 1. November seinen Feiertag kurzerhand eingezogen.

Die Mitarbeiterinnen sagen einhellig, dass diverse der Angaben, die in der lokalen Presse gemacht wurden, nicht korrekt seien. So sei keineswegs bei jedem positiven Test oder Verdachtsfall aufgrund von Symptomen sofort Isolation angeordnet worden. Es habe schwere Verläufe gegeben, bei denen ärztliche Hilfe nötig gewesen wäre, doch diese sei nicht verfügbar gewesen.

Dass es sich um zwei Dutzend Fälle von positiv Getesteten gehandelt habe, wie nachzulesen war, sei ebenfalls nicht korrekt. Rechne man die inzwischen verstorbenen Personen ein, seien es 43 Fälle gewesen. Pikant: Maximal acht von ihnen seien ungeimpft gewesen, bei allen anderen habe es sich um geimpfte Personen gehandelt. Dasselbe gelte für die Mitarbeiter: 24 wurden positiv getestet, 20 davon waren bereits vollständig geimpft Kommuniziert wurde das nie. Im Altersheim sei die Impfung allgemein stets als oberste Maxime angepriesen worden.

Ebenfalls nicht korrekt sei die Behauptung, man habe alle zwei Tage getestet. Lange Zeit habe es nur zwei Mal pro Woche einen Test gegeben, jeweils am Montag und am Freitag. An bestimmten Tagen sei die normale Tagesabdeckung mit zwölf Pflegepersonen um mehr als die Hälfte unterschritten worden.

Am 23. Oktober 2021 lief die Situation im Altersheim Oberfeld aus dem Ruder. Danach habe man rund zehn Tage lang nicht mal mehr Kapazität für die Hilfe bei der Körperpflege gehabt, die Bewohnerinnen und Bewohner konnten nicht einmal duschen, «es reichte nur für eine Katzenwäsche».

Im allgemeinen Chaos habe man zum Teil auch grössere Fehler befürchtet. Die fixen Regeln, nach denen Medikamente bereitgestellt und verabreicht wurden, seien ausser Acht gelassen worden, weil es dauernd an Zeit fehlte.

Sichtlich mitgenommen schildert eine Mitarbeiterin den Fall einer kognitiv eingeschränkten Frau, für die eine Angehörige das Einverständnis für einen Coronatest gab. Die Frau habe sich massiv gewehrt, drei Personen hätten sie festgehalten, während eine vierte das Stäbchen in die Nase beförderte.

Seit längerem sei zudem das Telefon im Altersheim überlastet, es komme kaum mehr jemand durch. Angehörige hätten keine Chance, mit ihren Verwandten zu sprechen. Zudem würden die Zimmer von positiv Getesteten nicht mehr gereinigt gemäss Anordnung von oben. Das sei gerade mit Blick auf die Virenlast unverständlich und falsch.

«Die Ostschweiz» hat den Leiter des Altersheim, Kurt Maute, mit den Vorwürfen konfrontiert. Er nimmt hier Stellung:

Kurt Maute, interne Quellen behaupten, zwischen Juli und dem 23. Oktober sei im Feldhof generell überall ohne Maske gearbeitet worden.

Die Aussage ist nicht korrekt. Für sämtliche Mitarbeitende galt eine Maskenpflicht, wenn der Mindestabstand von 1.5 Meter über mehr als 15 Minuten nicht eingehalten werden konnte. Wenn der erforderliche Abstand konsequent eingehalten werden konnte, galt keine Maskenpflicht. Seit 23. Oktober gilt auf Grund der aktuellen Situation eine generelle Maskenpflicht. Tatsache ist auch, dass es seit Ausbruch der Corona-Pandemie bis zum 22. Oktober im Altersheim Feldhof zu «nur» drei Covid-Fällen bei Bewohnenden kam, welche alle nur von milden Krankheitsverläufen betroffen waren.

Die Rede ist auch von einem grossen Testtag, an dem weder Schutzanzüge getragen noch auf Abstand geachtet worden seien.

Mir ist kein «grösserer Testtag» bekannt, der im Altersheim Feldhof durchgeführt wurde. Gemäss den Vorgaben des Kantons müssen weder bei repetitiven noch bei Ausbruchstestungen Schutzanzüge getragen werden. Alle anderen Hygienemassnahmen –hygienische Händedesinfektion und Tragen einer chirurgischen Hygienemaske – wurden bei Testungen konsequent umgesetzt.

Laut den Mitarbeitern, die sich bei uns gemeldet haben, habe es nicht genügend Schutzmaterial gegeben, das Personal habe sich dieses danach selbst beschafft.

Diese Aussage ist falsch. Es war und ist zu jedem Zeitpunkt genügend Schutzmaterial vorhanden. Mir ist aber ein einziger Fall bekannt, in dem eine Mitarbeitende auf Eigeninitiative und ohne Rücksprache mit ihrer Vorgesetzten in einer Apotheke Schutzmaterial gekauft und im Heim eingesetzt hat. Obwohl genügend Material im Heim an Lager war.

**Bewohnerinnen und Bewohner, die negativ getestet waren, aber Symptome hatten, hätten normal am Heimleben teilgenommen, heisst es weiter. **

Ja, negativ getestete Bewohnende wurden vom gesellschaftlichen Leben bewusst nicht ausgeschlossen. Generell ist es während der ganzen Pandemie im Altersheim immer eine Gratwanderung zwischen Freiheit/Selbstbestimmung und Einschränkung. Wir haben auch in der jetzigen Phase Bewohnende und Angehörige, die das Besuchsverbot als übertrieben betrachten. Aus unserer Sicht ist es aktuell aber zwingend, bis sich die Lage wieder entschärft. Die Haltungen sind sehr unterschiedlich. Nicht nur bei uns, sondern in der ganzen Gesellschaft. Wir halten uns im Altersheim Feldhof stets an die kantonalen Vorgaben und beziehen die sozialen Auswirkungen der Massnahmen auf die Bewohnenden in unsere Überlegungen mit ein.

Gab es wie behauptet mehrere Mitarbeiter, die kurz nach dem positiven Test aufgrund von tiefen Ressourcen wieder eingesetzt wurden, zum Teil noch am selben Tag in einer anderen Schicht?

Positiv getestete Mitarbeitende wurden umgehend in Isolation geschickt. Gemäss kantonalen Vorgaben gibt es keine Isolationserleichterungen für Mitarbeitende in sozialmedizinischen Institutionen.

Ein weiterer Vorwurf: Das Personal arbeitet seit 3. November in 12-Stunden-Schichten, Essenszeiten wurden gestrichen, Pausen verkürzt.

Es ist korrekt, dass wir auf Grund der personellen Ausfälle aktuell auf einen 2-Schicht-Betrieb umgestellt haben. Die gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeiten und Pausen werden dabei eingehalten. Es ist aber so, dass unseren «gesunden» Mitarbeitenden aktuell viel abverlangt wird. Diese Situation hat sich niemand gewünscht. Wir sind in einer ausserordentlichen Lage. Das ist korrekt. An dieser Stelle danke ich auch allen Mitarbeitenden, die Sonderschichten leisten, ihrem Umfeld, welche dies ermöglichen und allen anderen, welche einen Beitrag zur Bewältigung dieser ausserordentlichen Situation beitragen. Ich und auch der Verwaltungsrat wissen dies sehr zu schätzen. Zudem dürfen wir auf die Unterstützung der kantonalen Fachstellen und externen Fachpersonen zählen.

Die Aussage, wonach bei positivem Test oder Verdachtsfall aufgrund von Symptomen sofort Isolation angeordnet wurde, stimmt laut mehreren Mitarbeitern nicht.

Gemäss meinem Wissensstand haben die Mitarbeitenden bei Verdachtsfällen und positiven Tests stets korrekt gehandelt. Mir sind diesbezüglich keine Fehleinschätzungen oder Fehlverhalten bekannt.

Ist es korrekt, dass schwere Verläufe zum Teil ohne ärztliche Begleitung geblieben sind?

Bei den fünf Personen, welche positiv getestet wurden und inzwischen verstorben sind, ging kein schwerer Verlauf voraus. Die Pflegenden beurteilen die Situation immer zusammen mit der vorgesetzten Fachperson oder der Pflegedienstleiterin und entscheiden im Zweifelsfall zusammen mit dem Hausarzt und den Angehörigen das weitere Vorgehen. Bis jetzt mussten noch keine Bewohnenden auf Grund der Covid-Situation hospitalisiert werden.

**Gegenüber der Angabe von zwei Dutzend Coronafällen (Rheintaler) seien es gemäss den uns vorliegenden Aussagen, wenn man die später Verstorbenen einrechnet, 43 gewesen, die positiv getestet worden waren, davon nur ein kleiner Teil, ca. 20 Prozent, ungeimpft. **

Mit Stand 5. November haben sich seit Ausbruch der Covid-Welle vom 22. Oktober bis heute 43 Bewohnende und 25 Mitarbeitende infiziert. Da aktuell alle zwei Tage eine Ausbruchstestung stattfindet, ändert sich die Zahl fortlaufend. Insgesamt sind 87 Prozent der Bewohnenden geimpft und 76 Prozent der Mitarbeitenden. Auf Grund der hohen Impfrate versteht sich, dass die Zahl der «Nichtgeimpften» relativ klein sein muss. Aus Persönlichkeitsschutzgründen können wir aber keine detaillierteren Angaben machen. Wir sind jedoch davon überzeugt, dass der milde Verlauf der Infizierten hauptsächlich auch auf die Impfung zurückzuführen ist.

Auch bei den positiv getesteten Mitarbeiterin habe es sich zu einer kleinen Minderheit um Ungeimpfte gehandelt.

Die Erklärung ist dieselbe: Über drei Viertel der Mitarbeitenden sind geimpft. Entsprechend kleiner muss die Anzahl der Ungeimpften sein.

Es habe unterlassene Hilfeleistung in einem Fall einer Bewohnerin mit starkem Auswurf gegeben mit der Begründung, dafür habe man keine Zeit, lautet ein weiterer Vorwurf.

Wir hatten keine schweren Verläufe im Haus. Ein starker Auswurf wäre ein solch schwerer Verlauf gewesen

Eine weitere Aussage aus Mitarbeiterkreisen: Seit über einer Woche gebe es keine Kapazitäten mehr für die Unterstützung bei der Körperpflege inklusive Duschen.

Es ist so, dass wir aktuell weniger Personal zur Verfügung haben als üblich. Zu gewissen Verzögerungen kann es daher kommen. Die Grundpflege wird jedoch nicht vernachlässigt. Ich habe den Eindruck, dass sowohl die Bewohnenden wie auch die Angehörigen Verständnis für die aktuelle Situation aufbringen. Wir setzen alles daran, die Situation bestmöglich und ohne weitere Ansteckungen zu bewältigen.

Eine kognitiv beeinträchtigte Bewohnerin sei gewaltsam durch Festhalten zum Testen gezwungen worden, wurde uns gegenüber angegeben.

In der aktuellen Situation gilt, dass wir sämtliche Personen testen müssen, um eine weitere Verbreitung möglichst zu unterbinden. Der geschilderte Fall ist mir nicht bekannt. Unser Personal ist bestens ausgebildet im Umgang mit solchen Menschen und ich bin mir sicher, dass auch in diesem Fall der Situation angemessen gehandelt wurde.

Ein weiteres Problem: Das Telefon in Ihrem Haus sei seit längerem chronisch überlastet, die Angehörigen hätten keine Chance mehr, zu ihren Verwandten durchzukommen.

Diese Darstellung ist sicher falsch. Wir sind rund um die Uhr erreichbar. Wenn die Sekretärin oder ich das Telefon nicht abnehmen können, weil wir besetzt sind, geht der Anruf in einen Ringruf und Pflegende nehmen den Anruf entgegen. Zahlreiche Bewohnende haben eigene Telefonapparate in ihrem Zimmer mit direkten Nummern. Es kann vorkommen, dass jemand den Hörer nach dem Gespräch nicht ordentlich auflegt oder neben das Gerät legt und deshalb nicht direkt erreichbar ist. Bei uns leben Personen die unterstützungsbedürftig sind. Ihnen können solche Unachtsamkeiten unterlaufen. Die Angehörigen wissen aber, dass sie uns kontaktieren können. Dann gehen wir dem nach oder stellen auch ein Telefonapparat der Pflegedienstleistenden für das Gespräch zur Verfügung. Mir sind aktuell keine Reklamationen von Angehörigen bekannt, die in diese Richtung der «nicht Erreichbarkeit» gehen.

Und schliesslich noch dieser Vorwurf: Es gebe die Direktive, dass Zimmer von positiv Getesteten nicht mehr gereinigt werden.

Diese Aussage ist falsch. Tatsache ist, dass in den Zimmern der positiv getesteten Personen in der Regel nur eine Grundreinigung inklusive der notwendigen Desinfektion durchgeführt wird. Dies auf Grund der Situation, dass die positiv getestete Person das Zimmer nicht verlassen darf.

Stölzle /  Brányik
Autor/in
Stefan Millius

Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.

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