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Amt für Archäologie des Kantons Thurgau

Sees-Sedimente zeugen von der Umweltgeschichte des Thurgaus

Wie haben sich die Umwelt- und die Lebensbedingungen in der Jahrtausende währenden Besiedlungszeit des Thurgaus verändert? Das ist bis heute nicht umfassend untersucht, denn zeitlich hochaufgelöste naturwissenschaftliche Daten haben bisher gefehlt. Diese Lücke wird nun geschlossen.

Die Ostschweiz am 07. Juni 2020

Wie sah der Thurgau in römischer Zeit aus? Wie war die Landschaft während des Konstanzer Konzils von 1414–1418? Wie beeinflusste der Eisenbahnbau im 19. Jahrhundert die Waldentwicklung? Ohne umfassende Grundlagendaten aus natürlichen Umweltarchiven in der südlichen Bodenseeregion sind solche historischen Fragen nur unbefriedigend zu beantworten. Dies könnte sich in den nächsten Jahren ändern: Das Amt für Archäologie Thurgau hat in Kooperation mit der Universität Basel das Projekt «Klima, Mensch und Umwelt im Thurgau» (KUMiT) ins Leben gerufen, das die Gewinnung von Grundlagendaten zu Umwelt, Klima und menschlichem Einfluss während der letzten 15'000 Jahre anstrebt.

Ablagerungen in Seen

Um Veränderungen in der Umwelt zu untersuchen, greift das Projekt auf das Informationspotenzial von Seesedimenten zurück. Über Jahrtausende haben sich am Grund von Seen biologische Überreste abgelagert, die sich mittels Bohrungen erschliessen lassen. Dafür hat das Forschungsteam die Kleinseen Bichel- und Hüttwilersee ausgewählt, die beide in Privatbesitz sind.

Im Herbst 2019 entnahm das Team erfolgreich aus beiden Seen Bohrkerne, die eine durchgehende Sedimentabfolge enthalten. «Wir sind froh, dass dies so gut gelungen ist», kommentiert der Projektleiter PD Dr. Urs Leuzinger vom Amt für Archäologie Thurgau diese Arbeiten, «denn gebohrt wird von Hand und gerade das manuelle Herausziehen der meterlangen Sedimentsäulen aus dem Seegrund ist anspruchsvoll».

Fabian Rey

Dr. Fabian Rey bei der ersten Begutachtung der aufgetrennten Sedimentkerne im Labor. (Foto: Universität Basel, Oliver Heiri)

Kantonale Umweltgeschichte aufrollen

Der rund sieben Meter lange Kern aus dem Bichelsee deckt eine Zeitspanne vom Spätneolithikum (um 3200 v. Chr.) bis heute ab. Die 13 Meter lange Sedimentsäule aus dem Hüttwilersee reicht von der ausgehenden letzten Eiszeit (ca. 15'000 Jahre vor heute) bis in die Gegenwart. Diese Sedimentkerne werden nun im Labor des Departements Umweltwissenschaften präpariert und untersucht.

«Dieses Projekt zeigt anhand eines konkreten Fallbeispiels, wie Umweltrekonstruktion funktioniert», erklärt der Geoökologe Prof. Dr. Oliver Heiri vom Departement Umweltwissenschaften, der für die Laborarbeiten verantwortlich ist. «Wir rollen mit der Analyse der Bohrkerne die Umweltgeschichte des Kantons Thurgau neu auf und schaffen dabei Links zur Archäologie und zur Geschichte», resümiert Heiri.

Sedimentkern

Ein beprobter Sedimentkern. Die abwechselnd hellen und dunklen Stellen zeigen Kälte- und Wärmeperioden. (Foto: Universität Basel, Christian Flierl)

Tausende Pollen zählen

Wie die Analyse funktioniert, erklärt Dr. Fabian Rey, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Projekt beteiligt ist. Das Team entnimmt in regelmässigen Abständen Stichproben aus den Sedimentkernen. Diese werden dann gesiebt und chemisch aufbereitet und so von unerwünschten Bestandteilen wie zum Beispiel Kalk- und Tonpartikel gereinigt. Was danach kommt, ist wiederum aufwändige Handarbeit: Die Forschenden bestimmen und zählen die mikroskopisch kleinen biologischen Überreste – beispielsweise Pollenkörner oder Insektenreste. Anhand dieser Analyse können sie danach zum Beispiel zeigen, ab wann sich die Kastanie in der Gegend ausbreitete oder Flachs angebaut wurde. «Das A und O dieses Projektes ist es, dass das Alter unserer Proben mittels vieler Radiokarbondatierungen genau bestimmt wird», sagt Rey, «denn so lassen sich auch Veränderungen in kurzen Zeiträumen genau beschreiben».

Waldrodungen und neue Baumarten

Einige Proben sind bereits ausgezählt, was den Forschenden schon heute die Formulierung erster Erkenntnisse erlaubt. So haben sie herausgefunden, dass es rund um den Bichelsee in der Bronze- und Eisenzeit zu grösseren Waldrodungen und verstärkter Bodenerosion gekommen ist. Ausserdem konnten sie, wie in anderen Sedimentkernen aus der Schweiz, das Aufkommen von Walnuss und Esskastanie in jüngeren Sedimentabschnitten verorten. «Die Sedimentkerne sind wie ein Geschichtsbuch», erklärt Leuzinger. Dieses gilt es nun zu entziffern. Bis die Hundertausenden von Pollenkörnern, Algen- und Insektenresten ausgezählt und bestimmt sind und umfassende Umwelt- und Klimadaten vorliegen, dauert es aber noch einige Zeit. Ein Abschluss der Auswertungen ist in rund drei Jahren vorgesehen.

Die finanziellen Mittel für das Kooperationsprojekt «Klima, Mensch und Umwelt im Thurgau» stammen aus dem Walter Enggist-Fonds.

Mikroskop

Bei der Betrachtung unter dem Mikroskop sind in den Proben Pollenkörner, weitere biologische Überreste sowie hinzugefügte Zählhilfen (eingefärbte rote Lycopodium-Sporen) sichtbar. (Foto: Universität Basel, Christian Flierl)

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