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Der Autor Thomas Riesen über sein neues Buch

«Seit ich über den Tod nachdenke, lebe ich bewusster»

«Aus dem Leben eines Sensenmannes» heisst der neue Roman von Appenzeller Autoren Thomas Riesen, welches Anfang Juni beim Qultur Verlag erschienen ist. Obwohl das Thema ein sehr ernstes ist, hat es der Journalist geschafft, dem Publikum einen etwas anderen Zugang zur Vergänglichkeit aufzuzeigen.

Christian Imhof am 13. Juni 2022

Als Thomas Riesen sein Buch zum ersten Mal in den Händen hielt, sei ihm sein Protagonist mit dem Namen Max Jedermann sehr vertraut und fast wie ein alter Freund vorgekommen. «Mit seinem freundlichen Wesen könnte er auch im realen Leben ein guter Freund sein. Ich hätte keine Angst vor ihm und das Wissen über die Art, wie er arbeitet, würde mir den letzten Gang bestimmt erleichtern. Ich würde ihn mir als Begleiter wünschen.»

Leider sehr aktuell

Am Anfang des Romans, welcher im wertigen Kleinformat daherkommt, steht ein Gedicht, dass leider immer noch eine hohe Aktualität und auch sehr viel mit dem Thema Tod zu tun hat. Es sei ihm wichtig gewesen, der Leserschaft seine Haltung mitzugeben. «Das Gedicht ‘Alexey’ entstand kurz nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine und ist den einfachen Soldaten auf beiden Seiten gewidmet, die lieber zu Hause bei ihren Familien wären. Es entstand spontan und sollte ursprünglich nicht Teil des Taschenbuches sein, sondern ein Werk für sich.» Sein Lektor Harald Löhndorf habe die Idee gehabt, das Gedicht im Buch zu verwenden und ihm habe dieser Ansatz gefallen. «Das Thema ist aktuell und der Tod ist in der Ukraine leider mehr als nur ein Stammgast geworden. Er gehört mittlerweile zum täglichen Leben der Menschen, was besondere Aufmerksamkeit erregt, weil es in Europa passiert. Damit passt das Gedicht auch zum Thema des Taschenbuches, in dessen Verlauf der Sensenmann ebenfalls eingezogen wird und seinen Dienst an der Front im Krieg leistet.»

Den Umgang mit dem Tod lernen

Zu dieser nicht gerade alltäglichen Geschichte rund um den Tod habe es keine besondere Inspiration erfordert, sagt Riesen. «Der Tod ist ein Teil des Lebens, auch wenn er ein Ende bedeutet, unabhängig davon, wie man es deutet. Geburt und Tod sind Zwillinge, die untrennbar miteinander verbunden sind.» Die Namenswahl der Hauptfigur habe damit zu tun, dass der Tod uns alle betreffe. «Egal ob wir arm oder reich sind oder welcher sozialen Gesellschaftsschicht wir angehören, deshalb habe ich den Charakter auch Max Jedermann genannt. Das ist kein Zufall. Irgendwann werde ich sterben. Sich darauf vorzubereiten, sollte selbstverständlich sein.»

So offen wie Thomas Riesen mit dem Tod umgeht, wird es nicht von vielen Personen praktiziert. Doch dass er damit ein Tabu breche, glaubt der Autor nicht. «Viele Menschen wurden im Verlaufe ihres Lebens bereits mit dem Tod konfrontiert, direkt oder indirekt. Sie haben einen Vater, eine Mutter, einen Bruder oder eine Schwester verloren, vielleicht auch einen guten Freund. Andere kennen Menschen, die an Krebs im fortgeschrittenem Stadium erkrankt sind oder an Demenz leiden und in absehbarer Zeit ebenfalls sterben.»

Die entscheidende Frage laute, wie man damit umgehe. «Akzeptieren sie das Unausweichliche oder verdrängt sie den Gedanken an den Tod? Ein Tabubruch ist das Buch nur für jene Menschen, die sich dem Thema bisher nicht gestellt haben, aus welchen Gründen auch immer. Ich lade aber ganz besonders diese ein, sich damit gedanklich zu befassen, denn sie sind ebenfalls betroffen – früher oder später.»

Total im Hier und Jetzt

Durch das Buch habe er auch oft an die eigene Vergänglichkeit gedacht. Da er wisse, dass er irgendwann mal sterben werde, mache es schon Sinn sich Gedanken zum Thema zu machen. «Es ist wie bei einem Marathonlauf. Würde ich heute unvorbereitet losrennen, würde ich das Ziel bestimmt nie sehen! Dafür müsste ich erst einige Monate trainieren. Genau so kann man sich auf den Tod vorbereiten. Man kann darüber nachdenken und kommt dann zu einem erstaunlichen Schluss: Es lohnt sich das Leben bis dahin bewusst zu geniessen und zwar jeden einzelnen Tag! Seit ich über den Tod nachdenke, lebe ich bewusster, ich achte auf ethisches Verhalten und versuche im Hier und Jetzt zu leben, ruhiger und gelassener zu werden. Dann – so hoffe ich wenigstens – kann ich dem Tod irgendwann eben so ruhig und gelassen begegnen, im Wissen, dass ich mein Leben wirklich gelebt habe.» Riesen könne sich nichts Schlimmeres vorstellen, als sich selber auf dem Totenbett Vorwürfe zu machen, weil er gewisse Chancen verpasst habe. «Es gibt dann keine Gelegenheit mehr Versäumtes nachzuholen.»

Nicht missionieren

Eine erste Lesung zum Buch habe es bereits gegeben, am Tag als das Werk erschienen sei. Die Veranstaltung in der Kantons- und Volksbibliothek Appenzell könne als voller Erfolg verbucht werden. «Es kamen mehr Besucherinnen und Besucher, als ich erwartet habe. Aber vor allem stellten diese gute Fragen, die mich teilweise wirklich forderten.» Er merke schon, dass er ein Thema mit dem Buch anspreche, dass bei vielen Menschen einen Nerv treffe. «Ich präsentiere mit dem Buch über den Sensenmann keine abschliessenden Thesen, ich spreche das Thema Tod lediglich auf verschiedenen Ebenen an. Damit verhindere ich, dass das Werk religiös interpretiert werden kann und die Leserschaft gefordert ist, selber über den eigenen Tod nachzudenken. Beides ist mir wichtig, denn missionieren liegt mir nicht und ich will, dass die Menschen selbstständig denken.»

So eine Lesung sei der ideale Ort um mit vielen interessanten Persönlichkeiten ins Gespräch zu kommen. Thomas Riesen sieht sich in der Öffentlichkeit aber nicht als schreibenden Star, sondern total als Teamplayer. «Es war wirklich ein gelungener Abend, auch dank der guten Organisation durch das Team der Kantons- und Volksbibliothek Appenzell. Eine solche Veranstaltung ist immer Teamwork, auch wenn ich als Autor vielleicht im Rampenlicht stehe.» Dies gelte übrigens ebenfalls für die Produktion eines Buches. «Ohne Verlag, Sponsoren, Lektor und Grafiker wäre der Sensenmann nie erschienen, es wären einfach ein paar Zeilen auf meinem Computer zu Hause.» Nun ist es ein Taschenbuch geworden, welches diverse Personen durch die Handlichkeit mit in die Ferien nehmen. Wenn es zusätzlich noch mehr Leute dazu animiert, bewusster im Hier und Jetzt zu leben, hat Riesen und sein Team doch einiges richtig gemacht. Das Buch «Aus dem Leben eines Sensenmannes» kann jetzt unter www.shop.qultur.ch bestellt werden. (Christian Imhof)

„Ideen über neue Bücher und Geschichten entstehen über Stichwörter. Aktuell sind es zwei: Achtsamkeit und Träume. Doch beides steckt noch in den Ansätzen und ich weiss noch nicht, welchem Thema ich mich widmen werde. Aber eines steht bereits fest: Auch die nächste Geschichte oder das nächste Buch wird ein anspruchsvolles Thema behandeln, die Leserschaft unterhaltsam fordern und nachträglich auffordern, selber darüber nachzudenken. Auch kenne ich den Namen meines nächsten Helden des Alltags bereits. Er wird wieder Max Jedermann heissen, denn die Themen meiner Geschichten und Bücher betreffen jeden.“

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Autor/in
Christian Imhof

Christian Imhof ist freier Journalist, Musiker und Gründer des Kulturmagazins Qultur.

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